Start-up der Domscheit-Bergs will Gigabit-Anschlüsse günstig und flexibel machen

Die Netzaktivisten Anke und Daniel Domscheit-Berg wollen den deutschen Markt für Breitbandanschlüsse aufrollen. Vorbild ist das Glasfaser-Musterland Schweden.

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Breitband-Internetversorgung

(Bild: dpa, Jens Büttner)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti
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Das Breitband-Startup ViaEuropa Deutschland GmbH will den Glasfaser-basierten Breitbandausbau mit einem "Open Network Modell“ forcieren. Schnelle symmetrische Breitbandanschlüsse bis zu 1 Gigabit/s sollen keine Ausnahme mehr bleiben.

Das Startup, dessen Gründung die Netzaktivisten Anke und Daniel Domscheit-Berg am Freitag in Berlin vorstellen, will einen offenen Online-Marktplatz aufbauen, auf dem Dienstanbieter zu gleichen Bedingungen den Endkunden ihre Dienste offerieren. „Unsere deutschen Geschäftsmodelle sind allesamt unflexibel und intransparent. Völlig anders als das schwedische Modell“, erklärt Anke Domscheit-Berg , die in dem neuen Startup die Rolle der CEO übernimmt.

In Schweden werden die meisten Breitbandanschlüsse nicht von den großen Telecomfirmen bereitgestellt, sondern über offene Plattformen, die über eine standardisierte Schnittstelle alle Endkunden und Dienste-Anbieter miteinander verbinden. Das schwedische Geschäftsmodell basiert darauf, dass die Kommunen selbst passive Glasfasernetze bauen, deren aktive Komponenten von Dritten betrieben werden, die ihre Dienste dann über den Marktplatz anbieten. "Ein Kunde kann darüber alle Anbieter sehen und klickt sich seine gewünschten Dienste zusammen. Er kann sie auch beliebig verändern, upgraden, downgraden, canceln – meistens ganz ohne Kündigungsfristen", verspricht Anke Domscheit-Berg.

Möglich sei dies aufgrund eines vollautomatisierten Netzmanagement: „Die Änderung einer Vertragsbeziehung dauert im Schnitt 30 Sekunden. Das könnte ein Wechsel beispielsweise von der Telekom zu Vodafone oder von 200 Mbit auf 1 Gigabit Internet sein.“ Damit werde nicht nur eine hohe Transparenz, sondern auch ein hoher Wettbewerb ermöglicht, da alle Anbieter den Zugang auf die Plattform zu gleichen Konditionen erhalten. Damit entstünden auch Chancen für lokale Mini-Internetservice-Anbieter.

In Schweden betreiben zwei Drittel der Kommunen eigene Glasfasernetze. Dort kostet ein symmetrischer Glasfaserzugang mit 1 Gigabit monatlich rund 50 Euro, erzählt Domscheit-Berg. Weil sie selbst derzeit nur einen 16-Mbit-DSL-Anschluss auf dem Land genießt, wollte sie auf einen Gigabit-Anschluss umsteigen. Das hätte sie aber mindestens das Zehnfache gekostet. Abweichend davon sei es in Schweden auch möglich für eine Einmalzahlung zwischen 1000 bis 3000 Euro einen Gigabit-Anschluss zu erhalten, um dann im weiteren Verlauf nur noch für die Dienste zu zahlen. Interessant sei das beispielsweise für Schulen, die für viele Personen gleichzeitig einen schnellen Internetzugang bieten wollen. Für die Kommunen sei ein solcher Anschluss bereits nach 2,5 Monaten refinanziert, während es sonst bis zu 13 Jahre dauern könne.

Ziel des neuen Startups ist es, ähnlich günstige Gigabit-Anschlüsse auch in Deutschland anbieten zu können. Möglich machen soll das Mitgesellschafter Jonas Birgersson. Er entwickelte unter anderem das Konzept für den Netzausbau in Stockholm, das später von anderen Kommunen kopiert wurde. Er ist Vorsitzender der ViaEuropa Sverige AB, die in Schweden den führenden Marktplatz für Breitbanddienste betreibt. Die Plattform ist nicht nur national, sondern auch international offen. Damit können schwedische Anbieter ihre Dienste auch deutschen Kunden anbieten. Via Europa bietet heute Internetzugang über 100 Netzwerke und mehr als 100 Service-Providern in sechs Ländern. Die meisten der Netzwerke basieren auf lokalen Infrastruktur-Betreibern. Die ViaEuropa-Plattform dient praktisch als Makler zwischen den Kunden, den Netzwerken und den Providern.

Birgersson, der in Schweden auch als "Breitbandjesus“ bekannt ist, will nun mit Hilfe der Domscheit-Bergs sein Geschäftsmodell auch nach Deutschland bringen: „Wir haben in Schweden viele Lektionen gelernt, von denen deutsche Kommunen profitieren können. Sie sparen schlicht 20 Jahre Entwicklungszeit und können sofort das als beste Praxis bewährte Konzept umsetzen.“ Schweden bietet heute das schnellste Durchschnittsinternet in der Europäischen Union zu niedrigen Entgelten. Via Europa Deutschland will daher nun als Erstes Kommunen für ihr Geschäftsmodell gewinnen, die bereits eine eigene Glasfaserinfrastruktur planen.

Anke Domscheit-Berg lobt das Modell aus netzpolitischer Perspektive: Die Glasfasernetze blieben als Teil der kritischen Infrastruktur in öffentlicher Hand. Gleichzeitig profitierten die kommunalen Haushalte langfristig von Einnahmeüberschüssen aus den Internetentgelten. ViaEuropa Deutschland will 50 Prozent der Einnahmen aus den Kundentarifen an die Kommunen weiterreichen, sagt Anke Domscheit-Berg, womit sie „den maximal möglichen Return erhalten“. 30 Prozent gingen an die Provider, die das Netzwerkmanagement betreiben, 10 Prozent für Anbieter wie Telekomfirmen sowie 10 Prozent an die eigene Firma.

Während in Schweden bereits 40 Prozent der Breitbandanschlüsse auf Glasfaser basieren, sind es in Deutschland nur 1,2 Prozent. Domscheit-Berg verweist für die Ursache auf die Deutsche Telekom, die unverdrossen auf die Vectoring-Technologie setzt: „Vectoring ist wie wenn man einen Esel mit einer elektrischen Peitsche antreibt, es ist aber kein Auto.“ Daniel Domscheit-Berg, der in dem neuen Startup die Rolle des CTO spielen wird, sieht in dem aus Schweden importierten Geschäftsmodell daher eine „klare Kampfansage an die bestehende Breitbandstrategie der Bundesregierung, die immer noch mit vielen Millionen Euro Steuergeldern das Vectoring fördert“. (axk)