Eine der ersten Online-Gemeinschaften ist am Ende

AOL will zum 30. April alle deutschen Compuserve-Foren schließen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 161 Kommentare lesen
Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Florian Rötzer

AOL hat allen deutschen Compuserve-Forenbetreibern mit Wirkung zum 30. April gekündigt. Eine Online-Gemeinschaft ist am Ende – von Compuserve Deutschland bleiben nur noch ein Name, ein Portal und ein Online-Zugang.

Provider wie Compuserve öffneten das Netz einst für die Allgemeinheit. Compuserve verlangte allerdings stolze Gebühren, was der Firma den Spitznamen "CI$" statt der offiziellen Abkürzung CIS einbrachte. Damit fanden sich nur diejenigen dort ein, die den Dienst beruflich brauchten und sich dies leisten konnten. Das Niveau der Angebote war hoch und die User stellten eine große, weltweite Gemeinschaft dar. Ab 1995 sanken dann angesichts wachsender Konkurrenz aus dem Internet die Preise, aber sowohl der frühere Besitzer H & R Block als auch der heutige Eigner AOL haben den Dienst immer stiefmütterlich behandelt.

Compuserve sollte im Unterschied zu AOL für die Einsteiger als Online-Dienst für den Profi aufgebaut werden. Da Email, Online-Zugang oder Webspace heute überall zu haben sind, bestand das herausragende Angebot von Compuserve in den Foren: Im Unterschied zum Internet, wo User mit erfundenen Namen und Adressen jede Menge Unsinn schreiben und ein Forum so schnell wertlos machen können, war hier jeder Teilnehmer über seine Compuserve-ID identifizierbar. So konnte man User, die sich schlecht benahmen, aus einem Forum verbannen oder auch für heikle Themen geschlossene Sektionen einrichten. Sysops überwachten das Ganze und sorgten dafür, dass die Atmosphäre in den Foren angenehm blieb.

Anfang 2000 wurden von 50 deutschen Foren dann alle bis auf 12 geschlossen, in der Hoffnung, den Traffic in den verbliebenen Foren zu steigern. Zum Ausgleich öffnete man im Sommer 2000 die Compuserve-Foren zum Internet: Heute kann dort auch mitschreiben, wer man kein Compuserve-Kunde ist. Ein Geschäft ist das – von Werbebanner-Einnahmen mal abgesehen – natürlich nicht: an Webbesuchern verdient ein Online-Dienst nichts. Und da es kaum bekannt war, kamen auch nicht mehr Besucher.

Die amerikanischen Compuserve-Foren haben noch eine Gnadenfrist. Doch wurde dort mit dem nun vollzogenen AOL-Time-Warner-Merger auch dort vielen Mitarbeitern gekündigt, und man will mit der Öffnung der Foren ins Web genau den Weg gehen, der schon in Deutschland nicht funktioniert hat. Das Ende von Compuserve USA ist damit ebenfalls abzusehen. (Wolf-Dieter Roth)

Mehr in Telepolis: Wir können nun mal nicht Compuserve. Wir können nur AOL. (fr)