Plattformen: Deutschland soll mit "Smart Services" auftrumpfen

Das Bundeswirtschaftsministerium hat das Förderprogramm "Smart Service Welt II" mit einem Gesamtvolumen von rund 100 Millionen Euro gestartet. Schwerpunkte sind Beschäftigung, Mobilität, Wohnen und Grundversorgung.

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Industrie 4.0

(Bild: dpa, Bernd Weißbrod/Archiv)

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"Wir denken in Deutschland bei Industrie 4.0 immer noch zu sehr von den Produkten und Maschinen her und zu wenig von der Seite der Nutzer und seinen Bedürfnissen ausgehend", weiß Henning Kagermann, Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften Acatech. Mit einem neu aufgelegten Förderprogramm des Bundeswirtschaftsministeriums soll sich das ändern. Das Programm "Smart Service Welt II" soll Projekte für eine plattformgetriebene Dienstleistungswelt in den Bereichen Beschäftigung, Mobilität, Wohnen und Grundversorgung unterstützen.

Das Wirtschaftsressort setzt dafür 50 Millionen ein, genauso viel sollen die Partner aus der Wirtschaft einbringen, die den Zuschlag erhalten. Projektskizzen können bis zum 9. Februar 2017 beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) eingereicht werden, anlaufen sollen die Vorhaben spätestens im Frühjahr 2018. Das Ministerium schreibt damit das mit gleichen Mitteln ausgestattete Vorgängerprogramm fort, für das Hausherr Sigmar Gabriel (SPD) auf dem IT-Gipfel 2014 den Startschuss gegeben hatte. Insgesamt sollen so 200 Millionen Euro mobilisiert werden.

Bei dem noch laufenden Programm "Smart Service Welt I" stehen Bereiche wie Produktion, Gesundheits- und andere Bürgerdienste sowie zentrale Querschnittstechnologien der Plattformökonomie im Vordergrund. Die Beteiligten an den ersten 20 Förderprojekten, die sich am Freitag auf einer Konferenz in Berlin präsentierten, suchen nach optimalen Düngestrategien für bessere Ernteerträge, intelligente Einsatzpläne für Servicetechniker oder einfacheren Wegen durch den Verkehrsdschungel genauso wie nach Lösungen zur Vernetzung von Ärzten bei der Behandlung chronisch kranker Patienten.

"Die Entwicklung von Geschäftsmodellen ist in vielen Projekten schon angelaufen", berichtete der Leiter der Begleitforschung, Steffen Wischmann. Es würden häufig bereits "viele Daten generiert", wobei aber oft noch unklar sei, wie diese genutzt werden könnten und dürften. Man werde nun gemeinsam mit Rechtsexperten an konkreten Anwendungsbeispielen durchdiskutieren, ob etwa ein Haftungsrahmen schon existiere oder wo man nachbessern müsste. Die Dienste-Initiative gehe hier etwa beim Nutzungs- und IT-Recht weiter als ergänzende Programme wie Smart Data oder Autonomik 4.0.

Laut Alexander Tettenborn vom Wirtschaftsressort soll es die Neuauflage vor allem dem Mittelstand ermöglichen, "die Dinge auszuprobieren". Acatech habe Hinweise auf die Felder gegeben, die "stärker beleuchtet werden sollten" und wie kleine und mittlere Unternehmen "die richtige Information zum richtigen Zeitpunkt erhalten" könnten. Da dies in den Bildungsbereich hineinreiche, solle das dort angesiedelte Projekt Industrial Data Space integriert werden. Schon früh sei bei einer Studienreise ins Silicon Valley klargeworden: "Finger weg von Handel und Finanzen". Dort laufe die Entwicklung superschnell, sodass hiesige Firmen nur hinterher hecheln könnten.

Eine aktuelle Studie im Auftrag von Acatech hat durch Interviews mit über 150 Fachleuten aus Deutschland, China, Japan, Südkorea, Großbritannien und den USA ergeben, dass diese die Produktionsoptimierung sehr häufig zu den größten ökonomischen Chancen der Industrie 4.0 zählen. Die Rolle, die eine verbesserte Kundenbetreuung spielen könnte, nannten hier vor allem Fachleute aus China, Südkorea und den USA, während Deutschland, Großbritannien und Japan diese als weniger wichtig erachteten. Das größte wirtschaftliche Risiko für die vernetzte Industrie sehen die Befragten durch die Bank in der Datensicherheit. 78 Prozent der Befragten in Deutschland und 91 Prozent in Südkorea glauben, dass es an gemeinsamen Standards hapert. (vbr)