Demos Stop Ceta und TTIP: "Wir kämpfen bis zum letzten Meter"

Als "schönste Handelshemmnisse der Welt" protestierten bundesweit Zehntausende bei zugezogenem Himmel gegen TTIP und Ceta. Redner stellten klar, sie seien für demokratische Regeln und gegen eine Konzernherrschaft.

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Demos Stop Ceta und TTIP: "Wir kämpfen bis zum letzten Meter"

(Bild: Stefan Krempl)

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Zehntausende Bürger gehen zur Stunde trotz örtlichen Regens in sieben deutschen Großstädten gegen die geplanten Handelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) sowie Kanada (Ceta) auf die Straße. Sie treten stattdessen für einen "gerechten Welthandel" ein und wollen den Druck auf die Politik nach der Großdemo vergangenen Oktober in Berlin sowie der Folgeveranstaltung in Hannover im April erhöhen, die im Raum stehenden Übereinkünfte zu stoppen.

Thilo Bode, Geschäftsführer von Foodwatch: Wir kämpfen bis zum letzten Meter!

(Bild: Stefan Krempl)

"Wir kämpfen bis zum letzten Meter", betonte Thilo Bode, Geschäftsführer von Foodwatch beim nassen Auftakt des Aktionstages in Berlin auf der noch weitgehend leeren Karl-Marx-Allee. "Wir sind nicht gegen freien Handel, sondern gegen diese Abkommen", betonte der Aktivist, der der deutschen Protestbewegung seit Langem ein Gesicht gibt. Volkswagen, Bayer oder Monsanto dürften nicht die Gesetze machen. "Wir sind dagegen, dass Kommissionen im Geheimen Entscheidungen treffen, dass unsere Demokratie abgeschafft wird", unterstrich Bode. "Wir wollen für ein Europa der Bürger kämpfen."

An "Frau Merkel und Herrn Gabriel" richtete der frühere Greenpeace-Mitstreiter am Samstag die Botschaft: "Wir lassen uns nicht für dumm verkaufen. Hören Sie auf, uns zu täuschen." Der Versuch, die Verträge hinter verschlossenen Türen auszuhecken, habe dazu geführt, dass immer mehr Menschen dagegen seien. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel schummele schon wieder, wenn er sage, das fertig ausgehandelte Ceta könne erst mal unterzeichnet und "danach besser" gemacht werden. Was der SPD-Chef "uns verkaufen will, ist ein unsicherer Wechsel auf die Zukunft". Er solle endlich aufhören, "Dienstleister für die Konzerne" zu spielen. Gabriel müsse den Weg frei machen für einen Vertrag, "der den Menschen dient, nicht dem Handel".

Protestmärsche finden parallel auch in Hamburg, Frankfurt, Köln, Leipzig, München und Stuttgart statt. Die Veranstalter sprechen von bundeweit 320.000 Teilnehmern an den Demonstrationen, nach ihren Angaben waren es in Berlin 70.000 Demonstranten, in Hamburg 65.000, in Köln 55.000, in Frankfurt 50.000, in Stuttgart 40.000, in München 25.000 und in Leipzig 15.000. In Berlin sprach auch die Polizei letztlich von 70 000 Teilnehmern. In Hamburg zählten die Beamten aber nur 30 000, in Köln 40 000 Teilnehmer. In Frankfurt sprach die Polizei am Ende des Tages von 25 000 Teilnehmern, in München von 23 000, und in Stuttgart kamen laut Polizei 20 000. Die Leipziger Polizei gab keine eigene Zahl bekannt.

Aufgerufen zu den Kundgebungen hatte ein breites Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen, Gewerkschaften, Kirchen und Parteien links von der Mitte aufgerufen. Über eine Online-Mitfahrbörse hatten die Veranstalter Bus- und Zugtouren in die nächstgelegenen Städte organisiert.

Demos Stop Ceta und TTIP (6 Bilder)

Zehntausende ließen sich von einem zugezogenen Himmel nicht abschrecken.
(Bild: Stefan Krempl)

Die bundesweiten Aktionen legten sie einen Tag vor die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus und zwei Tage vor die Abstimmung der SPD über den weiteren Kurs zu Ceta auf einem Parteikonvent in Wolfsburg.

