Hat bald jeder sein eigenes Kraftwerk zu Hause?

Dezentrale Energieversorgung könnte helfen, den Klimawandel aufzuhalten. Die Infrastruktur ist aber nicht unkompliziert.

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Von
  • Christian J. Meier
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Olaf Wollersheim freut sich über die Mai-Sonne über Blankenloch bei Karlsruhe. Denn sie macht den Experten für Batteriespeicher vom Karlsruher Institut für Technologie und seine Familie unabhängig von ihrem Stromversorger, zumindest für diesen Tag. Wollersheim zieht den Deckel von einem kühlschrankgroßen Plastikkasten ab, der im Vorgarten seines Eigenheims steht. Darunter zeigen sich alugraue Gehäuse und einige Kabel – das Innenleben einer Lithium-Ionen-Solarbatterie.

"Die Akkus sind schon zu drei Viertel voll, obwohl es erst halb zehn ist", sagt Wollersheim. Strom von der Solaranlage auf dem Dach des Neubaus hat sie aufgeladen, die abendliche Energieversorgung ist gesichert. Mit so viel Autarkie hat der Stromanbieter der Wollersheims nicht gerechnet: "Wir haben neulich 500 Euro Rückzahlung bekommen", erzählt der Physiker.

Weitere 35000 Haushalte in Deutschland machen nur noch gelegentlich von ihrem Netzanschluss Gebrauch. Im Jahr 2015 wurde fast jede zweite kleine Photovoltaikanlage zusammen mit einem Batteriespeicher installiert. Die Besitzer wollen sich von künftigen Strompreiserhöhungen unabhängig machen oder den Umbau des Energiesystems vorantreiben. "Ich finde es cool, dass es auf diese Weise möglich ist, eine Gesellschaft mit Strom zu versorgen", sagt Wollersheim "Viele Batteriebesitzer wollen einen Beitrag zum Gelingen der Energiewende leisten", bestätigt Kai-Philipp Kairies von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen.

Das neue Bedürfnis nach Autarkie hat aber auch wirtschaftliche Gründe: Der Staat hat die Einspeisevergütung auf 12,3 Cent reduziert, um den Anteil von Sonnenstrom im Netz zu begrenzen. Für die Besitzer von Photovoltaikanlagen lohnt es sich seither, ihren selbst erzeugten Strom auch selbst zu verbrauchen. Schließlich müssten sie sonst für jede Kilowattstunde ihres Energieversorgers knapp 30 Cent bezahlen. Weil der Eigenverbrauch die Netze entlastet, fördert der Staat die Anschaffung von Solarbatterien zudem mit zinsgünstigen Krediten der KfW-Bank.

Ob sich die Selbstversorgung am Ende aber wirklich rechnet, ist zweifelhaft – zumindest derzeit noch. Beide verfügbaren Akkutechnologien haben ihre Schwächen: Lithium-Ionen-Batterien halten nach Herstellerangaben zwar 15 bis 20 Jahre, sind aber relativ teuer, Blei-Akkus dagegen sind billiger, aber auch schnell ausgepowert. Einen Großteil der Anschaffungskosten für eine Solarbatterie macht ohnehin nicht der Akku aus, sondern die nötige Zusatzausstattung wie Steuerung, Batteriewechselrichter und Elektronik. Alles einkalkuliert, "ergibt sich allenfalls eine schwarze Null", meint Kairies, der das staatliche KfW-Speicherförderprogramm wissenschaftlich begleitet.

In seiner Wirtschaftlichkeitsrechnung stecken allerdings viele Unwägbarkeiten. Denn die Lebensdauer der Solarbatterien ist noch eine Black Box – die Speicher sind schließlich erst seit ein paar Jahren auf dem Markt. An eine Lebensdauer von zwanzig Jahren, wie für Photovoltaikanlagen veranschlagt, mag Kairies nicht glauben: "Schon bei der Forderung nach zehn Jahren Garantie mit 80 Prozent Restkapazität kommt mancher Hersteller ins Schnaufen." Nach diesem Zeitraum hat eine Batterie im Schnitt gerade mal rund 2500 Ladezyklen hinter sich.

Olaf Wollersheim dagegen glaubt, dass sich seine Batterie binnen zehn Jahren amortisieren wird. Er hat seine Anlage vor dem Kauf akribisch geplant und dafür sein Expertenwissen genutzt. "Entscheidend für die Rentabilität sind ein relativ niedriger Batteriepreis und gleichzeitig eine hohe Zyklenfestigkeit", sagt Wollersheim. Die Batterie muss also möglichst viele Be- und Entladezyklen aushalten, damit sie ihren hohen Preis von mindestens 1000 Euro pro Kilowattstunde Speicherkapazität während ihrer Lebensdauer wieder hereinspielt. Als Batterieforscher kannte Wollersheim die Zyklenfestigkeit der Batterie, die er schließlich gekauft hat, und ist überzeugt, seine Rentabilitätsnische gefunden zu haben.

Solche Nischen werden künftig leichter aufzuspüren sein, meint Kairies. Denn Solarbatterien stünden an der Schwelle zur Massenproduktion. Die Preise von Lithium-Ionen-Batterien sänken derzeit stark. Zudem wird sich nach Prognosen der RWTH Aachen die Lebensdauer der Solarspeicher binnen zehn Jahren verdoppeln, bei Blei-Säure-Batterien auf bis zu 4000 und bei Lithium-Ionen-Modellen auf bis zu 10000 Zyklen. "Schon in einigen Jahren kann sich die Anschaffung einer Solarbatterie auch wirtschaftlich lohnen", meint Kairies.