Battlefield 1 angespielt: Krieg spielen ohne Nachdenken

Mit dem Battlefield 1 lässt Electronic Arts den Ersten Weltkrieg wieder auferstehen. In virtuellen Leinenhosen robben Spieler durch Schützengräben und wähnen sich in einem Bombenspektakel: Wenn man nicht nachdenkt, macht Battlefield 1 Spaß.

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Battlefield 1 angespielt: Reichsbürger im Glück

(Bild: Electronic Arts)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Peter Kusenberg
Inhaltsverzeichnis

Im Jahre 2014 überschwemmten Bücher, Filmdokumentationen und Reportagen den Medienmarkt, die sich mit dem hundert Jahre zuvor begonnenen Weltkrieg beschäftigten. Das schwedische Studio DICE entwickelte für seine Mutterfirma Electronic Arts (EA) einen Shooter, der verschiedene Kriegsschauplätze des Ersten Weltkriegs als Kulisse verwendet für schnelle und vielseitige Online-Schlachten sowie eine kurze Story-Kampagne.

Die Solo-Kampagne erweist sich als guter Einstieg in die Welt der Pickelhauben und Flammenwerfer. Sie ist in fünf eigenständige Kapitel eingeteilt, in denen der Spieler an einem jeweils anderen Kriegsschauplatz alle Aspekte des Kampfs erlebt. Im ersten Abschnitt befindet er sich in Frankreich und Belgien, wo er unter anderem ein MG bedient, Granaten in Gräben schleudert und mit einem schwerfälligen britischen Panzer durch den Schlamm zockelt. Später fliegt er in einem Kampfflugzeug durchs Hochgebirge, dient als Scharfschütze in der Wüste und reitet auf einem Pferd durch den Kugelhagen von Gallipoli.

Angemessen wirkt der Kniff der Entwickler, die jeweilige Spielfigur an der Westfront binnen weniger Minuten sterben zu lassen. Der Spieler sieht dann den Namen des Soldaten, was der historischen Sterberate im Stellungskrieg Rechnung trägt. In anderen Kapiteln geht’s heldenhafter zu; vor den osmanischen Stellungen von Gallipoli etwa beweist sich ein kerniger Australier als strahlender Held, der einen 16-jährigen unter seine Fittiche nimmt und im Alleingang Dutzende schwer bewaffneter Osmanen niedermäht. Trotz der hohen Kitschdosis machen die kurzen Episoden Spaß, doch selbst minder kriegstaugliche Spieler bewältigen allesamt in drei bis maximal vier Stunden.

Battlefield 1 (5 Bilder)

Auf PS4 und Xbox One läuft das Spiel mit stabiler Bildwiederholrate, selbst bei 64 Schlacht-Teilnehmern.
(Bild: EA)

Der Online-Teil bildet das Herzstück von Battlefield 1. Bis zu 64 Spieler nehmen an einer Online-Schlacht teil, was das Gefühl vermittelt, an einer echten Massenschlacht teilzunehmen. DICE präsentiert das bewährte Arsenal an Spielmodi, also Team-Deathmatch, Rush, den Eroberungsmodus sowie Domination. Zudem gibt es einen Brieftauben-Modus, in dem eins von zwei Teams einen Taubenschlag erobert und eine Meldung via Vogel-Post verschickt; das gegnerische Team kann am Ende versuchen, die Taube abzuschießen und dem Gegner die Partie zu vermasseln.

Der Spieler darf zwischen vier Soldaten-Klassen wählen: Infanterist, Sanitäter, Aufklärer und Versorgungsspezialist. Die vier Typen unterscheiden sich deutlich in der Spielweise, der Infanterist etwa kann es mit seinem schweren Gerät mit Panzern aufnehmen, während der Aufklärer mit dem Scharfschützengewehr Außenposten freiräumt und dann Gegner markiert, die seine Teamkameraden dann bequem abschießen.

Als Kriegsparteien wählt man zwischen den drei Mittelmächten (Deutschland, Österreich-Ungarn, Osmanisches Reich) sowie Engländern, Amerikanern und Italienern, die im historischen Weltkrieg besonders gebeutelten Franzosen und Russen dürfen nicht aktiv mitspielen. Die Spielbalance zwischen den beiden Kriegsparteien hat DICE auf hervorragende Weise bewerkstelligt. Das Team, das ein Behemoth genanntem Zeppelin einsetzt, lässt sich mit guter Absprache und durchdachter Taktik besiegen. Die Fahrzeuge befinden sich am Respawn-Punkt in der eigenen Basis, womit faire Verhältnisse herrschen. Die Panzer erweisen sich als merklich stärker als in früheren Battlefield-Teilen.

Die Maps sind großflächig, doch für die bis zu 64 Teilnehmer nicht zu groß. Vor allem gibt es eine breite Auswahl an Terrains: Wälder, staubige Ebenen, Berge und die Schlammhölle von Verdun. Der Spielmodus Operations erstreckt sich gar über zwei Maps, was zu langen Partien führt. Hier rückt ein Team vor, das andere verteidigt seine Stellungen, wobei die maximale Menge an Todesfällen pro Team begrenzt ist. Die zahlreichen Ruinen, Wälle sowie umgestürzte Fahrzeuge bieten gute Deckung, so dass sich flinker Stellungswechsel und vorausschauendes Vorrücken und Verteidigen im Team bewährt. Allerdings wirkt der Fallenwerfer arg mächtig, da sein Flammenstrahl 30 Meter entfernte Feinde erfasst. Diese Waffe ist nur als so genanntes Battle Pickup erhältlich, der Spieler muss das schwere Gerät finden, aufziehen und sich dann mit der beschränkten Sicht anfreunden, da er eine gasfeste Brille trägt. Gas spielt ebenfalls eine Rolle, damit kann man Gegner aus der Deckung treiben.

