"This is for the players." Ein Abschied von der Playstation.

Die PS4 hat ihr Publikum unter den Core Gamern gefunden. Deshalb sind die meisten PS4-Titel in erster Linie Shooter. Ein alter, schießmüder Zocker verlässt damit das kantige Sony-Schiff in Richtung der Silberstreifen NVidia und Nintendo.

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"This is for the players."

(Bild: Square Enix)

Lesezeit: 12 Min.
Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Mit Sonys PS4 kehrte ich in die Welt der Videospiele zurück, die ich nach der PS2 aus verschiedenen Gründen verlassen hatte. Wir hatten ein neues, großes Wohnzimmer und einen neuen, großen Fernseher – der perfekte Anlass also, meine alte Tradition aufleben zu lassen, irgendwann im Winterhalbjahr ein gigantisch großes Adventure oder Rollenspiel durchzuknuspern, von vorne bis hinten, in jeden Ast, von abends um fünf bis morgens um sechs. Ich hatte außerdem in meiner Off-Zeit vage mitbekommen, dass Nintendo mit ihrer Wii eine große Gruppe von Casual Gamern in die Runde holte, was mich hoffnungsfroh machte, dass meine Freundin auch irgendwann eine große Auswahl an für sie interessanten Spielen im PSN-Store vorfinden würde. Dem, das steht mittlerweile fest, ist jedoch nicht so. Sonys Slogan "This is for the players" trifft zu 100 Prozent zu: Die PS4 ist für die Core Gamer. Jeder Toptitel ist in erster Linie ein Shooter.

Das fand ich heraus, als wir Tomb Raider in der für die PS4 neu aufgelegten "Definitive Edition" kauften. Schätze suchen! Loot! Perfide Fallensysteme! Indiana Jones! Abenteuer! Das gibt es auch alles, aber nur in homöopathischen Dosen. Die meiste Zeit schlachtet sich Fräulein Croft durch Menschenmassen. Das Mädel badet in Blut. In diesem Meer aus Blut geht das restliche Spiel völlig unter, sodass ich mir tatsächlich einen zweiten Durchgang gönnte, in dem ich die Tempel suchte und deren Physikrätsel löste – also das tat, wofür ich das Spiel gekauft hatte. Meine Freundin verlor schon weit vor dem Ende das Interesse. Der Protagonist in "Uncharted 4" – obwohl ein Straftäter – tötet nicht halb so viele Menschen wie die krasse Lara.

Clemens Gleich

Clemens Gleich saß vor langer Zeit als c't-Redakteur in einem Büro des Heise-Verlags, bevor ihn einschneidende Erlebnisse dazu brachten, fürderhin in den Sätteln von Motorrädern sein Geld zu verdienen. Doch einmal Nerd, immer Nerd: Als freier Autor schreibt er immer noch über Computerthemen. Und hat jetzt eine Playstation zu verkaufen.

Danach schlug die Freundin "The Last of Us" vor, das ebenfalls als Remastered auf der PS4 erschien. Am Anfang nahm sie noch gelegentlich den Controller. Aber bald gab sie mir ihn mir immer, wenn später im Spiel Feinde kamen: "Töte du die!" Und irgendwann lohnte es sich nicht mehr, das Gamepad zu tauschen, weil sowieso gleich wieder der Untote aus dem Schrank springt. Sie schaute also eher fernsehend die Story an, während ich mich durch Zombies und Raider metzelte . Wenn mich jemand danach fragt, was das für ein Spiel ist, antworte ich: "Hauptsächlich ein Shooter." So wie Infamous. Das habe ich geliebt, aber man ballert sich halt größtenteils durch. Es gibt auf der PS4 (nicht nur First Person) Shooter mit toller Grafik und interessanter Story. Aber es gibt halt wenig Anderes.

