Untergrundwasser heizt Bahnhofsgebäude

In Glasgow sammelt sich viel warmes Wasser in den Röhren der U-Bahn. Diese Wärme will die Stadt künftig mit zum Heizen ihrer Bahnhöfe nutzen.

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Von
  • Daniel Hautmann

Glasgows Metro birgt eine bislang ungenutzte Energiequelle: Wärme. Die U-Bahn in Schottlands größter Stadt fährt komplett unterirdisch, die Gleise liegen bis zu 35 Meter tief. Die 1896 erbaute Bahn unterquert auf ihrem 10,4 Kilometer langen Rundkurs die Flüsse Clyde und Kelvin. Die beiden Wasserstraßen sorgen gemeinsam mit dem Regenwasser dafür, dass unablässig Flüssigkeit in die alten Tunnelröhren sickert — Wasser, das sich erwärmt.

"Das Abdichten ist unmöglich", sagt Nicholas Hytiris, Wissenschaftler für Bautechnik und Umwelttechnologie an der Glasgow Caledonia University. Schuld sind die geologischen Strukturen. Der Boden besteht aus Schlick, Sand und Kies. "Ein bisschen Wasser tropft somit immer in die Röhren rein", sagt Hytiris.

Wobei sich das "bisschen" an vielen Stellen zu einer beträchtlichen Menge addiert. Das Wasser wird bislang in 21 Gruben gesammelt und in die Kanalisation gepumpt. Neuerdings wird es jedoch zunächst durch Wärmepumpen geleitet. Schließlich hat das Wasser mit 10 bis 14 Grad über das ganze Jahr hinweg eine gleich bleibende Temperatur.

"Für eine Wärmepumpe ein vernünftiges Niveau", sagt Gerhard Luther, Wärmepumpenexperte im Arbeitskreis Energie der Deutschen Physikalischen Gesellschaft. Die Wärmepumpen erhöhen die Temperatur auf rund 50 Grad. Die so gewonnene Energie heizt inzwischen zwei Tickethäuschen. Laut Hytiris gewinnt man dabei mit jedem aufgewendeten Kilowatt Strom rund drei Kilowatt Wärmeenergie, "ein sehr gutes Investment". In naher Zukunft sollen alle 15 Stationen auf diese Weise beheizt werden. "Das Wasser müssen sie ohnehin abpumpen, da kann man die Energie auch nutzen", sagt Luther.

Geboren wurde die Idee aus der Not heraus: "Wir haben wenig Energie in Schottland", sagt Hytiris. "Bis zum Jahr 2020 wollen wir hier 20 Prozent erneuerbare Energien haben." Also startete man ein Forschungsprojekt, um zu untersuchen, wie viel Potenzial im Untergrund schlummert. Dazu stieg ein Student über Monate hinweg nachts in die Tunnel, wenn keine Züge fahren. Man analysierte, wie viel Wasser eintritt, maß dessen Temperatur und untersuchte die Qualität. Fazit: "An manchen Stellen sind es je Sekunde bis zu zwölf Liter", berichtet Hytiris.

Ganz neu ist die Methode, warme Untergrundgewässer anzuzapfen, nicht. In der Schweiz nutzt man Tunnelwässer seit Langem. Unter den Bergmassiven steigen die Temperaturen auf bis zu 30 Grad. Das warme Wasser von rund 700 Tunneln nutzen die Eidgenossen zum Heizen von Wohnungen, Betriebsstätten, Gewächshäusern und sogar einer Fischzuchtanlage.

In Glasgow denkt man nun sogar darüber nach, die Energie stillgelegter Stollen anzuzapfen. Potenzial sei reichlich vorhanden, sagt Hytiris: Mit der Energie der Untergrundgewässer ließen sich rund 40 Prozent des städtischen Heizbedarfs decken. (bsc)