Tatort Internet: Kinderpornografie und Rassismus nehmen zu

Nach Ansicht von Bundeskriminalamt und Justiz nehmen Kinderpornografie und Rassismus im Internet immer stärker zu.

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Von
  • Frank Senger
  • dpa

Wenn der Kriminalhauptkommissar Holger Kind über Kinderpornografie im Internet berichtet, ist er von einer Zahl sichtlich berührt. Rund 840.000 Zugriffe auf eine einzige Homepage mit 60 kinderpornografischen Fotos zählte das Bundeskriminalamt (BKA) im Sommer dieses Jahres – an nur einem Tag. Selbst wenn jeder einzelne Nutzer tatsächlich jedes der Fotos angeklickt hätte, dann hätten noch immer etwa 14.000 Surfer diese Seite besucht, rechnete der Beamte vom BKA auf einer Tagung am gestrigen Donnerstagabend in Mainz vor. In "einschlägigen Internetzirkeln" sei zuvor massiv für diese Homepage geworben worden, die vom ahnungslosen Internetprovider daraufhin gesperrt wurde.

Die Kinderpornografie im Internet sei mit der enormen Expansion des World Wide Web seit Mitte der neunziger Jahre inzwischen zu einem "Massendelikt" geworden, sagt Kind, der seit sechs Jahren kinderpornografische Medien auswertet. Im vergangenen Jahr habe das BKA rund 2.100 solcher Angebote im Internet entdeckt. Eine eigens zur Verfolgung dieser Straftaten gegründete BKA-Abteilung habe im Vergleich zu 1998 rund 1.000 dieser Homepages zusätzlich aufgespürt. Eine zuverlässige Dunkelziffer solcher kriminellen Angebote gebe es nicht, jedoch sei diese bei mehreren hundert Millionen Internetseiten weltweit vermutlich sehr hoch.

In dieser vermeintlichen Anonymität des weltumspannenden Netzes wähnen sich Anbieter und Kunden in Sicherheit. Zahlreiche vom Ausland eingespeiste Angebote erschweren den deutschen Behörden die Strafverfolgung. Nach Erkenntnissen des BKA stammen knapp 15 Prozent der an deutsche Konsumenten gerichteten Angebote auch tatsächlich aus der Bundesrepublik. Fast die Hälfte der vom BKA im vergangenen Jahr ermittelten Homepages würden dagegen über amerikanische Provider angeboten, obwohl auch in den USA Kinderpornografie strafbar sei.

Die Verfolgung der Täter in den USA von der amerikanischen Polizei werde von den deutschen Beamten mit Hinweisen auf entsprechende Angebote unterstützt und sei zudem problemlos, betont Kind. Jedoch sei die eigenständige Ermittlung von deutschen Behörden durch Rechtshilfeersuchen weiterhin sehr bürokratisch und aufwändig. Das beklagt auch der rheinland-pfälzische Justizminister Herbert Mertin (FDP). Vernehmungen von Opfern und Zeugen im Ausland müssten auf diplomatischem Weg angefordert und übermittelt werden. Mit einigen Staaten in Latein- oder Südamerika gebe es bislang noch überhaupt keine Verträge über die Rechtshilfe bei Straftaten, sodass Ermittlungen in diesen Ländern nahezu unmöglich seien.

Besondere Schwierigkeiten in den USA bereitet deutschen Behörden vor allem die Suche nach Anbietern nationalsozialistischer Propaganda. Die Mainzer Zentralstelle der 16 Bundesländer für den Jugendschutz im Internet, jugendschutz.net, beanstandete in diesem Jahr rund 2.000 jugendgefährdende Homepages, von denen mehrere hundert rassistische Inhalte hatten. Von diesen oftmals sehr professionell gestalteten Seiten stammten die meisten aus den USA, die dort wegen der Meinungsfreiheit geschützt seien, berichtet Friedemann Schindler von jugendschutz.net. Jedoch habe auch die Zahl kinderpornografischer Angebote stark zugenommen. Von den 150, dem BKA gemeldeten Angeboten enthielten die meisten solche Bilder.

Die Fotos missbrauchter Kinder werden von den Kunden nach Erkenntnissen des BKA in der Regel zu mehreren tausend "gesammelt". Server mit bis zu 70.000 Bildern seien keine Seltenheit, meinte Kind. In speziellen Internet-Communitys würden die Aufnahmen wie Briefmarken zumeist kostenlos untereinander getauscht. Nur selten seien die Anbieter organisiert und verfolgten mit dem Handel kommerzielle Interessen. Zudem fehle den Tätern oftmals jegliches Schuldbewusstsein. Zahlreiche der rund 1.900 im vergangenen Jahr wegen Besitzes oder Verbreitung von Fotos gefassten Täter, von denen mehr als 96 Prozent Männer seien, hätten Neugier als Motiv angegeben. (Frank Senger, dpa) / (jk)