Natürlich fanden sich eine Handvoll Titel, die auch den Casual Ladies gefallen. Wenn die Schwester der Freundin vorbeikommt, zocken sie ein paar Telltale-Titel, deren seicht erzählte semi-interaktive Geschichten mich nie länger fesseln konnten als 60 ms. Oder das großartige "Until Dawn", das mit mehr Aufwand als ein Hollywood-Blockbuster produziert wurde. Die Ladies haben die PS4 erst abgeschaltet, als das Spiel zu Ende war. Zwischendrin haben sie mit angstgeweiteten Augen und zuschlagbereiter Maglite draußen den Hund ausgeführt. Großes Kino. Aber drei Spiele in zwei Jahren, eindeutiger kann eine Metrik nicht aussagen, dass Plattform und Wünsche nicht zusammenpassen.

Wer ein Spiel für 70+ Euro an die Kernkundschaft verkaufen will, der muss spielerischen Tiefgang bieten. Das erfordert fast immer eine meistens langweilige Lernphase. Ich habe "Dragon Age: Inquisition" für ein paar Stunden angespielt und nichts daran finden können. Wahrscheinlich wird das irgendwann interessant, aber ich habe keine Lust, diese so hochgelobte Tiefe zu suchen – und ich habe mal in einem Spielezeitschriftenverlag gearbeitet. Wie viel Zeit wird also die Casual-Kundschaft investieren? Mehr als 30 Minuten wohl kaum. Leider schaffen es nur wenige Toptitel, die Spieler anzulernen, ohne sie zu langweilen. "Shadow of Mordor" fällt mir ein. "Infamous: First Light". "Tomb Raider". Interessanterweise schaffen das fast alle First-Person-Shooter Es geht also, wenn man will. Vielleicht haben also die Entwickler Angst, ihr Pulver zu verschießen und längen daher schlimmer als Fantasy-Buchreihenautoren. Als ob ein Produkt besser würde, weil mehr Langweile drin ist! Ich bezahle gern das Doppelte für die halbe Spielzeit, wenn ich dafür nur erlebenswerte Zeit kaufe.

Dann ist da die Frage der Geschicklichkeit. Shooter erfordern ein Mindestmaß an Fertigkeit mit diesen Gummiböbbeln des Controllers, der sich nicht besonders gut zum Zielen eignet. Die meisten AAA-Spiele verlangen eine Hand-Auge-Koordination, die nur mit zumindest ein bisschen Lernphase zu erreichen ist. Am augenfälligsten war das bei der eher schwierigen "Metro"-Reihe. Die kam am Schwesterntag zum Einsatz, ging aber unbeendet aus dem Ring, obwohl Polycarbonatmehl von den malträtierten Analogsticks rieselte. Einer der Schüler meiner Freundin sagte dazu: "Da müssen Sie sich halt einmal ein Wochenende hinsetzen und üben, dann klappt das auch!" Worauf es als Antwort natürlich nur den Hinweis auf seine Noten und die Ironie gab.

Schließlich erliegt die Spielebranche dem Missverständnis, dass für Erwachsene interessante Spiele nur für Erwachsene präsentiert werden dürfen. Das ist das, wo die Spielejournos dann ihr "gritty" schreiben, oder "düster". "Tomb Raider" wäre auch dann ein tolles Spiel geworden, wenn man nicht ständig das Gefühl hätte, dass diese zu schlachtenden Gegnerhorden Lara gesammelt vergewaltigen, wenn man es nicht schafft, sie zügig in ihrem eigenen Blut zu ertränken. Rollenspiele wie „Dragon Age“ leben von ihrer Story. Ohne das Blut ginge das bestimmt auch mit einer FSK <16. Schade, dass Nintendos Familienkonsolenkonzept mittlerweile nicht mehr angenommen wird. Ein Zelda konnten immer Spieler aller Altersgruppen und Ansprüche spielen. Eine PS4 für Kinder dagegen lohnt sich kaum. Rennsimulationen? In brauchbar sehr rar. Sportspiele? Dito. Überhaupt fröhliche, alberne, bunte Titel, wie jene, die das Super Nintendo groß machten? Sehr, sehr rar.

