Software errechnet Risiko für plötzlichen Herztod

Wissenschaftler haben eine neue Software zur Abschätzung des Herzinfarktrisikos entwickelt.

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Von
  • Andreas Grote

Stündlich sterben in Deutschland zehn Menschen am plötzlichen Herztod (PHT). Menschen mit einem vorangegangenen Herzinfarkt oder auch Leistungssportler sind hierbei besonders gefährdet. Mit einer neuen Software läßt sich ihr Risiko nun besser einschätzen.

Mathematiker des Fraunhofer-Instituts für Techno- und Wirtschaftsmathematik (ITWM) in Kaiserslautern haben das Verfahren zur Risikoabschätzung zusammen mit dem Dienstleistungsunternehmen alphaCardio entwickelt. Ihre Software analysiert die EKG-Daten des Patienten aus den letzten 24 Stunden und stellt dem Kardiologen mindestens drei wichtige Kenngrößen zur Verfügung, die den Herzrhythmus beschreiben. Der PHT ist in den meisten Fällen auf Herzrhythmusstörungen zurückzuführen.

Mit den traditionellen, linearen Methoden lassen sich die komplexen Vorgänge und ihre komplizierten Wechselbeziehungen nicht erfassen, sodass krankhafte Abweichungen im Herzrhythmus nicht zuverlässig genug erkannt werden. "Viele der heute benutzten Programme berücksichtigen nur, wie die Daten linear zusammenhängen. Wir hingegen verwenden Modelle der nichtlinearen Dynamik, die den eher chaotischen Herzrhythmus als offenes und komplexes System beschreiben. So werden wir zeitlichen Änderungen der Herzschläge und individuellen Besonderheiten der Patienten besser gerecht", erklärt Dr. Hagen Knaf vom ITWM die mathematischen Grundlagen. Die Methodik der nichtlinearen Dynamik ist nicht neu, wohl aber die geometrische Umsetzung der Ergebnisse.

Um die Analyse grafisch darzustellen, errechnet die Software die Zeiten, die zwischen drei aufeinanderfolgenden Herzschlägen liegen, und trägt dieses Ergebnis für die insgesamt rund 100.000 Herzschläge in ein Koordinatensystem ein. Als Ergebnis erhält der Kardiologe sogenannte Lorenz-Plot-Wolken (siehe Grafik). Die keulenförmige, geometrische Erscheinungsform der Wolken zeigt dem Kardiologen auf plastische Weise, ob das Herz des Patienten gesund oder krankhaft verändert schlägt und ordnet den Patienten anhand von Mustererkennung gegebenenfalls in eine Risikoklasse ein.

Mit Hilfe linearer Modelle werden nur rund 30 Prozent der mit einem PHT-Risiko behafteten Patienten als Risikopatienten diagnostiziert. Um die Zuverlässigkeit ihres neuen Modells zu überprüfen, haben die Wissenschaftler zusammen mit Medizinern am Klinikum Ludwigshafen die EKG-Daten von 600 Patienten, die bereits einen Herzinfarkt erlitten hatten, mit der neuen Software neu berechnen lassen und das berechnete Risiko mit dem späteren Schicksal der Patienten verglichen. Eine französische Studie steht kurz vor der abschließenden Auswertung. "In deutlich mehr Fällen als mit vergleichbaren Verfahren konnte unsere Software das PHT-Risiko richtig einstufen", fasst Knaf das Ergebnis zusammen. So könnten Risikopatienten, die bei herkömmlichen Methoden nicht erfaßt würden, leichter erkannt und einer entsprechenden Behandlung unterzogen werden.

Die Software wird derzeit noch in klinischen Studien getestet. Frühestens in einem Jahr, wenn diese abgeschlossen sind, dürfte sie auf den Markt kommen. Dann kann die Software auch Gesunden bei einem Checkup ihr Risiko für einen Herzinfarkt berechnen. Außerdem soll sie der Pharmaindustrie dabei helfen, die Wirksamkeit und optimale Dosierung von Medikamenten in klinischen Studien mit einem minimalen Risiko für die Probanden zu testen – die Entwicklung würde damit schneller vorangetrieben und die Entwicklungskosten würden gesenkt. (Andreas Grote) / (wst)