RISpace: Zum Mars geht es am Montag – oder Dienstag

Der Generaldirektor der ESA rät der Menschheit zur Vorsicht im All. Man könne zwar alles auskundschaften, aber sollte sich selbst nicht überschätzen. Bevor Menschen zum Mars aufbrechen, sollte der Mond besiedelt werden, erklärt er im Interview.

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RISpace: Zum Mars geht es am Montag – oder Dienstag

Erst der Mond, dann der Mars. Johann-Dietrich Wörner möchte ein Moon Village entstehen sehen.

(Bild: ESA/Foster + Partners)

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Von
  • Hans-Arthur Marsiske
Inhaltsverzeichnis

„We did not fail“, sagte Johann-Dietrich "Jan" Wörner mit Nachdruck bei der Konferenz Reinventing Space in London: "Wir sind nicht gescheitert." Der Generaldirektor der europäischen Weltraumorganisation ESA bezog sich damit auf die misslungene Landung des Moduls Schiaparelli im Rahmen der Mission ExoMars. Es habe fast alles wie geplant funktioniert: Schiaparelli sei in die Marsatmosphäre eingetaucht, geschützt durch den Hitzeschild, der wie vorgesehen abgeworfen wurde. Die Sonde habe dann den Fallschirm geöffnet, auch diesen abgeworfen und zum richtigen Zeitpunkt die Bremsraketen gezündet. Die brannten dann allerdings nur drei statt dreißig Sekunden, was die eigentlich beabsichtigte weiche Landung verhindert habe. Nun gebe es also einen neuen dunklen Punkt auf der Marsoberfläche, wo Schiaparelli offenbar explodiert ist, und etwa zweieinhalb Kilometer davon entfernt einen weißen: Das ist wahrscheinlich der Fallschirm.

Schiaparellis Weg zum Mars (13 Bilder)

Test des Fallschirms, der Schiaparellivor der Landung abbremsen sollte.
(Bild: USAF Arnold Engineering Development Complex)

Die missglückte Landung, die möglicherweise auf einen Softwarefehler zurückzuführen ist, konnte Wörners Optimismus nicht erkennbar dämpfen. Er ließ keinen Zweifel aufkommen, dass Europa in vier Jahren einen Rover auf der Marsoberfläche absetzen werde. Er zeigte sich auch überzeugt, dass die Raumfahrt den Menschen auf der Erde viel zu bieten habe. Allerdings hielt er den Ausdruck "New Space", der von anderen Rednern mehrfach verwendet worden war, um die gegenwärtigen Veränderungen in der Branche zu benennen, für ungeeignet.

Tim Peake, der erste britische ESA-Astronaut, ist bei der Tagung in London nur als Pappkamerad anwesend, der den Weg zu Garderobe und Toiletten weist. Sein Auftritt im französischen Fernsehen war für ESA-Direktor Johann-Dietrich Wörner dagegen "European spirit at its best".

(Bild: Hans-Arthur Marsiske)

Dieser Begriff sei schon vor 30 Jahren geprägt worden und daher unpassend für den Wandel bei den Akteuren, Inhalten, Motivationen und Rollen, der gerade stattfinde. Ob aber Wörners Alternativvorschlag "Space 4.0" so viel besser ist, ist eine andere Frage.

Recht hat er aber sicherlich mit seiner Aussage, dass die ESA weiß, wie mit vielen und unterschiedlichen Partnern umzugehen ist. Er habe daher keine Sorge, dass der bevorstehende Austritt Großbritanniens aus der EU die Zusammenarbeit mit der ESA beeinträchtigen könnte. Besonders beeindruckt zeigte er sich davon, dass der britische Astronaut Tim Peake während seines Aufenthalts auf der Raumstation ISS im französischen Fernsehen zehn Minuten lang interviewt worden sei. "Das war europäischer Geist in Bestform", sagte Wörner.

Diesen Geist will er gerne in den Weltraum bringen, zunächst auf den Mond, wo in internationaler Zusammenarbeit ein "Moon Village" entstehen soll – ein Dorf mit sehr verschiedenen, vielleicht sogar eigenwilligen Bewohnern, die aber von einem gemeinsamen Verständnis zusammengehalten werden, ganz ähnlich einem berühmten französischen, pardon: gallischen Dorf, das mit diesem Geist schon im Jahr 50 v. Chr. den römischen Invasoren widerstand.