Die Casual Gamer sind weitergezogen. Das Alter hilft mir, sie zu verstehen. Ich bin mittlerweile wohl zu alt, mich stundenlang im selben "Bloodborne"-Level schlachten zu lassen, bis ich ihn perfektioniert habe. Das ist mir selbst ohne Tom Cruise zu sehr "Live.Die.Repeat". Früher lernte ich rudimentär Japanisch, um obskure Nippon-RPG-Importe wie "Arc the Lad" auf der ersten Playstation spielen zu können. Heute ist mir selbst das in den Spielfluss integrierte Vorspiel von "Dragon Age" zu blöd. Ich habe lebenszeitlich das Gefühl, wenig Zeit auf dieser Welt zu haben, und jeder vergangene Tag bestätigt das. Da fallen zwangsläufig irgendwann Dinge unter den Tisch. Bei mir ist das dann eben "Thedas" auf der PS4 zugunsten Marbella per Motorrad.

Natürlich haben die leistungsfähigeren Konsolen auch aufwändigere Spiele ermöglicht. Ich habe mein Super Nintendo heiß und innig geliebt, aber die Grenzen seiner Hardware waren schon damals sehr offensichtlich. Zu Anfang der Lebenszeit galten die 16-Mbit-Module noch als großes Spiel. Das 48-Mbit-Modul von "Tales of Phantasia" mit seiner Sprachausgabe für Special Moves war riesig (6 MByte!). Heute will ein Spiel ganz selbstverständlich über 40 GByte auf der Festplatte der PS4. Doch niemand würde behaupten, dass die 2 MByte des SNES-Zelda keinen spielerischen Tiefgang enthielten. Im Gegenteil glaube ich, dass ein Teil der träumerischen Tugenden der Reihe an der Beschränkung liegt, an der nötigen Abstraktion des mit-dem-Schwert-Zerhackens, die es für die ganze Familie zugänglich macht. Die wenigsten von uns wollen ja wirklich Lebewesen zerhacken, mit all der Anstrengung, dem Blut und dem Gestank offenen Gedärms. Spiele abstrahieren immer. Es geht nur um das Maß.

Ich habe die PS4 als Plattform für den Schwesterntag schließlich aufgegeben. Die PS4 hat ihren Vibe gefunden, ihre Kundschaft. Das ist gut so, und es ist nicht schlimm, wenn da nicht jeder dazugehört. Die Freundin gehört nicht zur PS4-Kundschaft. Wenn ich ehrlich bin, glaube ich mittlerweile, dass ich auch nicht mehr dazu gehöre. Ich sehe nicht ein, wieso ich stundenlang langweiliges Vorspiel betreiben muss in Uncharted 4. Auf der Couch sitzen und "Crash Bandicoot" auf der Playse spielen! Jaja, nettes Zitat, blabla, aber das kann ich ohne die Investition in Uncharted, ohne mich einen Meter zu bewegen! Ich vermisse "Final Fantasy 7", das mich vom Introfilm aus bruchlos in die Action warf. Das verfügbare Demo zu FF15 dagegen ist langweiliger als zum Bäcker gehen. Die PS4 stand monatelang unbenutzt herum, bis ein Kumpel darauf bestand, dass Uncharted 4 nach dem schnarchigen Vorspiel ein tolles Erlebnis sei. Vielleicht sind meine Tage als Zocker einfach gezählt.

Entweder folgt nun also eine Off-Zeit oder meine Spielerlaufbahn endet bei den Casualties. Denn wo sind die ganzen Gamer, die der Wii den Rücken gekehrt haben? Auf den Mobilplattformen natürlich. Dort gibt es eine gigantische Auswahl an niedrigschwelligen Titeln für praktisch alle Interessen. Nintendos Ideen der Nonstandard-Controls mit Bewegungssensoren, die Neuspieler zur Wii brachte, finden sich dort wieder. Infinity Blade lässt dich wischen für einen Schwertstreich. Rennspiele verwenden das Tablet-Gehäuse als Lenkrad, weil ja überall mikromechanische Schwingungsgyrometer verbaut sind. Und alles mit Point-and-Click funktioniert sowieso wie für den Touchscreen gebaut. Ich kaufte der Freundin also ein Nvidia Shield K1.

