Weiche Drähte für die Hirnreparatur

Mit elektrischen Impulsen lassen sich Hirnkrankheiten wie Parkinson unter Kontrolle halten. Mit flexiblen Geflechten statt starren Elektroden könnte diese Art der Therapie bald deutlich weniger Nachteile haben.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Julia Sklar
Inhaltsverzeichnis

In einem Labor im Keller der Harvard University schwimmen ein paar Stücke eines dünnen Drahtgeflechts am Boden eines Glases mit Wasser, wie in einem winzigen Bändertanz. Die Geflechte, jedes ungefähr so groß wie eine Stiftkappe, können etwas vollkommen Neuartiges: Wenn sie in das Gehirn einer lebendigen Maus eingebracht werden, können sie einzelne Neuronen stimulieren und mehr als ein Jahr lang das Verhalten der Zellen messen.

Elektronische Hirnschnittstellen wie diese könnten eines Tages eine entscheidende Hilfe für Menschen mit neurologischen Krankheiten wie Parkinson sein. Bei der Krankheit beginnt eine Gruppe von Neuronen in einem bestimmten Bereich des Gehirns abzusterben, was unkontrollierbares Zittern und Schütteln auslöst. Gezielte elektrische Impulse in diesen Bereich tragen dazu bei, die Funktionsfähigkeit der noch lebendigen Neuronen zu erhalten und die Parkinson-Symptome zu stoppen.

Bereits heute wird eine derartige Therapie namens Tiefenhirnstimulation eingesetzt, doch sie hat noch erhebliche Schwächen. Denn bei ihr müssen, starre, dichte Elektroden ins Hirn eingesetzt werden, was für ein derart weiches Organ alles andere als ideal ist – nach etwa vier Wochen beginnt sich Narbengewebe zu bilden. Aus diesem Grund können die Elektroden nur dann ihre Wirkung behalten, wenn die Stromstärke immer weiter erhöht wird. Das ist gefährlich und macht manchmal eine weitere Operation erforderlich, um das Implantat auszutauschen.

Charles Lieber, ein Chemie- und Nanomaterialien-Pionier in Harvard, verfolgt deshalb ein anderes Konzept: eine leitende Schnittstelle, die den feinen Details des Hirns selbst nachempfunden ist. So wie die Neuronen miteinander in einem Netz mit freien Bereichen verbunden sind, durch die Proteine und Flüssigkeiten passieren können, lässt auch Liebers elektrisches Geflecht Platz für Neuronen, statt sie mit einem sperrigen Objekt zur Seite zu drücken. "Dieses Konzept lässt die Schnittstelle zwischen einem lebenden und einem nicht lebenden System verschwimmen", erklärt Guosong Hong, ein Postdoktorand in Liebers Labor.

Das extrem flexible Geflecht besteht aus Golddrähten zwischen Schichten eines Polymers und lässt sich leicht in eine Nadel einrollen, so dass es nicht implantiert werden muss, sondern injiziert werden kann, was teure Operationen unnötig macht. Ein Teil davon ragt aus dem Hirn und einem Loch im Schädel heraus und kann so mit einem Computer verbunden werden, der die elektrischen Impulse steuert und die Aktivität der Neuronen erfasst. Später soll laut Lieber auch die Kontrolleinheit und die Stromversorgung im Körper selbst untergebracht werden, wie es bei den heutigen Systemen für Tiefenhirnstimulation bereits der Fall ist.

Die Forscher erwarten sich von dem Geflecht eine Reihe von anderen Anwendungsmöglichkeiten über Parkinson hinaus. Auch bei Depressionen oder Schizophrenie könnte es präziser helfen als heutige Medikamente, die das gesamte Hirn mit Chemikalien überschwemmen und eine Reihe von Nebenwirkungen haben können.

Als Erstes aber müssen noch Tests an Menschen vorgenommen werden. Dazu will Liebers Gruppe in einer Partnerschaft mit dem Massachusetts General Hospital bald Experimente mit Epilepsie-Patenten beginnen.

Flexibles Geflecht für das Gehirn (7 Bilder)

Wie hier in einem Glas gefüllt mit Wasser demonstriert wird, erweist sich das netzartige Implantat als extrem flexibel.
(Bild: Joshua Mathews / Lieber Group, Harvard University)

(sma)