Hub-Konferenz des Bitkom: Die "New new Economy" boomt

Geschäftsmöglichkeiten mit den jüngsten IT-Trends von Künstlicher Intelligenz bis Virtueller Realität standen im Mittelpunkt der Hub-Konferenz. In der Startup- und Konzern-Praxis knirscht es oft noch beim Kontakt mit der Offline-Welt.

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Hub-Konferenz des Bitkom: Die "New new Economy" boomt
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Wer am Dienstag als einer von mehr als 2000 Besuchern über den ausgedehnten Messe- und Streetfood-Bereich der Hub-Konferenz des IT-Branchenverbands Bitkom in Berlin streifte oder in in das auf drei Bühnen parallel laufende Vortragsprogramm lief, konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die "New new Economy" alias Neue Wirtschaft 4.0 da ist.

Während beim ersten großen Hype rund um Internet-Startups inzwischen trivial erscheinende Webanwendungen wie Online-Auktionen im Vordergrund standen, geht es nun um Geschäftsmöglichkeiten mit Big Data, Künstlicher Intelligenz (KI), Virtueller Realität (VR), Blockchain, Share Economy und 3D-Druck.

Hub-Konferenz 2016 (10 Bilder)

Was Süßes darf es auch für die "New new economy" sein: 3D-Kuchendrucker
(Bild: Stefan Krempl / heise online)

Wie sich möglichst viele dieser Trendfelder besetzen lassen, veranschaulichte Dirk Hoke, Chef der Rüstungs- und Raumfahrtsparte von Airbus. Er berichtete nicht nur über die Experimente des Konzerns mit dem autonomen "Luft-Taxi" Vahana in der geheiligten Startup-Region Silicon Valley, Lieferdrohnen in Singapur oder Elektrofliegern in Kooperation mit Siemens. Auch eine VR-Brille könne man künftig in großen Flugzeugen wie dem A 380 nutzen, kündigte er an, um sich "in ein Kino oder in die 1. Klasse" zu "beamen".

Damit sei es den Reisenden zumindest "rein visuell" möglich, ähnliche Erfahrungen zu machen wie deutlich mehr für ihr Ticket hinlegende Reisegäste, meinte Hoke. Er musste allerdings einräumen, dass die vorgespiegelte Vision schon beim Versuch, die Beine auszustrecken, an physische Grenzen stoßen werde.

Doch da waren noch die pro Flugzeug pro Tag anfallenden 2,5 Terabyte Daten, die den Airbus-Manager ins Schwärmen brachten. Auch mit diesem neuen Reichtum an Bits und Bytes seien viele Zusatzdienste denkbar wie eine "Fast Lane" für zu spät kommende Reisewillige. Generell ging der Luftfahrtexperte davon aus, dass in den nächsten 15 bis 20 Jahren individuelle Verbindungen etwa über Anschlussflüge per Helikopter ins Stadtzentrum und Massentransport intelligent verbunden würden. Er verwies auch auf deutlich transparentere Flugzeugkonstruktionen mit umfassender Aussicht, die mit 3D-Druck greifbar würden.

Schwerer zu knacken sind neue technische Einsatzfelder für Durchstarter im Bereich "Smart City". Sebastian Jagsch von der Firma Eluminocity zeigte sich zwar überzeugt davon, dass man mit vernetzten Straßenlaternen in der Lage sei, vergleichsweise einfach "viel zu ändern". Die bisherigen Ausrüster wie Stadtwerke könnten mit den ganzen Zusatzdiensten wie Parkplatzmanagement oder Stromtankstellen jedoch zunächst wenig anfangen. Gründer müssten daher ihr Einmaleins absolut beherrschen, ein Problem zu finden, zu lösen und dies verständlich gegenüber der Verwaltung zu kommunizieren.

Zhengliang Wu von Green City Solutions warb dafür, möglichst viele Sensoren in die Stadt bringen. Was man damit machen sollte, außer zunächst möglichst viele Daten zu sammeln, wusste er aber nicht gleich zu sagen. Sein Unternehmen hat einen "City Tree³, entwickelt, der nach Wus Angaben die Fähigkeit spezieller Mooskulturen nutzt, um die Luftverschmutzung in städtischen Gebieten zu reduzieren. Dazukommen könnten Solarpanels, wie dies in Singapur schon vorgeschrieben sei. "Wir müssen einen Schritt zurückgehen und beachten, was die Natur über Jahrhunderte hinweg entwickelt hat", unterstrich der Techniker. Spinat etwa könne helfen, explosive Stoffe aufzuspüren.

"Agenden und Akteure passen oft nicht zusammen", sang Karoline Bader von Parkpocket ein Lied von fehlender Abstimmung bei der Stadtplanung. Das Zuständigkeits- und Strategiewirrwarr fange bei der Parkbewirtschaftung an, in die ihre Firma mehr Transparenz bringen wolle, sei aber etwa bei Einsatzplänen für elektrische Autos noch viel größer.

Der weitere Kurs bei KI war unter Podiumsmitstreitern nicht ausgemacht. Christian Thurau von 20 Billion Neurons prognostizierte, dass Computer schon "in fünf bis zehn Jahren" beim Kontextverständnis aufholten. Rechner könnten so bald CT- oder Röntgenbilder viel schneller analysieren als der Mensch. Viele Aufgaben etwa im medizinischen Bereich stünden kurz davor, automatisiert zu werden.

Trotz Erfolgen bei Deep Learning sehe er dies "in nächster Zeit nicht", hielt Tarek Besold, KI-Forscher an der Universität Bremen, dem entgegen. Computern fehle nach wie vor ein "Basisverständnis von physikalischer Objektwelt", sodass ihre Erkenntnisfähigkeit noch lange nicht ernsthaft in die Nähe der menschlichen komme. Prinzipiell habe es in der KI-Architektur in den vergangenen Jahren nur geringfügige Änderungen gegeben, konstatierte Rasmus Rothe von der Firma Merantix. Einen "gigantischen Durchbruch" könne er nicht ausmachen. Trotzdem reiche die Entwicklung aus, um den Menschen in einigen Disziplinen zu überflügeln und damit das Medieninteresse auf sich zu ziehen.

Zuvor hatte Bitkom-Präsident Thorsten Dirks ganz im Valley-Stil die Parole des "disruptiven", nicht schrittweise erfolgenden Wandels von analog zu digital ausgegeben. Dabei stelle sich aber etwa auch die Frage, wie der Einschluss möglichst der ganzen Gesellschaft sicherzustellen sei. Der scheidende Telefonica-Chef betonte: "Wir müssen unsere Verantwortung als Unternehmer wahrnehmen."

Als Ex-Manager von Vodafone machte der jetzige TUI-Chef Friedrich Joussen mit einem Blick von außen auf die IT die Blockchain als "das nächste große Ding" aus. Die Technik für abgesicherte dezentrale Datenbankregister "verteile das Wissen" und mache endgültig Schluss mit hierarchischen Strukturen. Joussen freute sich zugleich, als Außenstehender endlich laut sagen zu dürfen, dass "die Netzneutralität kein gutes Modell ist". Sie verhindere die "vertikale Integration" und damit vor allem, dass mehr Geld von den Inhalteanbietern zu den Netzbetreibern fließe. Auch mit dem neuen europäischen Roaming-Ansatz stehe er auf Kriegsfuß. (jk)