US-Richter: Kleinanzeigen-Seite ist wohl keine Zuhälterei

US-Sexarbeiter inserieren regelmäßig auf der Kleinanzeigen-Seite Backpage.com. Deren Chef wurde im Oktober verhaftet und wegen Zuhälterei angeklagt. Nun zeichnet sich ein Freispruch ab.

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Screenshot der Backpage-Homepage

Backpage.com gilt in den USA als größte Kleinanzeigenseite nach Craigslist.

(Bild: Screenshot)

Lesezeit: 3 Min.

Die Vermittlung kostenpflichtiger Online-Inserate für sexuelle Dienstleistungen ist in den USA wahrscheinlich nicht strafbar. Das geht aus dem vorläufigen Urteil im Strafprozess California v. Carl Ferrer hervor. Der kalifornische Richter verweist darauf, dass Online-Verleger nicht für die Veröffentlichung der Inhalte Dritter verantwortlich gemacht werden können. Ein abschließendes Urteil dürfte im Dezember ergehen.

Anklägerin Kamala Harris wechselt in den US-Senat.

Die Verteidigung beschuldigt die leitende kalifornische Staatsanwältin Kamala Harris, die Anklage nur zur Unterstützung ihres Wahlkampfes veranlasst zu haben. Die Vorwürfe seien juristisch haltlos. Harris kandidierte für die Demokratische Partei für einen Sitz im US-Senat und wurde am 8. November auch gewählt.

Carl Ferrer leitet die Kleinanzeigen-Seite Backpage.com, die für Inserate von Sexarbeitern bekannt ist. Sexarbeit ist in Kalifornien, wie in fast den gesamten Vereinigten Staaten, illegal. Im Oktober wurde Ferrer verhaftet und von der kalifornischen Staatsanwaltschaft wegen Zuhälterei, Zuhälterei bezüglich Minderjähriger sowie Verschwörung zur Zuhälterei angeklagt. Das sind nach kalifornischem Recht Verbrechen. Letztgenannter Tatbestand wird auch den beiden Hauptaktionären von Backpage.com angelastet.

Doch der Strafrichter hält diese Vorwürfe offensichtlich für so unhaltbar, dass er am Mittwoch, Stunden vor der ersten mündlichen Verhandlung, sein vorläufiges Urteil gefällt hat. Die Verteidigung hatte argumentiert, der in der Anklage behauptete Sachverhalt sei überhaupt nicht strafbar, weshalb die Klage abzuweisen sei. Dieser Ansicht folgt der Richter.

Er verweist auf das Bundesgesetz Communication Decency Act. Es schütze explizit Online-Verleger davor, für die Veröffentlichung der Aussagen Dritter zur Verantwortung gezogen zu werden. "Das Parlament hat sich dazu geäußert, und es obliegt dem Parlament, nicht diesem Gericht, sich neu damit zu befassen", wird in dem Urteil gleich zweimal in Fettdruck hervorgehoben.

Diesen Regeln muss jeder Escort-Inserent auf US-Seiten Backpage.coms zustimmen.

(Bild: Screenshot)

Weil die Veröffentlichung der Aussagen Dritter grundsätzlich legal ist, sei es auch erlaubt, dafür Geld zu nehmen – selbst wenn der Kunde seinerseits Geld mit Sexarbeit verdiene. Die Anklage wollte Ferrer außerdem dafür zur Verantwortung ziehen, dass er weitere Webseiten geschaffen hat, die ausschließlich Werbung für sexuelle Dienstleistungen zeigen. Laut Anklage ist diese Reklame im Wesentlichen identisch mit den auf Backpage.com geschalteten Escort-Anzeigen. Daher, so das vorläufige Urteil, handle es sich um simple Wiederveröffentlichungen der Aussagen Dritter. Also greife für Ferrer und seine Mitangeklagten auch hier der Schutz des Communication Decency Act.

Nach der mündlichen Verhandlung gab der Richter der Staatsanwaltschaft Gelegenheit, einen weiteren Schriftsatz einzureichen. Damit kann sie versuchen, den Richter umzustimmen. Die Verteidigung wird darauf antworten dürfen. Sollte der Richter seine Meinung nicht ändern, möchte er am 9. Dezember das endgültige Urteil fällen.

(ds)