EuGH-Urteil: Bibliotheken dürfen E-Books verleihen

Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass elektronische Bücher unter die EU-Richtlinie zum Verleihrecht fallen und so gegen eine Vergütung von öffentlichen Bibliotheken zeitlich begrenzt verfügbar gemacht werden dürfen.

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EuGH-Urteil: Bibliotheken dürfen E-Books verleihen

(Bild: dpa, Uwe Anspach / Archiv)

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Von öffentlichen Bibliotheken können Interessenten derzeit nur einen geringen Prozentsatz insbesondere neu erschienener E-Books online ausleihen. Bisher steht es nämlich Verlagen oder sonstigen Rechteinhaber frei, den kommunalen Einrichtungen den Verleih zu genehmigen, sie müssen keine Lizenz dafür erteilen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) sieht dies anders. Er hat am Donnerstag geurteilt, dass sich Bibliotheken auf die EU-Richtlinie zum Vermiet- und Verleihrecht von 1992 berufen können, wenn sie digitale Bücher elektronisch zeitlich begrenzt öffentlich Lesern zur Verfügung stellen.

Die Luxemburger Richter erkennen laut ihrem Urteil (Az.: C-174/15) keinen zwingenden Grund dafür, dass digitale Kopien oder "unkörperliche Gegenstände" nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen sollten. Dies werde durch das darin verankerte Ziel gestützt, "wonach das Urheberrecht an neue wirtschaftliche Entwicklungen angepasst werden muss".

Die Online-Leihe vollständig auszuschließen laufe dem allgemeinen Grundsatz zuwider, dass Urhebern ein hohes Schutzniveau zustehe. Bislang verleihen Bibliotheken Bücher in digitaler Form auf Basis von Verträgen mit den Rechteverwertern, was hauptsächlich den Verlagen oder Zwischenhändlern im E-Book-Bereich zugute kommt. Nun sollen sie eine angemessene Vergütung für die zusätzliche Nutzung bekommen.

Da der öffentliche Verleih von E-Books bedeutsam sei und einen Beitrag zu kulturpolitischen Zielsetzungen leisten könne, dürfe es auch Merkmale aufweisen, "die im Wesentlichen mit denen des Verleihens gedruckter Werke vergleichbar sind", betont der EuGH weiter. Eine Bibliothek muss demnach sicherstellen, dass ein elektronisches Buch nur von so vielen Nutzern auf ihre Computer oder Lesegeräte geladen werden kann, wie dies in der Lizenz festgelegt ist. Nach der Ausleihfrist darf die Datei auf dem Rechner des Kunden nicht mehr funktionieren.

In Umlauf gebrachte digitale Kopien dürfen nicht aus "einer illegalen Quelle stammen", unterstreicht das Gericht. Die Mitgliedsstaaten dürften zudem zusätzliche Vorgaben treffen, um den Schutz der Rechte der Urheber über den Rahmen der Richtlinie hinaus zu verbessern. Insgesamt folgten die Richter so weitgehend dem Plädoyer des Generalanwalts Maciej Szpunar.

In dem Fall hatte die Vereniging Openbare Bibliotheken (VOB) geklagt. Der Verband der öffentlichen Bibliotheken der Niederlande wollte sicherstellen, dass die Ausnahmerechte für das Verleihen analoger Bücher auch für E-Books gelten. Antragsgegner war mit der Stichting Leenrecht eine Stiftung, die Urhebervergütungen erhebt.

Die niederländischen Rechtsvorschriften, denen zufolge die von der öffentlichen Bibliothek zur Verfügung gestellte digitale Kopie eines Buches zunächst gekauft oder in anderer Form erstmalig das Eigentum übertragen beziehungsweise der Rechteinhaber einer Verbreitung zugestimmt haben muss, erklärte der EuGH für zulässig.

Der Deutsche Bibliotheksverband (dbv) begrüßte den Beschluss zur Online-Ausleihe als richtungweisend. Der hiesige Gesetzgeber müsse nun die Norm im Urheberrechtsgesetz ändern, die eine Lizenz für den Gebrauch von Medien durch Bibliotheken davon abhängig mache, dass eine greifbare Kopie davon etwa in Form eines gedruckten Buchs oder einer CD in Verkehr gebracht wird. Zudem sei zu gewährleisten, dass die Autoren und gegebenenfalls andere Rechteinhaber über die Verwertungsgesellschaften eine "Bibliothekstantieme" erhielten.

"Einen falschen Schritt für die Weiterentwicklung des E-Book-Markts", beklagt dagegen der Börsenverein des Deutschen Buchhandels. "Wenn Autoren und Verlage nicht mehr mit Bibliotheken zu angemessenen Konditionen Lizenzen für die E-Book-Nutzung verhandeln können, erhalten sie keine marktgerechte Vergütung mehr für ihre Leistung", gibt der Börsenverein zu bedenken. Letztlich werde so "das Angebot an hochwertigen und vielfältigen Inhalten und kundenfreundlichen Nutzungsangeboten langfristig zurückgehen". (anw)