Baden-Württemberg beschließt Bodycam-Einführung mit Prerecording

Nach Hessen darf auch das baden-württembergische Bodycam-Pilotprojekt das sogenannte Precording einsetzen, bei dem kontinuierlich jeweils 60 Sekunden aufgezeichnet werden.

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Bodycam

(Bild: dpa, Boris Roessler/Archiv)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Mit den Stimmen von CDU, den Grünen, der FDP/DVP und der AfD hat der Landtag von Baden-Württemberg einen Gesetzentwurf verabschiedet, der die Nutzung von Bodycams durch die Polizei regelt. Dabei wird der Polizei bei dem auf sechs Monate befristeten Pilotprojekt in drei Testregionen das Prerecording gestattet. Dabei werden kontinuierlich jeweils 60 Sekunden in einen gesonderten Flash-Speicher aufgezeichnet, die erst bei einer aktivierten Aufnahme dauerhaft gespeichert werden.

Die AfD hatte ein Prerecording von fünf Minuten gefordert, aber keinen eigenen Antrag gestellt. Die SPD hatte in ihrem Gesetzesvorschlag gefordert, auf das Prerecording ganz zu verzichten und damit den Bedenken des im April in Ruhestand gegangenen Landesdatenschützers Jörg Klingbeil entsprochen. Dieser hatte bei einer Anhörung von einer "massiven Datenspeicherung auf Vorrat" gesprochen.

Baden-Württemberg ist damit nach Hessen das zweite Bundesland, in dem die Bodycam mit dem umstrittenen Prerecording arbeitet. Dieses Verfahren, das beim Einsatz der Bodycams in Nordrhein-Westfalen und Hamburg verboten ist, zeichnet in einer Endlosschleife sechzig Sekunden lang auf und überschreibt diese Aufzeichnung kontinuierlich. Erst wenn der eigentliche Aufnahmeknopf der Bodycam gedrückt wird, werden die letzten sechzig Sekunden fest gespeichert. Auf sie kann weder der Video-Operator noch die mit Bodycams ausgerüstete Polizeistreife zugreifen, sondern nur ein Vorgesetzter mit einem besonderen Passwort.

In der abschließenden Aussprache vor der Gesetzesabstimmung betonte der grüne Abgeordnete Hans-Ulrich Sckerl, dass Bodycams "erwiesenermaßen" geeignet seien, auf Angriffe auf Polizeibeamte durch Abschreckung zu unterbinden. Thomas Strobl (CDU), Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration führte am Beispiel eines durch einen Messerangriff schwerverletzten Polizeibeamten aus, warum das Prerecording wichtig sein soll: In Extremsituationen müssten Polizisten handeln und könnten nicht auf die Aufnahmetaste drücken.

Die Bodycam soll in Baden-Württemberg bis zur Sommerpause 2017 getestet und wissenschaftlich evaluiert werden, ehe der Landtag über eine Dauerlösung abstimmt. Bislang gibt es keinen wissenschaftlich validen Nachweis zur Wirkung von Bodycams. Auch die Zweckgebundenheit des Prerecording ist noch nicht untersucht worden. Dies stellte Heiko Arnd, Leiter der Arbeitsgruppe Bodycam bei der rheinland-pfälzischen Polizei in einer Anhörung vor dem Landtag Nordrhein-Westfalens am 27. September fest.

Nach seinen Angaben zum Pilotprojekt kamen Bodycams in 8290 Fällen in Rheinland-Pfalz zum Einsatz, wobei 591 Aufnahmen entstanden. Von diesen Aufnahmen wurden 192 dauerhaft gespeichert (von der automatischen Löschung nach zwei Wochen ausgenommen) und 97 der Staatsanwaltschaft als Beweismittel übergeben. Sein vorläufiges Fazit: "Ob die Bodycam eine präventive Wirkung hat, ist vor allem von der Wahrnehmungsfähigkeit des betroffenen Bürgers abhängig. Eine Reaktion findet jedoch grundsätzlich statt. Ist die Wahrnehmung des Betroffenen jedoch durch Alkohol-, Drogen- oder anderen Medikamentenkonsum beeinflusst, scheint die Bodycam ab einem bestimmten Grad keine Wirkung zu entfalten."

Update, 13.10.2016, 7:30 Uhr:

In einer früheren Version dieser Meldung hieß es, dass sich auch Rheinland-Pfalz für das Prerecording entschieden habe. Dies ist nicht richtig. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen. "Entgegen verschiedener Verlautbarungen setzt die Polizei in Rheinland-Pfalz kein Prerecording ein", erklärte Projektleiter Heiko Arnd gegenüber heise online. Auch aus einer Antwort der Landesregierung auf eine kleine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen wird dies ersichtlich. In Hessen wurde das Prerecording nachträglich eingeführt; der Landesdatenschutz hatte keine Bedenken. (axk)