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DICE nutzte die Frostbite-Engine, um bemerkenswert detaillierte Landschaften zu inszenierten. Ständig explodiert irgendwo eine Granate, Soldaten flitzen umher, und in der Ferne blitzt das Mündungsfeuer der MGs auf. Laut Entwickler soll der Spieler alle Gebäude, Straßen und Landschaftselemente komplett zerstören können. Das stimmt nur bedingt. Zwar sprengt der Infanterist Hügel mit Handgranaten in die Luft, lässt Hauswände bersten und zerstückelt mit dem Maschinengewehr ganze Mauerwerke, doch andere Bauwerke, Fahrzeuge und Bäume bleiben weitgehend unversehrt, unabhängig von den eingesetzten Sprengmitteln. Offenbar betrachten die Entwickler nicht alle Elemente als zerstörungswürdig, was sich spielerisch wohl als Vorteil erweist: Mähte man alle Hindernisse nieder, fehlte es an jeglicher Deckung für die eigenen Mitstreiter. So hegt man das berechtigte Gefühl, dass keine Deckung perfekte Sicherheit bietet, doch einige markante Objekte bleiben erhalten und dienen als Orientierung im Gewimmel. Andererseits ist es ärgerlich, wenn sich ein deutscher Scharfschütze hinter einer popeligen Backsteinmauer verbirgt, die selbst dem Beschuss von Panzerkanonen standhalten.

Die Geräuschkulisse klingt überzeugend: Flugzeuge röhren, Panzerketten knirschen auf hartem Belag, und in der Solokampagne rufen feindliche Soldaten in ihrer jeweiligen Sprache. Während des MG-Ballerns hört man, wie die Patronenhülsen hinab fallen, und der Abschuss eines Panzerprojektils verursacht einen dumpfen Klang. Der Soundtrack dröhnt wuchtig und kitschig aus den Boxen. Pathetisch deutsch und englisch vertont klingen die Dialoge in den Solo-Episoden. Bei der Steuerung müssen sich Battlefield-Veteranen kaum eingewöhnen, immerhin kann man sich in zwei Stufen bücken, bis man in der untersten Stufe mit der Nase im Dreck durch den Schlamm kriecht.

Schwere Bugs traten nicht auf, die Server gewährten meist eine stabile Verbindung auf den getesteten Systemen PS4 und Xbox One. Allerdings misslang eine Male das Matchmaking, also das Zusammenstellen eines Online-Teams. Zudem dauerte das Laden der Maps auf PS4 und Xbox One ungewöhnlich lang (bei 10 Mbit/s). Während der Schlachten ergaben sich selten gravierende Probleme, nur zweimal brach die Verbindung ab in schnellen Matches (in den Argonnen). Die Bildwiederholrate erwies sich meist als stabil, nur auf der PS4 machten sich während einer extrem tumultigen Schlacht Ruckler bemerkbar.

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Das Spiel erscheint für PS4, Xbox One und Windows, wobei PC-Spieler gezwungen sind, sich bei EAs Online-Dienst Origin anzumelden. Die günstigste PC-Version kostet rund 50 Euro, für Standard-Konsolenversionen werden bis zu 70 Euro fällig. Die Collector's Edition, sofern noch erhältlich, kostet happige 220 Euro. EA hat die deutsche Version nicht zensiert, dennoch erhielt sie eine USK-16-Alterseinstufung.

Das ist wohl dem unrealistischen Sterben geschuldet, das ohne großes Stöhnen, Schreien und Wimmern abläuft, dafür mit einer gehörigen Menge Helden-Kitsch. Auf diese Weise konterkariert der Hersteller die anfänglichen kriegskritischen Kommentare (siehe dazu: Battlefield 1: Electronic Arts übt den totalen Stehaufmännchen-Krieg und Kommentar zu Battlefield 1: Berauscht oder entsetzt?) und traurigen Soldatengesichter. Battlefield 1 soll in erster Linie Spaß machen, historische Wirklichkeit stört dabei und könnte im Extremfall das Entertainment-Produkt Weltkriegs-Shooter in Zweifel ziehen.

Wenn man nicht nachdenkt, macht Battlefield 1 Spaß, gerade wegen der in Wirklichkeit so entsetzlichen Waffen wie Giftgas und Flammenwerfer. Der mitunter Arcade-förmigen Shooter spielt sich abwechslungsreich, die zahlreichen Spielmodi verheißen eine lange Lebensdauer. Bugs machen sich weniger bemerkbar als in Battlefield 4, meist laufen die Server zuverlässig. Der Solomodus ist ein Einsteiger-Häppchen, und echte Neuerungen bleibt DICE den Spielern schuldig.

[Update 21.10.2016 – 15:25] Da der ursprüngliche Titel aufgrund aktueller Ereignisse missverständlich war, wurde er geändert. (hag)