Hickhack um AOL-Beteiligung am Microsoft-Prozess
AOL würde gerne Dokumente im Kartell-Prozess gegen Microsoft zur Unterstützung der Kläger einreichen - das gefällt Microsoft aber überhaupt nicht.
Vor wenigen Tagen erst hatte AOL überraschend beantragt, beim Berufungsgericht im Kartellverfahren gegen Microsoft einen so genannten amicus brief zur Unterstützung des US-Justizministeriums einreichen zu dürfen. Auch die Computer and Communications Industry Association (CCIA), die Software and Information Industry Association (SIIA) und das Project to Promote Competition and Innovation in the Digital Age (ProComp) reichten solche Anträge ein.
Bei einem amicus brief (von amicus curiae, lat. fĂĽr "Freund des Gerichts"; brief: rechtliche Stellungnahme) handelt es sich im US-amerikanischen Rechtssystem um Eingaben von nicht an einem bestimmten Prozess Beteiligten. Sie sollen dem Gericht bei seiner Entscheidungsfindung helfen. In der Regel werden sie zu Gunsten einer der streitenden Parteien eingereicht.
Um die beantragten amicus briefs entwickelt sich nun ein rechtes Hickhack zwischen US-Justizministerium, Microsoft und den Antragstellern. AOL sieht sich laut seinem Antrag in einer guten Position, dem Berufungsgericht bei seiner Entscheidungsfindung zu helfen: "AOL ist sehr gut geeignet, dem Gericht wertvolle UnterstĂĽtzung bei seiner PrĂĽfung der entscheidenden Themen und Fragen im Berufungsverfahren zu bieten", meint der Online-Dienst. Denn AOL habe an der Spitze der Entwicklung des Internet zum wichtigen Kommunikationsmedium gestanden.
Das Justizministerium fasst sich in seiner Reaktion , auf die Anträge kurz. Die Kläger meinen, man unterstütze die Zulassung jedes Amicus-Dokuments, das das Gericht hilfreich finde. Daher stimme man allen Anträgen zu, die um die Erlaubnis für die Einreichung eines amicus briefs nachgesucht hätten.
Dem kann sich Microsoft nun allerdings überhaupt nicht anschließen. In seinem Widerspruch zu den Anträgen meint der Konzern, Microsoft-Konkurrenten, ob sie nun unter eigenem Namen oder unter dem verschiedener Industrie-Vereinigungen aufträten, sollte es nicht gestattet sein, mehrere amicus briefs einzureichen. Stattdessen sollten diese Institutionen und Firmen ein einziges Dokument vorlegen – alles andere wäre unfair gegenüber Microsoft und würde dem Gericht zu große Lasten aufbürden.
Damit bezieht sich der Software-Konzern darauf, dass sowohl die CCIA als auch die SIIA und ProComp von Microsoft als Organisationen angesehen werden, die eigentlich im Sinne von AOL sprächen. Die drei Organisationen seien maßgeblich von Microsoft-Konkurrenten beeinflusst, darunter Oracle und Sun, meint Microsoft. Und mit Sun wiederum habe AOL eine Partnerschaft für die Server-Software von Netscape.
Microsoft hat aber auch grundsätzliche Bedenken gegen einen amicus brief von AOL: Der Online-Dienst sei einer der schärfsten Konkurrenten von Microsoft und "wohl kaum ein 'friend of court' im eigentlichen Sinn". Schließlich hätten Zeugen von AOL und Netscape lange Aussagen in dem Verfahren gemacht. Es erscheine doch unangebracht, dass AOL nun diese Zeugenaussagen mit zusätzlichen Argumenten unabhängig davon ergänzen wolle.
Darüber hinaus sollte Organisationen und Privatpersonen, die kein spezielles Interesse an dem Fall oder der Software-Industrie generell hätten, grundsätzlich die Einreichung von Amicus-Dokumenten untersagt werden, egal, für welche Seite sie sich aussprächen, meint Microsoft.
Wie sich das Gericht nun entscheidet, wird sich wohl noch diese Woche zeigen. Die Richter hatten eine Frist bis zum 1. November gesetzt. Zu diesem Termin sollten alle Antworten auf die Anträge für amicus briefs beim Gericht vorliegen. Das eigentliche Verfahren soll nach dem Zeitplan des Gerichts am 26. und 27. Februar nächsten Jahres mit mündlichen Verhandlungen weitergehen – nach diversen Fristen zur Einreichung von Dokumenten der beteiligten Parteien und daraus resultierenden Antworten. Bis dahin dürfte es anscheinend zwischen den streitenden Parteien in dem Kartellverfahren noch einiges Geplänkel auf Nebenschauplätzen geben. (jk)