Renaissance der Atomkraft in Großbritannien
Die britische Regierung hat beschlossen, mit Hinkley Point C ein großes neues Kernkraftwerk zu bauen – trotz hoher Kosten.
- Jamie Condliffe
Nach monatelangen Diskussionen hat sich die neue britische Premierministerin Theresa May dazu entschieden, dem neuen Groß-AKW Hinkley Point C ihren Segen zu geben. 18 Milliarden Pfund, also gut 21 Milliarden Euro, soll das Kernkraftwerk kosten, das im englischen Somerset gebaut wird.
Dem Genehmigungsprozess gingen turbulente Zeiten voraus. Nach mehreren Jahren der Planung gab es vor mehreren Wochen grünes Licht, doch May entschied sich zunächst dafür, weitere Überprüfungen durchführen zu lassen – angeblich aus Sicherheitsgründen.
Das stellte nicht nur ein Problem für die angeschlagene britische Atombranche dar, sondern sorgte auch für diplomatische Verwicklungen mit Frankreich und China, die beide an Hinkley Point C beteiligt sind.
Veränderung der Verträge an Hinkley Point
In den Wochen nach der behördlichen Genehmigung untersuchte die Downing Street das Projekt nochmals genau und änderte einzelne Punkte. Die wohl wichtigste Entscheidung: Die britische Regierung kann das dem französischen Staat gehörende Energieunternehmen EDF daran hindern, seinen Anteil an dem Projekt, immerhin ein Drittel, während des Baus zu verkaufen.
Laut einem Bericht der "Financial Times" sind sowohl EDF als auch der dritte Partner, China General Nuclear (ebenfalls im Staatsbesitz, ebenfalls ein Drittel Anteil an Hinkley Point C), für die Veränderung der Verträge.
Umweltgruppen halten die Zugeständnisse dagegen für nicht mehr als "heiße Luft". Der wirtschaftlich umstrittenste Aspekt des Projekts bleibt bestehen: Die britische Regierung garantiert EDF, pro Megawattstunde Elektrizität mindestens 92,50 Pfund (rund 108 Euro) zu zahlen. Das entspricht sage und schreibe dem Doppelten des aktuellen Großhandelspreises für Strom in Großbritannien.
Atomkraft in Großbritannien
Allerdings hatte die Regierung sowieso nur eine schlechte Verhandlungsposition. In Hinkley Point gibt es bereits einen aktiven Reaktor, Hinkley Point B, der 2023 in Rente geschickt werden soll. Und die britische Nuklearkompetenz ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Fehlende Zeit und fehlendes Know-how sorgten schließlich dafür, dass die Regierung ins Ausland blickte, um Co-Bauherren für die neue Anlage zu finden. Dennoch, sagen Beobachter, hätten die Briten den Preis weiter herunterhandeln können, als sie es letztlich taten.
Allerdings hat die Regierung offenbar aus diesem Fehler gelernt. In einem Statement, das die Hinkley-Point-C-Neuigkeiten verkündete, heißt es, man arbeite an "Reformen in den Bereichen Eigentümerschaft und Kontrolle kritischer Infrastrukturen". Damit solle sichergestellt werden, dass sich die "Auswirkungen ausländischen Besitzes" überprüfen lassen – insbesondere "im Hinblick auf die nationale Sicherheit". Das könnte verhindern, dass es nochmals zu einem Hinkley-Point-C-Debakel kommt. Den Briten ist dies zu wünschen – schon mit Blick auf ihre Stromrechnung. (bsc)