Hintergrund: So funktioniert der Porträt-Modus des iPhone 7 Plus

Mit dem Update auf iOS 10.1 reicht Apple den bereits angekündigten Unschärfe-Effekt für Porträts bei der Doppelkamera des iPhone 7 Plus nach. Damit lassen sich Objekte und Gesichter in Fotos vor einem weichgezeichneten Hintergrund hervorheben. Wir haben uns das Verfahren etwas näher angesehen.

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iPhone 7 in Jet Black

(Bild: Apple)

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Jeremias Radke
Inhaltsverzeichnis

Apple verbessert die iPhone-Kameras stetig. Mit dem iPhone 7 Plus haben die Entwickler in Cupertino erstmals eine zweite Linse eingeführt, die Motive ohne Auflösungsverlust mit nahezu doppelt so langer Brennweite abbildet als mit dem bekannten Weitwinkelobjektiv. Anders als normalerweise üblich, kommen hierfür keine beweglichen Linsen, sondern ein zweites Objektiv zum Einsatz. Der Clou: Man kann nicht nur Motive größer abbilden als bisher, sondern seit iOS 10.1 auch den von Apple bei der Vorstellung beworbenen Porträt-Modus einsetzen, der zum Verkaufsstart der neuen Geräte noch nicht implementiert war.

Wir hatten zu unserem ausführlichen Test von iPhone 7 und 7 Plus in Mac & i Heft 5/2016 zwar bereits die Vorabversion von iOS 10.1 heruntergeladen, doch handelte es sich dabei noch um eine sehr frühe Betafassung. Es war zu befürchten, dass sie die Testergebnisse verfälschte. Deshalb haben wir unsere Untersuchungen mit der finalen Ausgabe des Betriebssystems noch einmal wiederholt, unzählige Testaufnahmen angefertigt und einige Hintergrundinformationen zusammengetragen, wie das Ganze funktioniert.

Die Brennweite des zweiten Objektivs im iPhone 7 Plus entspricht mit auf das Kleinbildformat umgerechneten 57 Millimetern einem leichten Teleobjektiv. Diese Brennweite eignet sich im Unterschied zur Weitwinkeloptik gut für Porträts, weil sie Gesichter abbildet, ohne die Proportionen zu verzerren. Bei großer Blendenöffnung lassen sich die Porträtierten damit gut vom Hintergrund freizustellen.

Geringe Schärfentiefe ist nicht zu verwechseln mit dem sogenannten Bokeh-Effekt, der die Beschaffenheit der Unschärfe beschreibt. Bokeh bezeichnet eine charakteristische Struktur aus kreisförmigen Lichtflecken, die manche Objektive im unscharfen Bereich erzeugen. Was genau als schönes Bokeh gilt, ist jedoch Gegenstand heftiger Diskussionen in Kamera-Foren.

Die Unschärfe wird nicht Stumpf über das Bild gelegt, sondern abhängig vom Fokuspunkt generiert (animiertes GIF zur Verdeutlichung des Effekts).

Die Schärfentiefe beschreibt die Ausdehnung des Bereichs, den ein Objektiv scharf abbildet. Im Grunde stellt das Objektiv nur auf einen Punkt scharf; davor und dahinter nimmt die Unschärfe graduell zu. Eine Faustregel besagt, dass sich der Schärfebereich von einem Drittel vor bis zwei Dritteln hinter dem fokussierten Punkt erstreckt. Die Schärfentiefe lässt sich im Wesentlichen mit drei Faktoren beeinflussen: der Größe der Blendenöffnung, der Brennweite des Objektivs und der Entfernung zum Objekt.

Die wichtigste Einflussgröße ist die Blendenöffnung. Je größer die Blendenöffnung, desto kürzer ist der scharf abgebildete Bereich, auf den das Objektiv fokussiert. Den Hintergrund bildet dieses in der Folge unscharf ab. Daher verwenden Porträtfotografen gerne lichtstarke Objektive mit einer maximalen Blendenöffnung von 1,8 oder gar 1,4.

Die Brennweite des Objektivs hat ebenfalls Einfluss auf die Schärfentiefe: Je länger die Brennweite, desto kürzer der scharf abgebildete Bereich. Bildet man dasselbe Motiv je mit einem 85-mm-Objektiv und mit einem 50-mm-Objektiv gleich groß ab, ist der Hintergrund bei ersterem deutlich unschärfer.

Die dritte Einflussgröße ist die Entfernung des fokussierten Gegenstands von der Kamera. Je näher sich das Motiv befindet, desto kürzer gerät der Schärfebereich. Makrofotografen kämpfen daher mit einer extrem kurzen Schärfentiefe, während Landschaftsaufnahmen in der Regel gleichmäßig scharf wirken.

Implizit trägt auch die Sensorgröße zur Schärfentiefe bei. Bei gleicher Objektivbrennweite bilden kleinere Sensoren weniger von dessen Gesichtskreis ab als größere. Um mit einem kleineren Objektiv denselben Bildwinkel zu erfassen, muss also eine kürzere Brennweite her. In dessen Folge nimmt die Schärfentiefe zu. Mit einer Spiegelreflexkamera mit Kleinbildsensor (36 × 24 mm) ist es daher einfach, den Hintergrund unscharf wiederzugeben. Mit einem winzigen iPhone-Sensor (4,8 mm × 3,6 mm) ist geringe Schärfentiefe hingegen nahezu unmöglich.

Wer diese Faktoren kennt, kann durch geschickte Wahl des Aufnahmeorts für gleichmäßig unscharfen Hintergrund sorgen. Im Idealfall befindet sich das Motiv relativ nahe an der Kamera und der Hintergrund in weiter Ferne.

Mit der iPhone-Kamera ist das Spiel mit der Unschärfe normalerweise nur bei extremen Nahaufnahmen möglich, da man nur auf den Aufnahmeabstand sinnvoll Einfluss nehmen kann. Apple bedient sich jedoch eines Tricks, mit der das iPhone 7 einen geringen Schärfebereich simuliert.