Unsere Spielekultur hat längst einen Stand erreicht, an dem wir wie bei Büchern einen gigantischen Fundus großartiger Werke vorfinden, und je älter das Zeug ist, umso billiger wird es. Grafik altert. Gameplay bleibt. Im Play Store kosten die alten Perlen praktisch nichts, weil die Kundschaft dort ungefähr das ausgeben möchte, was sie auch für ein Unterhaltungs-Magazin ausgibt: 3 bis 8 Euro sind völlig üblich. 3,22 Euro kostete im Play Store "The Cave", an dem Ron Gilbert (famous for "Monkey Island") maßgeblich mitwirkte. Ein Shield-Controller ist bestellt, das Tablet wird also am nächsten Schwesterntag an den großen Fernseher gehängt. "Baphomets Fluch" zeigt nach all den Jahren immer noch, dass es damals schon Spiele für Erwachsene gab.

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4 Euro kauften "Machinarium", ein wunderschön gezeichnetes Rätselspiel. Gute 2 Euro kauften "Shadowrun Returns", meinen bisherigen Liebling. Ich habe Shadowrun schon auf dem Super Nintendo geliebt, und „Returns“ bringt dieselbe düstere Stimmung auf das Shield. Die Stimmung hat wenig mit der isometrischen Grafik oder dem trivialen Gameplay zu tun, sondern sie entsteht hauptsächlich aus dem gelungenen Text in Dialogen und Beschreibungen, der die Story spinnt. Man braucht nicht zwangsläufig "gritty" Grafik für dichte Cyberpunk-Atmosphäre. Es geht ohne Niagarafälle voller aufwendig durch Shaderalgos gejagten Blutes. Es funktioniert auch die partielle Auslagerung in die Phantasie des Spielers. Gekämpft wird ganz langsam in Runden. Es fühlt sich wirklich an wie das Pen-and-Paper-RPG, nur allein im Bett. Ein besseres Kompliment kann man dem Titel kaum machen.

Vielleicht hegt die Freundin mittlerweile den Verdacht, dass ich ihr das Shield alibimäßig geschenkt habe, dass es eigentlich ein Geschenk an mich selbst war. Ich bin tatsächlich ein bisschen neidisch auf ihre Auswahl an Klassikern, die sie mit sich herumtragen und überall spielen kann. Also hab ich die verstaubte PSP aus dem Schrank gekramt. Und dann saßen wir nebeneinander beim Tee auf der Couch und zockten eine Runde Klassiker. Der Witcher wartet in der erkalteten PS4, während ich RPG-Klassiker auf der PSP aufwärmte. Er wartet immer noch. Wahrscheinlich liegt's am Alter. Es wird damit enden, dass ich mir zum dritten Mal im Leben ein SNES kaufe. Oder eben noch ein Shield. Und jetzt kommt Nintendo mit dem Switch. It must be mine!

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2003 erstmals vorgestellt, seit 2013 in Entwicklung und am 29.11.2016 nun endlich in den Läden: Final Fantasy XV. Im 15. Teil des beliebten JRPGs landet ihr in der Welt Eos. Die Nationen Tenebrae, Solheim und Accordo leben seit dem Verlust ihrer magischen Kristalle unter der Herrschaft der Nation Niflheim. Einzig das Königreich Lucis konnte seinen Kristall behalten und lebt unabhängig. Ihr schlüpft in die Rolle von Noctis Lucis Caelum, dem Kronprinzen von Lucis. Zu Beginn befindet ihr euch auf dem Weg nach Altissia, wo ihr eure Verlobte Lunafreya Nox Fleuret, Prinzessin des Reichs Tenebrae, finden sollt. Unterdessen soll ein Friedensvertrag zwischen Lucis und Niflheim unterschrieben werden, doch stattdessen greift dessen Herrscher Iedolas Aldercapt eurer Königreich an und erklärt euren Vater, König Regis Lucis Caelum für tot. Euer Ziel ist es nun dieses wieder zurück zu gewinnen! Neben einem actionlastigen, auf Kombos basierenden Kampfsystem glänzt Final Fantasy XV mit seiner weitläufigen offenen Spielwelt. Sehr fein: Dank der Cross-Platform-Features von XBox One und Windows 10 solltet ihr das neue FF-Game auch am PC zocken können.

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(vbr)