Eines Tages, so Wörner, würden sicherlich auch Touristen zum Mond fliegen. Außerdem sei der Erdtrabant ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Mars. Wann Menschen dorthin fliegen, sagte der ESA-Direktor im Interview mit heise online, für das er nach seinem Vortrag trotz seines engen Zeitplans spontan ein paar Minuten erübrigte.

ESA-Generaldirektor Johann-Dietrich Woerner, auch als Jan Wörner bekannt

(Bild: ESA)

heise online: Herr Wörner, viele Wissenschaftler halten es für möglich, dass wir auf dem Mars Leben finden könnten. Zugleich drängen einige einflussreiche Personen, wie etwa SpaceX-Gründer Elon Musk, darauf, möglichst bald Menschen zum Mars zu schicken und den Planeten zu besiedeln. Aber wenn es dort Lebewesen gibt, sollten wir sie dann nicht besser alleine lassen?

Wörner: Wir sollten erst einmal gucken, ob es dort überhaupt Leben gibt. Das ist ja eine ganz spannende Frage. Wir schauen jetzt mit ExoMars – was ein Kürzel für "Exobiology on Mars" ist – zunächst einmal auf die Atmosphäre. Mit der nächsten Mission im Jahr 2020 wollen wir in den Boden bohren, um dort zu suchen. Die Frage, wann wir Astronauten dorthin schicken, stellt sich im Moment noch gar nicht. Aber klar ist: Der Mensch wird es sich nicht nehmen lassen. Wir sollten allerdings alles dafür tun, dass der Mensch den Mars nicht verdirbt.

heise online: Es wird manchmal eingewandt, dass es sich auf dem Mars ja, wenn überhaupt, allenfalls um primitives Leben handeln könne. Aber das haben die Europäer, als sie vor 500 Jahren nach Amerika gesegelt sind, über die dortigen Bewohner auch gesagt. Den Fehler sollten wir nicht wiederholen, oder?

SpaceX Interplanetary Transport System (15 Bilder)

Elon Musk träumt von einer Kolonie auf dem Mars. Das erste Schiff soll die "Heart of Gold" sein, benannt nach dem Hitchhiker's Guide to the Galaxy.
(Bild: SpaceX)

Wörner: Wir sollten immer, wenn wir irgendwo hingehen, im ganzen Universum vorsichtig sein. Der Mensch ist nicht unbedingt die Krönung dessen, was man sich am Ende vorstellen kann, auch wenn wir uns im Moment vielleicht ziemlich gut vorkommen. Wir sollten vorsichtig sein, aber gleichzeitig auch nicht die Neugier aufgeben. Wenn der Mensch will, soll er nachschauen.

Kunst und Kultur sind für ESA-Chef Wörner wesentliche Bestandteile der Raumfahrt. Allerdings könne die ESA hier noch deutlich mehr tun, räumte er ein. Bei RISpace mussten die Porträts ehrenwerter Mitglieder der Royal Society, in deren Räumen sich die Konferenz trifft, jetzt vorübergehend astronomischen Motiven weichen. Ob das ein gutes Beispiel kultureller Praxis ist?

(Bild: Hans-Arthur Marsiske)

heise online: Wie wäre es, eine Station auf dem Marsmond Phobos einzurichten und von dort die Entwicklung des Lebens auf dem Mars zu beobachten, vielleicht auch zu unterstützen?

Wörner: Es gibt mehrere Ideen, wie man dorthin fliegen könnte. Phobos ist ein spannender Mond, vor allem, weil man von dort auch leichter wieder wegkommt. Den sollten wir nicht außer acht lassen. Ich glaube aber, wir brauchen trotzdem erstmal unseren Mond als Sprungbrett für die weitere Entwicklung. Ich hoffe, dass die internationale Gemeinschaft der Raumfahrtnationen dann sieht, wie es gemeinsam weitergehen kann. Wie es weitergeht, auch zum Mars, halte ich für eine spannende Frage.

heise online: Und wann rechnen Sie damit?

Wörner: Montag oder Dienstag, das Jahr weiß ich noch nicht. (kbe)