Neue Tisa-Leaks: Datenschutz, Open Source und Netzneutralität unter Beschuss

Wikileaks und Greenpeace haben weitere Geheimpapiere zum geplanten Dienstleistungsabkommen TiSA ins Netz gestellt, die bei Bürgerrechtlern und Juristen an mehreren Punkten die Alarmglocken schrillen lassen.

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Wikileaks

(Bild: dpa, Oliver Berg / Archiv)

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Das geplante Handelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA wird vielfach für tot erklärt, doch die Verhandlungen über internationale Freihandelsverträge gehen munter weiter. Dies belegen vergleichsweise aktuelle, eigentlich geheime Dokumente zum Dienstleistungsabkommen TiSA (Trade in Services Agreement), die Greenpeace Niederlande am Dienstag und Wikileaks vorige Woche veröffentlicht haben.

TiSA gilt Kritikern als "böser Bruder" von TTIP. Die neuen Enthüllungen ergänzen frühere Leaks und bestätigen den daraus bereits erkennbar gewordenen Kurs. Die Positionen der Beteiligten haben sich demnach größtenteils herauskristallisiert, was Bürgerrechtler und Juristen nichts Gutes erahnen lässt. Über das Dienstleistungsabkommen verhandeln neben der EU und den USA 23 weitere Länder wie die Türkei, Mexiko, Kanada, Australien, Pakistan oder Israel.

In einer Analyse der jüngsten ins Internet gestellten Papiere der Initiative European Digital Rights (EDRi) ist nachzulesen, dass mehrere Regierungen auf Druck internationaler Konzerne hin Datenschutzbestimmungen schwächen wollen. Der Streit dreht sich vor allem um die Frage, ob die EU etwa mit ihrer neuen diesbezüglichen Verordnung Unternehmen dazu anhalten darf, personenbezogene Informationen möglichst auf Servern auf dem alten Kontinent zu speichern. Die USA haben dazu eine neue Gegeninitiative gestartet, geht aus den Dokumenten hervor.

Laut einem neuen Anhang zum E-Commerce, den Greenpeace publik gemacht hat, sind die Klauseln zu Open Source in Tisa verschlimmbessert worden. Staatliche Stellen dürften bei öffentlichen Aufträgen demnach von Anbietern nicht verlangen, dass sie Quellcode von "Software für den Massenmarkt" Dritten oder der gesamten Öffentlichkeit zur Verfügung stellen müssten. Als "Hoffnungsschimmer" werten die EDRi-Experten, dass die EU sich dazu noch nicht positioniert habe und eine solche Auflage möglicherweise ablehnen könnte.

Beim Thema Netzneutralität tendieren die meisten beteiligten Staaten laut den Papieren zwar dazu, dass Verkehrsmanagement im Einklang mit den EU-Regeln für ein offenes Internet nur in begründeten Ausnahmefällen erlaubt sein solle. EDRi warnt aber, dass die Tür immer noch offen sei für Online-Diskriminierung der Bürger etwa durch Zero Rating im mobilen Netz. Spam werde zudem nicht mit dem erforderlichen Ehrgeiz bekämpft, sodass auch hier ein Verstoß gegen bestehende EU-Vorgaben drohe.

Ausnahmen für "wesentliche Sicherheitsinteressen" werten die Digitalaktivisten als "Damokles-Schwert", das über "jedem einzelnem Teil dieses Abkommens" schwebe und selbst die positiveren Aspekte von TiSA in Gefahr bringe. Zudem solle der Einfluss von Konzernen auf politische Entscheidungsträger durch Initiativen für ein "institutionalisiertes Lobbying" deutlich ausgeweitet werden. Wenn immer von "Transparenz" in den Entwürfen die Rede sei, schreibt die neuseeländische Rechtsprofessorin Jane Kelsey in einem Kommentar für Wikileaks, bedeute dies, dass Unternehmen bei Regierungsentscheidungen gehört werden sollten, die ihre Interessen beträfen.

Insgesamt ist TiSA für Maryant Fernández von EDRi deswegen "das perfekte Beispiel, wie eine neue Generation von Handelsabkommen unsere Sicherheit und Privatsphäre sowie den diskriminierungsfreien Internetzugang bedroht". Die Zivilgesellschaft sei besonders empört darüber, dass die Verhandlungspartner ihre Stimmen ignorierten und sich einig seien, Grundfreiheiten beschneiden zu wollen. (mho)