RISpace: Der Weltraum rückt näher

Der erdnahe Orbit wurde zum Ende der RISpace doch noch überwunden. Es wurde diskutiert, wie Rohstoffe auf Asteroiden gefördert werden könnten und wie das All zu besiedeln sei. Auch stellte sich die Frage, wie Leben auf dem Mars geschützt werden sollte.

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RISpace: Der Weltraum rückt näher

(Bild: Deep Space Industries)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske
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Am letzten Tag der Konferenz Reinventing Space in London kamen die Vorträge auf den Kern des Themas: Missionen über den Erdorbit hinaus. Und zum Schluss reichte die Zeit nicht, um die wirklich spannenden Fragen zu diskutieren.

Die an den vorangegangenen Tagen behandelten Fragen von Satellitenkonstellationen zur Erdbeobachtung und Telekommunikation sowie Technologien für den Transport in den erdnahen Orbit mögen zwar für die kommerzielle Nutzung kurzfristig interessanter sein. Aber die eigentliche Motivation, Technik zur Überwindung der Erdschwerkraft zu entwickeln, nährte sich wohl nie in erster Linie aus dem wirtschaftlichen Nutzen, den das für einige Bewohner dieses Planeten bringen mag.

Die wirkliche Attraktivität ging immer vom Weltraum selbst aus, von den anderen Himmelskörpern, die mit der Raketentechnik auf einmal in Reichweite rückten. Das gilt für Raumfahrtpioniere wie Konstantin Ziolkowski, Wernher von Braun oder Sergej Koroljow ebenso wie für heutige Protagonisten ehrgeiziger Missionen wie Elon Musk, Jeff Bezos oder Rick Tumlinson, der die Londoner Konferenz mit einem engagierten Vortrag beschloss.

(Bild: Gateway Earth)

Zuvor hatten andere Referenten bereits Visionen präsentiert, die teilweise recht futuristisch daherkamen. So hatte David Homfray vom Culham Centre for Fusion Energy die Möglichkeiten erörtert, Kernfusion zum Antrieb eines Raumschiffes zu nutzen. Er favorisierte einen sphärisch geformten Tokamak-Reaktor mit Deuterium-Tritium-Fusion, verschwieg aber nicht, dass das eine gigantische Herausforderung sei. "Das ist ein Vorhaben in der Größenordnung des Manhattan- oder Apollo-Projekts", sagte er. "Aber ohne die militärische Motivation und Finanzierung." Aber grundsätzlich sei es machbar. Bis zum Jahr 2040 oder 2050 könnte das demonstriert werden. Das hänge aber letztlich davon ab, welchen Umgang mit Energie die Menschen zukünftig wählen werden.

Mit einem ähnlichen Zeithorizont operierten Matjaz Vidmar und Andrew Luers (University of Edinburgh), die unter dem Titel Gateway Earth eine zukünftige Architektur für interplanetare Raumfahrt vorstellten. Der Kern dieses Tors zum Weltraum soll eine Raumstation im geostationären Orbit sein, die zugleich als Hotel und als Bahnhof für interplanetare Raumschiffe dienen soll. Als Zwischenstation auf dem Weg zu diesem Bahnhof dient eine Station im erdnahen Orbit, wo die Zubringershuttle zugleich aufgetankt werden.

Tankstellen im All sind auch ein Anliegen von Rick Tumlinson, der mit der von ihm gegründeten Firma Deep Space Industries in Kooperation mit Luxemburg und der Mission Prospector X die Machbarkeit der Nutzung von Asteroidenressourcen demonstrieren will. Im Jahr 2020 soll Prospector 1 folgen: Die etwa 75 kg schwere Sonde soll einen Asteroiden scannen und schließlich auf ihm landen. Wenn das gelingt, könnte drei bis fünf Jahre später eine weitere Mission folgen, die dann tatsächlich Rohstoffe auf einem Asteroiden fördert.

(Bild: Deep Space Industries)

Tumlinson gehört zu der Generation derjenigen, die die Mondlandungen als Kinder erlebt haben. Die Verwirrung, die dieses Ereignis damals bei vielen bewirkt hat, konnte er recht gut darstellen, indem er in seinem streckenweise mit Musik unterlegten Vortrag in rascher Folge die Bilder von den Apollo-Missionen mit solchen aus dem Vietnamkrieg und Darstellungen der nuklearen Bedrohung abwechselte. Das Tor zum Weltraum war aufgestoßen, aber es war ungewiss, ob die Menschheit lange genug existieren würde, um hindurch zu schreiten.

Vielleicht am irritierendsten war aber, dass auf Apollo keine vergleichbaren Aktivitäten folgten. Tatsächlich war es Präsident John F. Kennedy nur darum gegangen, vor den Sowjets auf dem Mond zu landen. "Hier liegt die eigentliche Wurzel für die Verschwörungstheorien im Zusammenhang mit Apollo", sagte Tumlinson. "Die Zweifel, ob wirklich Menschen auf dem Mond gelandet sind, haben nichts mit Schattenwürfen oder ähnlichem zu tun. Sie speisen sich aus der Verwunderung darüber, dass danach niemand mehr hingeflogen ist." Die Aufnahmen der Apollo-Astronauten auf dem Mond seien "die teuersten Selfies, die jemals geschossen wurden". Seitdem sei die Menschheit im Käfig Erde gefangen. Es sei an der Zeit, endlich daraus auszubrechen.

Tumlinson setzt sich dafür ein, dass die Besiedelung des Alls ein erklärtes Ziel der NASA wird. Dazu müsse eine industrielle Infrastruktur im Weltraum aufgebaut und die Nutzung von Weltraumressourcen vorangebracht werden. Die gleichen Technologien, die uns auslöschen können, ermöglichten es uns, ins All aufzubrechen, so Tumlinson. Er sei überzeugt, dass wir eine neue, bessere Zivilisation schaffen könnten.

In der abschließenden Diskussion zeigte sich dann allerdings, dass das mehr als nur eine technische Herausforderung ist. Auf die Frage, ob die Entdeckung von Leben auf dem Mars für das Vorhaben einer Besiedelung des Planeten eher eine gute oder schlechte Nachricht sei, entwickelte sich die erste wirkliche Kontroverse der Konferenz – leider erst eine Viertelstunde vor Schluss.

Ian Crawford, Astrobiologe an der Birkbeck University of London, hielt es für zu früh, über bemannte Missionen zum Mars nachzudenken, bevor die Präsenz von Leben dort klar sei. Den Einwand von Tumlinson, dass er beim Händewaschen doch auch Millionen Bakterien töten würde, ließ er nicht gelten. Bevor Menschen dort landeten, müssten wir genau untersuchen ob und welche Lebensformen es dort gibt. Dann müsse es eine gründliche Debatte über das weitere Vorgehen geben.

Für bemannte Missionen, so Crawford, gebe es viele andere lohnende Ziele. Denn darin waren sich am Ende alle einig: Es ist Zeit, über den Erdorbit hinaus ins All vorzudringen. (kbe)