Robophilosophie: Die Abenteuer der pubertierenden Robotermülltonne

Zum Abschluss der internationalen Konferenz Robo-Philosophy im dänischen Aarhus wird noch einmal deutlich, warum nicht nur Ingenieure über Roboter nachdenken sollten. Intelligente Systeme werden unsere Welt umkrempeln und das können alle mitgestalten.

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Robophilosophie: Die Abenteuer der pubertierenden Robotermülltonne

Von den Problemen einer Mülltonne mit KI

(Bild: Wendy Ju)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske
Inhaltsverzeichnis

Auf dem Weg zur Universität Aarhus, wo sich in dieser Woche die internationale Konferenz Robo-Philosophy traf, fiel immer wieder auf, wie viele lachende Gesichter zu sehen waren. Die unaufdringliche Kultur der Aufmerksamkeit und gegenseitigen Rücksichtnahme in Aarhus macht es nachvollziehbar, wieso die Dänen als eines der glücklichsten Völker der Erde gelten. Kann es einen besseren Ort geben, um über das zukünftige Zusammenleben von Menschen und Robotern nachzudenken?

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Deutschland jedenfalls hat sich hier nicht als zukünftiger Austragungsort empfohlen, was aber nicht an den Beiträgen lag. Die Ausführungen Maike Kleins von der Universität Stuttgart zur Frage, ob Künstliche Intelligenz Emotionen entwickeln kann, waren ebenso interessant wie die Überlegungen Felix Lindners zur Berücksichtigung sozialer Kosten bei der Roboternavigation. Dennis Küster und Aleksandra Swiderska von der Jacobs University Bremen stellten Studien zur moralischen Wahrnehmung von Robotern vor und Horinori Matsuzaki (Universität Oldenburg) beschäftigte sich mit dem Widerspruch von Autonomie und Sicherheit bei Robotern und schlug das japanische Konzept "kuki", die Wahrnehmung einer sozialen Atmosphäre, als möglichen Lösungsansatz vor. Das Problem ist nur: Das war schon alles.

Während die politische Beschäftigung mit Robotik in Deutschland überwiegend aus der Perspektive der Wirtschaftsförderung erfolgt, glaubt der Verkehrsminister, die mit autonomen Fahrzeugen verbunden ethischen Herausforderungen mit einer Expertenkommission zu bewältigen. Derweil beschließt der Autohersteller Daimler im Alleingang das Leben der Fahrzeuginsassen höher zu bewerten als das anderer Verkehrsteilnehmer. Während es der deutschen Politik und Industrie also offenbar nicht schnell genug gehen kann, Roboter zu produzieren und zu verkaufen, bot sich hier in Aarhus fünf Tage lang die Gelegenheit, intensiv und sehr offen darüber zu beraten, was da eigentlich genau auf uns zukommt.

Was bedeutet es, wenn mehr und mehr intelligente Systeme als soziale Akteure auftreten? Wie verändert es unsere Gesellschaft, wenn wir Roboter als neue Mitspieler integrieren? Das Ausmaß der erwarteten Konsequenzen ist von Wissenschaftlern schon mit dem der Atombombe verglichen worden. Nur: Während die Atomwaffen Resultat geheimer Forschungen waren, bei denen die Öffentlichkeit keine Chance hatte, Einfluss zu nehmen, gibt es diesmal die Möglichkeit, die Entwicklung zu gestalten, bevor unabänderliche Tatsachen geschaffen worden sind.

Dafür braucht es jedoch eine gesellschaftliche Debatte, die nur durch die Mitwirkung von Künstlern und Geisteswissenschaftlern die nötige Breite und Tiefe erreichen kann. Doch in Deutschland konzentriert sich die Bildungspolitik immer noch auf die Förderung von Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technologie (MINT). Im englischen Sprachraum ist die dortige Entsprechung STEM (Science, Technology, Engineering, Mathematics) längst zu STEAM erweitert worden – wobei das „A“ für Arts (Künste) steht. Wann reden wir in Deutschland endlich von KMINT?

Ohne Kunst und Kultur wird es nicht gehen. Unter Berufung auf den US-Psychologen Jonathan Haidt erläuterte Benjamin Kuipers von der University of Michigan am letzten Tag der Konferenz, wie moralische Entscheidungen aus einem komplexen Feedbacksystem erwachsen und sich auf unterschiedlichen Zeitskalen entwickeln. Es wird daher nicht ausreichen, autonomen Fahrzeugen und anderen Robotern moralische Regeln einfach einzuprogrammieren. Sie müssen in der Lage sein, sich in dieses Feedbacksystem einzufügen, am gesellschaftlichen Diskurs teilnehmen und den Veränderungen der Moral folgen zu können. Autonomen Fahrzeugen solle Zeit gegeben werden, um durch aufmerksames, vorsichtiges Fahren unser Vertrauen gewinnen zu können. "Robotern sollte nicht mehr Macht gegeben werden, als durch das Vertrauen, das sie erworben haben, gerechtfertigt ist", forderte Kuipers.

Kuipers’ Vortrag stützte sich auch in bemerkenswerter Weise auf populäre Science-Fiction-Filme stützte. Aus "Terminator 2" zeigte er eine Szene, in der Arnold Schwarzenegger in der Rolle des Terminators erklärt, wie es zur Machtübernahme durch Roboter kam. Es sei ein rational entscheidendes und selbstlernendes System, sagte Kuipers, das sich selbst verteidigen soll und dabei zu einer unerwarteten Lösung kommt. Das sei alles andere als Fantasie. Auf ähnliche Weise hätten Computerprogramme schon Milliardenverluste an den Börsen bewirkt. Nun seien Milliarden US-Dollar zwar etwas anderes als Milliarden Menschenleben. Aber den Unterschied kenne der Computer nicht.

Mit der Bedeutung von Macht in Mensch-Roboter-Interaktionen beschäftigte sich auch Wendy Ju (Stanford University) in einem unterhaltsamen Vortrag. Es gebe die Vorstellung, so Ju, dass ein mächtiger Akteur über besonders viele Fähigkeiten verfügen müsse. "Wer so denkt, hat sich noch nie mit einem zweijährigen Kind auseinandersetzen müssen", kommentierte sie trocken. In ihren Experimenten arbeitet sie mit extrem einfachen Robotiksystemen, die bei den damit interagierenden Menschen gleichwohl verblüffend vielfältige Reaktionen hervorrufen. Die Videofilme dieser Experimente sorgten dafür, dass neben den Bars und Pubs von Aarhus jetzt auch im Hörsaal der Universität herzhaft gelacht wurde. Und sie nähren die Hoffnung, dass das zukünftige Zusammenleben von Menschen und Robotern ausgesprochen viel Spaß bringen könnte.

(mho)