Pflanzendiagnose per App

Mittels neuronaler Netze kann eine neue Handy-Software aus Bildern kranker Flora ermitteln, an was die Pflanzen leiden.

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Von
  • Signe Brewster
Inhaltsverzeichnis

Wer im Garten arbeitet, kennt das Problem: Ist beispielsweise die Tomatenpflanze plötzlich schrumpelig und verkrüppelt, weiß man häufig nicht, was bestenfalls zu tun ist.

Ein Team von Forschern an der Penn State University und der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) hat nun ein Verfahren entwickelt, das Smartphones einsetzt, um hier Abhilfe zu schaffen: Ihre kostenlose App und mobile Website namens PlantVillage kann erkennen, an welcher Krankheit eine Pflanze leidet – und das alles nur mit einem Kamerafoto.

Hinter der Anwendung, die Anfang 2017 verfügbar sein soll, steckt eine Datenbank mit 150.000 Bildern, die erkrankte Flora zeigen – und sie soll künftig auf drei Millionen Stück anwachsen. Derzeit konzentriert sich der Datenschatz auf die laut dem Team zehn wichtigsten Krankheiten, die die 30 bedeutendsten Pflanzenarten betreffen.

Sie haben ein neuronales Netz anhand dieser Aufnahmen trainiert, was einen Algorithmus ergab, der die korrekte Pflanze und Erkrankung in 98,21 Prozent der Fälle ermitteln kann, wenn die Bilder qualitativ gut genug sind. Dieser Wert wurde bereits mit einer Datenbank aus 50.000 Bildern erzielt. Mit Aufnahmen schlechterer Qualität, die das Team von externen Websites besorgte, ging die Genauigkeit allerdings auf 31,69 Prozent zurück. Entsprechend muss entweder die Anzahl der Aufnahmen zunehmen, mit denen das neuronale Netz trainiert wird – oder die Aufnahmebedingungen im Garten oder auf einem Bauernhof müssen verbessert werden, etwa in Sachen Beleuchtung.

Das Team bietet die Bilderdatenbank kostenlos für alle Forscherkollegen an, die sie benutzen möchten. Marcel Salathé, auf Digitalthemen spezialisierter Epidemiologe an der EPFL, meint, dass er gerne einem anderen Team oder gar einer Firma erlaubt, einen besseren Algorithmus zu entwickeln – bei dem Projekt gehe es darum, die vorhandenen Daten möglichst weltweit nutzbar zu machen.

Salathé gründete PlantVillage zusammen mit dem Penn-State-Entomologen David Hughes, nachdem ihm aufgefallen war, wie wissbegierig Hobbygärtner beim Thema Pflanzen sind – und wie wenig verlässliche Informationen im Netz im Umlauf sind. "Uns kam das unglaublich rückständig vor. Denn darum ging es im Internet doch."

Hughes und Salathé fanden außerdem heraus, dass Bilder von Pflanzenkrankheiten bislang häufig in unterschiedlichen Datenbanken lagern, auf die Normalnutzer nur schwer Zugriff haben. Ihre Datenbank ist mittlerweile die größte öffentlich verfügbare.

Es gibt auch noch andere Apps, die Pflanzenkrankheiten erkennen können. Für den deutschen Markt beispielsweise hat Simone Strey die App Plantix entwickelt. Die Botanikerin zählte in diesem Jahr zu den Finalisten des Nachwuchswettbewerbs "Innovatoren unter 35" von Technology Review. Ihre App basiert ebenfalls auf einem neuronalen Netz, das mittels Bildern von Pflanzenkrankheiten und Schädlingen erkennt. Durch eine rechtzeitige Früherkennung soll so der unnötige Gebrauch von Pestiziden in der Landwirtschaft verhindert werden.

Auf einem anderen Ansatz basiert Plant Doctor von der Purdue University. Die App erlaubt es Nutzern, die Symptome ihrer Pflanzen mit denen von Bildern abzugleichen. Eine weitere App der University of Hawaii bietet Nutzern die Möglichkeit, Aufnahmen an einen echten Experten zu schicken, der das Problem dann aus der Ferne diagnostiziert.

Amanda Gevens, Pflanzenpathologin an der University of Wisconsin-Madison, die das Projekt PlantVillage kennt, fürchtet allerdings, dass Symptome, die bei mehreren Krankheiten auftreten, zu Fehldiagnosen führen könnten – was dann wiederum negative Konsequenzen hat – wirtschaftliche wie für die Umwelt. Sie empfiehlt, Experten hinzuzuziehen und neben der Nutzung solcher Apps auch direkte Tests durchzuführen.

"Eine solche Krankheitsdiagnose für einen Heimgärtner oder jemanden ohne kommerzielles Interesse kann schon sehr nützlich sein", meint Gevens. Für die Landwirtschaft müsste stets mehr vorliegen als nur ein Foto. (bsc)