NSA-Selektorenliste bleibt geheim: Opposition enttäuscht über Karlsruher Urteil

Die Bundestags-Opposition aus Grünen und Linken ist mit dem Versuch gescheitert, über Karlsruhe einen Einblick in die NSA-Selektorenlisten zu erzwingen. Das schwäche einmal mehr das Parlament gegenüber den Geheimdiensten, kritisieren sie.

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NSA-Selektorenliste bleibt geheim: Opposition enttäuscht über Karlsruher Urteil

(Bild: Maria Eklind, CC BY-SA 2.0)

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  • dpa

Die Opposition hat enttäuscht auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts reagiert, dem NSA-Untersuchungsausschuss die geheime Liste mit den NSA-Spionagezielen vorzuenthalten. "Weite Teile der jahrelangen, rechtswidrigen BND-Praxis werden jetzt im Dunkeln bleiben", kritisierte der Grünen-Obmann Konstantin von Notz gegenüber der dpa. Die Obfrau der Linken, Martina Renner, ergänzte, die Entscheidung signalisiere, "dass die Geheimdienste weiter machen können, was sie wollen, ungestört von parlamentarischer Kontrolle". Enttäuscht sagte sie tagesschau.de: "Wieder einmal müssen die Rechte des Parlaments gegenüber den Geheimdienstinteressen zurücktreten."

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Zufrieden ist dagegen die Regierungskoalition. "Es gibt Dinge, die geheim bleiben müssen. Sonst können die Geheimdienste nicht arbeiten", sagte etwa der Ausschussvorsitzende Patrick Sensburg (CDU) dem Kölner Stadt-Anzeiger. In ihrem Handeln voll bestätigt fühlt sich auch Nina Warken, die Obfrau der Unionsfraktion im Untersuchungsausschuss: "Nun haben wir es schwarz auf weiß, dass wir mit dem eingeschlagenen Weg das Aufsichtsrecht des Parlaments und das Sicherheitsinteresse des Staates in einen klugen Ausgleich gebracht haben", erklärte sie tagesschau.de.

Die Karlsruher Richter hatten entschieden, dass die Bundesregierung die brisante Liste mit den NSA-Spionagezielen nicht dem NSA-Untersuchungsausschuss überlassen muss. Damit scheiterte die Opposition im Bundestag mit ihrer Organklage auf Herausgabe der Selektoren. Die Richter urteilten, das Geheimhaltungsinteresse der Regierung überwiege in diesem besonderen Fall das Informationsinteresse des Ausschusses. Die Bundesregierung hatte sich überzeugt gezeigt, dass eine Herausgabe ohne das Einverständnis der USA die Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste und damit die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit Deutschlands erheblich beeinträchtigen würde. Diese Wertung – an der ihrerseits Zweifel geäußert wurden – sei im Ergebnis nicht zu beanstanden (Az. 2 BvE 2/15).

Auf der Liste stehen sogenannte Selektoren, also Suchmerkmale wie Telefonnummern, E-Mail- oder IP-Adressen, die der US-Geheimdienst NSA dem Bundesnachrichtendienst (BND) zur Kooperation geliefert hatte, eigentlich für den Anti-Terror-Kampf. Im Zuge des NSA-Skandals kam aber heraus, dass die USA auch europäische Politiker und Firmen im Visier hatten. Zehntausende heikle Selektoren sortierte der BND nachträglich aus. Welche das waren, ergibt sich aus der Liste, die im Kanzleramt in gedruckter Form vorliegt. Dem im März 2014 eingesetzten Untersuchungsausschuss verweigerte die Regierung aber die Einsicht. Stattdessen wurde eine "Vertrauensperson" bestellt: Der Ex-Verwaltungsrichter Kurt Graulich durfte die Liste auswerten. In seinem Bericht warf er den USA Ende Oktober 2015 gravierende Verstöße gegen vertragliche Vereinbarungen vor.

Grüne und Linke hatte diese Ergebnisse als undifferenziert und unbrauchbar kritisiert und selbst Einsicht verlangt. Zumindest in Teilen bekamen sie damit in Karlsruhe aber nun Recht: Die Richter entschieden, dass das Recht des Ausschusses auf Vorlage durch die "Vertrauensperson" nicht erfüllt sei. Der Regierung halten sie aber zugute, dass diese so weit möglich Auskünfte erteilt habe. Die Kenntnis der Selektoren sei außerdem "eher von allgemeinem politischen Interesse" und "nicht in einem Maße zentral, um gegenüber den Belangen des Staatswohls und der Funktionsfähigkeit der Regierung Vorrang zu beanspruchen". (mho)