Affen lernen dank Gehirnimplantat wieder laufen

Verletzungen des Rückenmarks könnten in einigen Jahren elektronisch repariert werden.

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Von
  • Courtney Humphries
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Schweizer Forschern ist es gelungen, zwei teilweise gelähmte Primaten mit Hilfe eines Gehirnimplantats wieder gehen zu lassen. Bei der Studie, die an der Eidgenössischen Technische Hochschule Lausanne (EPFL) durchgeführt wird, wurde eine drahtlose Brücke zwischen den Gehirnen der Affen und ihren Hinterläufen geschaffen. Sie konnten sich damit wieder auf einem Laufband bewegen – in einer vorsichtigen Gangart.

Die Arbeit, die in Nature veröffentlicht wurde, bringt einige spannende technische Entwicklungen zusammen: Ein Gehirnimplantat, das die Absicht der Tiere, zu laufen, erfassen kann, Elektroden, die am unteren Rückenmark angebracht sind und die für Bewegung zuständigen Muskeln stimulieren, sowie eine drahtlose Verbindung zwischen beiden Segmenten.

"Es ist fantastisch, wie hier gezeigt wird, dass man diese beiden Dinge verbinden kann", sagt Chad Bouton, Leiter des Center for Bioelectronic Medicine am Feinstein Institute for Medial Research in New York. Bouton arbeitete kürzlich mit einem menschlichen Freiwilligen zusammen, bei dem Gehirnsignale verwendet wurden, um seine gelähmte Hand zu bewegen. Dabei wurde ein Überzug verwendet, der mit Elektroden gespickt war. Andere Forscher haben bereits gezeigt, dass eine Gehirnkontrolle über robotische Systeme möglich ist.

Die neue Forschungsarbeit dürfte das erste Mal gewesen sein, dass drahtlose Gehirnkontrolle verwendet wurde, um ein Tier wieder laufen zu lassen. Sie ist Teil einer Kampagne von Forschern, Systeme zu entwickeln, die "voll implantierbar und unsichtbar" sind und Gelähmten willentliche Bewegungen wieder ermöglichen sollen, wie Bouton sagt.

Die Experimente wurden von einem internationalen Team durchgeführt, das von Grégoire Courtine geleitet wird, einem Neurowissenschaftler, der sich auf epidurale elektrische Stimulation spezialisiert hat. Dabei wird ein Stromimpuls in das untere Rückenmark geschickt, um Schrittbewegungen zu provozieren.

Im Gegensatz zu Armbewegungen ist das Laufen eine automatische Bewegung, die vom Rückenmark koordiniert wird – und zwar auf teilweise unabhängige Art. Courtines Gruppe demonstrierte zuvor bereits, wie man eine gelähmte Ratte zum Laufen bringt, indem man ihr Rückenmark stimuliert. Doch in diesem Fall waren die Forscher eher wie Puppenspieler, die die Hinterläufe des Tieres steuerten.

In ihrer Studie beschreiben die Forscher, wie sie den nächsten Schritt nahmen: einem Tier zu ermöglichen, das Gehen über sein Gehirn zu steuern. Dazu wurden zwei Rhesusaffen Verletzungen an einer Seite des Rückenmarkes zugefügt, die das linke Bein temporär lähmten. Das Team von Courtine implantierte dann in das Gehirn der Tiere chirurgisch ein Reißzwecken-großes Elektroden-Array, mit dem es möglich ist, die elektrische Aktivität von Nervenzellen in einem Bereich des Gehirns zu messen, das die Beinbewegungen steuert.

Mit einem drahtlosen Sender, der an der Brown University entwickelt wurde und der am Schädel befestigt wird, wurden diese Gehirnsignale dann an eine spezielle Jacke übertragen, die die Affen trugen. Dachte der Affe ans Laufen, wurde eine vorprogrammierte Sequenz elektrischer Stimuli an das untere Rückenmark geschickt.

Ohne Hilfe des Systems hoppelte der Affe das Laufband entlang, während das verletzte Bein herunterbaumelte. Sobald das System aktiviert wurde, begann der Affe damit, das Bein zu heben und zu senken und Gewicht auf es zu verlagern.

Courtine ist auch Gründer des EPFL-Spin-offs G-Therapeutics, das rund 40 Millionen Dollar eingesammelt hat, um die Rückenmarkstimulationstechnik weiter zu entwickeln. Eine Kombination mit Gehirnimplantaten wird dort noch nicht durchgeführt.

Zusammen mit Jocelyne Bloch, einer Neurochirurgin am Universitätskrankenhaus von Lausanne, die G-Therapeutics mitgegründet hat, wird derzeit von der Firma eine Rückenmarksstimulation bei acht Freiwilligen getestet, die sich in einem Rehaprogramm befinden. Courtine zufolge wäre "einer der nächsten Schritte", den Patienten die direkte Gehirnkontrolle über solche Systeme zu geben. Erste Experimente sind innerhalb der nächsten fünf Jahren geplant. (bsc)