Senioren agil, (Internet-) Wirtschaft senil...

Mit über 50 zum ersten Mal im Internet surfen ist nicht einfach: Besonders gestaltete Seiten, die Neueinsteiger an die Hand nehmen, sind die Ausnahme, spezielle Angebote für Senioren selten.

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Von
  • Sandra Trauner
  • dpa

Wer über 50 ist und sich zum ersten Mal ins Internet wagt, findet sich dort nur selten zurecht. Speziell gestaltete Seiten, die Neueinsteiger an die Hand nehmen, sind die Ausnahme, spezielle Angebote für Senioren selten. Die Industrie versäume es, rechtzeitig eine kaufkräftige Schicht an das neue Medium zu binden, warnen Experten. "Senioren agil, Wirtschaft senil", lautet der Titel einer Tagung in Frankfurt, die sich am 24. November mit dem Thema ältere Menschen und Internet beschäftigt.

Menschen über 50 sind die am schnellsten wachsende Gruppe unter den Internetnutzen. "Der größte Zuwachs findet derzeit bei älteren Personen statt. Menschen über 50 Jahre nutzen das Netz intensiv und geben hier am meisten Geld aus", ergab eine von der Zeitschrift Focus in Auftrag gegebene Marktanalyse (April 2000). Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) fand heraus, dass bereits 18 Prozent der WWW-Nutzer älter sind als 50 Jahre (August 2000). Vor fünf Jahren stellten die über 50-Jährigen erst drei Prozent.

Wegen der hohen Ansprüche dieser Zielgruppe müssten sich die Anbieter jedoch auch mehr anstrengen, meint der Saarbrücker Unternehmensberater Gundolf Meyer-Hentschel, der sich seit Jahren mit Seniorenmarketing beschäftigt. "Eine platte Shopping- Seite" habe weniger Chancen bei diesem "komplizierten Kunden" als ein Angebot, das speziell für Ältere gestaltet sei. Orientierungsfreundlich mit ruhigem Design sollten die Seiten sein und vor allem das Bedürfnis nach Unterhaltung und Austausch berücksichtigen. Wer sich mit einem solchen Angebot früh im Markt positioniere, könne mit enormen Gewinnen rechnen, glaubt Meyer-Hentschel. Bisher sei die Industrie aber "noch fest am Schlafen".

Professor Bernd Skiera, Inhaber des Lehrstuhls für E-Commerce an der Frankfurter Goethe-Universität, hat Verständnis für die Zurückhaltung der Branche: "Zunächst müssen mehr Senioren ins Netz, dann erst macht es Sinn, sie speziell anzusprechen." Als Zielgruppe seien Pensionäre natürlich hoch interessant, weil finanziell potent. E-Commerce mache für Senioren schon allein deshalb Sinn, weil viele nicht mehr so mobil sind.

Skiera warnt jedoch davor, lukrative Geschäftsfelder nur im Konsum zu sehen. Hoch interessant seien auch Service-Angebote, zum Beispiel im medizinischen Bereich. Ein Sensor etwa, der in regelmäßigen Abständen Blutdruck oder Zuckerwerte misst und die Daten online zu Experten übermitteln, die prüfen, ob alles in Ordnung ist. "Das ist ein sehr, sehr großer Markt, und mit Hilfe des Internet sind hier viele intelligente Lösungen denkbar", sagt Skiera.

Bisher sei die Zielgruppe Senioren aber einfach zu schwer über das neue und ungewohnte Medium zu erreichen. Aber das wird sich schnell ändern, glaubt Skiera: "Die Technik wird immer benutzerfreundlicher. Spracheingabe oder größere Bildschirme werden Senioren den Einstieg erleichtern." Den Durchbruch erwarten Branchenkenner von den Settop-Boxen. Wenn PC und TV zu einem einzigen Gerät verschmelzen, werden ältere Menschen, die nicht mit dem Computer aufgewachsen, aber an den Fernseher gewöhnt sind, ihren Spaß am Surfen entdecken, glauben Experten. (Sandra Trauner, dpa) (jk)