Verkehrssimulation untersucht Unfallursachen
Eine Computersimulation zweier taiwanischer Forscher belebt die Diskussion um ein generelles Tempolimit im Autoverkehr.
Eine Computersimulation zweier taiwanischer Forscher bringt eine neue These in die Diskussion um ein generelles Tempolimit. Das von Ding-wei Huang und Yu-ping Wu an der Chung Yuan Christian University in Taiwan entwickelte Modell zur Simulation von Verkehrsunfällen kommt nämlich zu dem Ergebnis, dass die meisten Autounfälle nicht etwa durch überhöhte Geschwindigkeit, sondern durch einen zu geringen Sicherheitsabstand zum Vordermann entstehen.
Die beiden Wissenschaftler sind sich sicher, dass ihr Modell die bislang realistischste Simulation zur Entstehung von Verkehrsunfällen ermöglicht. Bisherige Modelle orientieren sich hauptsächlich an der Menge der Verkehrsteilnehmer und dem Platz, den sie sich auf der Straße teilen müssen. In diesen Simulationen versuchen die einzelnen Verkehrsteilnehmer in der gewünschten Geschwindigkeit zu fahren. Die Geschwindigkeit der anderen Verkehrsteilnehmer verhindert dies jedoch, da die Modelle auf Unfallvermeidung hin programmiert sind und so von der Annahme ausgehen, daß jeder Verkehrsteilnehmer so vernünftig ist und den Mindestsicherheitsabstand zum Vordermann einhält. Im Ergebnis nehmen die Unfälle in diesem Modellen bei zunehmender Verkehrsdichte zu, was jedoch im totalen Gegensatz gängiger Statistiken steht. Tatsächlich nehmen die Unfälle in der Praxis bei zunehmendem Verkehr ab, weil dann zwangsläufig langsamer und synchron gefahren wird. Durch die unrealistischen Parameter kommen bei diesen Modellen daher auch Unfälle auf freien Straßen mit nur wenigen Verkehrsteilnehmern garnicht vor.
Die beiden taiwanesischen Forscher haben nun ein Zufallselement in das Modell mit eingebaut und der Simulation eine größere Realitätsnähe gegeben, in dem sie verschiedensten Faktoren wie Aggressivität, Telefonieren, Unaufmerksamkeit usw. berücksichtigen. Zwar gilt natürlich immer noch das Prinzip der Unfallvermeidung, doch die Simulation ließ jetzt auch eine Unterschreitung des Mindestabstands zum Vordermann zu.
Unter Berücksichtigung dieser Parameter kam die Simulation zu einem Ergebnis, das sich mit den tatsächlichen Statistiken deckt, nämlich dass bei einem niedrigen Tempolimit die Unfallzahlen dramatisch nach unten gehen, bei einer Erhöhung des Tempolimits dagegen auch die Unfallzahlen ansteigen. Die Forscher betrachten daher den fehlenden Sicherheitsabstand zwischen Fahrzeugen als Hauptursache von Unfällen und erklären sich diesen Umstand damit, dass Autofahrer bei langsamer Fahrt den Abstand zum Vordermann besser einschätzen können, bei schneller Fahrt dagegen tendieren sie dazu, zu dicht aufzufahren, was das Risiko eines Auffahrunfalls erhöht. Allerdings erhöhen sich die Unfallzahlen über Tempo 100 in der Simulation nicht mehr wesentlich. Um die Unfallzahlen zu senken, wäre daher eine drastische Reduzierung der Geschwindigkeitsbegrenzung auf unter Tempo 100 nötig, was jedoch unrealistisch ist. So dürfte die Hoffnung auf der Entwicklung günstiger Abstandswarngeräte liegen.
Als Grundlage fĂĽr ihre Forschung diente das bereits 1992 entwickelte Modell der beiden Physiker Kai Nagel und Michael Schreckenberg das bei Verkehrswissenschaftlern als ein Standardmodell gilt und zur Simulation des StraĂźenverkehrs unter anderem auch in Duisburg und Dallas (USA) zum Einsatz kommt. (Andreas Grote) / (wst)