Michael Müller, der Bundesvorsitzende der Naturfreunde Deutschlands, machte in der Hauptstadt in den geplanten Übereinkünften "Relikte einer längst niedergehenden Epoche" sowie einen "Angriff auf die Demokratie und erkämpfte Rechte" aus. Ceta sei so problematisch, weil es Vorbild für die Globalisierung sein solle. "Seit mehr als 25 Jahren fordern wir eine Welt der Nachhaltigkeit, doch die Politik hängt immer mehr Konzepten von vorgestern an", hielt Müller dem entgegen. "Wir wollen die Globalisierung gestalten, wir sind keine Nein-Sager", meinte er und grenzte sich wie mehrere andere Redner ­auch gegenüber der AfD und anderen Rechtsbewegungen ab: "Wir haben mit Frauke Petry oder Marine Le Pen nichts am Hut." Diese sollten "in der kleinen Opposition bleiben".

"Unsere Welt braucht Regulierung, Gestaltung, nicht Anpassung über Ceta und TTIP", konstatierte der Umweltschützer, bevor sich bei durchkommender Sonne ein kilometerlanger Zug durchs Berliner Zentrum in Bewegung setzte. Vertreten werden müsse die "Idee eines ökologischen und sozialen Fortschritts". Gabriel gab Müller mit auf den Weg, dass sich Ceta nicht für innerparteiliche Machtfragen eigne: "Wir erwarten ein Nein von der SPD", sonst würden die "Sowohl-als-auch-Sager" nach unten gezogen.

"Wir müssen noch viel Überzeugungsarbeit leisten, auch in den meisten Parteien", räumte Doro Zinke vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) ein. Die Behauptung, dass es durch mehr freien Handel mehr Arbeitsplätze in der Exportwirtschaft gäbe, bezeichnete sie als Polemik. Mit den Abkommen, die die Politik entmündigten, ginge der Investitionsschutz vor nationale Regelungen wie betriebliche Mitbestimmung, Arbeitssicherheit, das Sozialversicherungssystem oder "unser Arbeitsrecht". Der Schutz erwarteter Profite dürfe nicht höher rangieren als die erkämpften Privilegien für Arbeitnehmer. Auch die Rekommunalisierung zurück in den öffentlichen Bereich müsse möglich bleiben.

"Mit Anti-Amerikanismus" habe die Bewegung nichts zu tun, erklärte Ulrich Schneider vom Paritätischen Gesamtverband. Es handle sich um ein "weltoffenes Bündnis", das sich aber gegen eine Sondergerichtsbarkeit nur für Konzerne und einen "Angriff auf unsere Gemeinnützigkeit" wehre. Der Bundesregierung schmetterte er entgegen: "Wir wollen keine Kungelrunden, wir wollen transparente, demokratische Verfahren." Simone Peters (Grüne) und Dietmar Bartsch (Linke) gelobten, Ceta und TTIP im Bundesrat ablehnen und auch gegen eine "vorläufige Anwendung" des Vertrags mit Kanada stimmen zu wollen.

EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström warf den Gegnern vor, "viele Missverständnisse, Schauermärchen und Lügen" zu verbreiten. "Unsere Demokratie wird selbstverständlich nicht ausgehöhlt, wie manche zu glauben scheinen", sagte sie der "Bild"-Zeitung. Ceta abzulehnen, wäre "ein schreckliches Signal an die Welt". Sie forderte die Regierungen der Mitgliedsstaaten auch auf, mehr bei den Menschen für TTIP zu werben. Sollten TTIP und CETA scheitern, "wäre dies ein schwerer Rückschlag für Europa", meinte Ulrich Grillo vom Bundesverband der deutschen Industrie (BDI). Von einem "Sieg einer aufgeklärten Protestbewegung" könnte dann keine Rede sein.

Der "Economist" warnte im Blick auf die große Skepsis der Exportnation gegenüber einer weiteren Handelsliberalisierung und Wandel generell: "Mit dem Versuch, ihren Wohlstand abzusichern, könnten die Deutschen genau die Sache unterwandern, die ihren Erfolg gewährleistet hat."

[Update 17.09.2016 17:50]:

Angaben der Polizei über die Anzahl der Demonstrationsteilnehmer aktualisiert. (ps)