Polit-Spam aus Österreich: Behörden verletzen Meldepflicht

Ein Kandidat zur österreichischen Bundespräsidentenwahl hat Auslandsösterreicher mit einer Massenmail bedacht. Die E-Mail-Adressen dafür kamen von Behörden, die ihre Meldepflichten bei der Datenschutzbehörde übersehen haben dürften.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 100 Kommentare lesen
Weißes Gebäude

Der österreichische Bundespräsident wird direkt vom Volk gewählt. Im Leopoldinischen Trakt der Wiener Hofburg hat er seinen Amtssitz. 

(Bild: Klaus with K CC-BY-SA 3.0)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Am 4. Dezember wählen die Österreicher einen neuen Bundespräsidenten. Es ist der zweite Anlauf zu einer Stichwahl zwischen dem FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer und dem als parteilos antretenden Alexander Van der Bellen, einst SPÖ-Mitglied und später Bundessprecher der Grünen. FPÖ-Kandidat Hofer machte diese Woche durch Spam von sich reden. Er schickte Wahlwerbung per E-Mail an Zehntausende Auslandsösterreicher. Die Adressen kamen vom Innenministerium. Weder das Ministerium noch die Gemeinden dürften die Preisgabe der Adressen der Datenschutzbehörde gemeldet haben.

E-Mails für Direktwerbung sind ohne vorherige Zustimmung des Empfängers verboten. Das Telekommunikationsgesetz (TKG 2003) bezeichnet sie als "unerbetene Nachrichten". Unabhängig vom Inhalt sind Mails rechtswidrig, wenn sie an mehr als 50 Empfänger gehen, die vorher nicht eingewilligt haben. Eine Ausnahme für Wahlwerbung kennt das TKG 2003 nicht. Bei Hofers Kampagne gingen zwischen 30.000 und 40.000 E-Mails raus.

Paragraph 107 Absatz 2 Telekommunikationsgesetz 2003 lautet:
(2) Die Zusendung einer elektronischen Post – einschließlich SMS – ist ohne vorherige Einwilligung des Empfängers unzulässig, wenn
1. die Zusendung zu Zwecken der Direktwerbung erfolgt oder
2. an mehr als 50 Empfänger gerichtet ist.

Betroffene können formlos Anzeige beim Fernmeldebüro für Wien, Niederösterreich und das Burgenland erstatten. Die Verwaltungsstrafe beträgt bis zu 37.000 Euro je E-Mail. Je nach Rechtslage im Empfängerland könnte auch dort Anzeige erstattet werden.

FPÖ-Kandidat Norbert Hofer

(Bild: Franz Johann Morgenbesser CC-BY-SA 2.0)

Außerdem dürfte der Absender österreichisches Datenschutzrecht verletzt haben. Denn in der heise online vorliegenden Version der Massenmail fehlt die gesetzlich vorgeschriebene Offenlegung. Nach Paragraph 25 Datenschutzgesetz 2000 muss der Absender die Quelle der Daten, seine Identität und seine Nummer im Datenverarbeitungsregister (DVR-Nummer) anführen. Betroffene können sich formlos bei der österreichischen Datenschutzbehörde beschweren.

Weil diese Daten fehlen, ist unklar, ob rechtlich gesehen Hofer selbst, seine Partei oder sein für Wahlangelegenheiten zuständiger Mitarbeiter ("Zustellungsbevollmächtigter") der Absender ist. Daher konnte heise online bislang nicht überprüfen, ob der Absender die Verarbeitung der E-Mail-Adressen ordnungsgemäß der Datenschutzbehörde gemeldet hatte. Sollte das nicht der Fall sein, drohen auch hier Verwaltungsstrafen von bis zu 10.000 Euro.

Die Quelle der Daten ist indes bekannt: Es handelt sich um das österreichische Innenministerium. Bei der Eintragung ins Wählerverzeichnis können Auslandsösterreicher ihrer Gemeinde freiwillig auch eine E-Mail-Adresse nennen. In aller Regel müssen die Gemeinden dem Innenministerium eine Kopie ihres Wählerverzeichnisses übermitteln.

Und sowohl die Gemeinden als auch das Innenministerium müssen den im Nationalrat vertretenen Parteien auf Anfrage eine Abschrift des Wählerverzeichnisses übermitteln. Für die aktuelle Stichwahl haben zudem die Zustellungsbevollmächtigten der beiden Kandidaten das Recht auf eine Abschrift.

Bis 2008 war Aleander van der Bellen Bundessprecher der Grünen. Er tritt offiziell als unabhängiger Kandidat an.

(Bild: Ailura CC-BY-SA 3.0)

Allerdings muss jede Gemeinde vor der erstmaligen Übermittlung der E-Mail-Adressen an das Innenministerium Meldung an die Datenschutzbehörde erstatten. Diese Meldung würde dann im Datenverarbeitungsregister gespeichert. In Österreich gibt es über 2000 Gemeinden. Bei Stichproben konnte heise online im österreichischen Datenverarbeitungsregister keine Gemeinde finden, die diese Meldepflicht erfüllt hat.

Die Übermittlung zahlreicher anderer Daten aus dem Wählerverzeichnis an das Innenministerium sowie an die Parteien und Zustellungsbevollmächtigten ist übrigens nicht meldepflichtig. Der Bundeskanzler hat das mit der Standard- und Muster-Verordnung 2004 (StMV 2004) zur meldefreien Standardanwendung 11 erklärt. Die Übermittlung der E-Mail-Adressen der Auslandsösterreicher ist davon aber ausdrücklich nicht erfasst.

Daher hätte wohl auch das Innenministerium vor der erstmaligen Preisgabe der E-Mail-Adressen bei der Datenschutzbehörde vorstellig werden müssen. Tatsächlich hat das Ministerium eine Datenanwendung "Zentrale Wählerevidenz" im DVR registriert. Sie ist allerdings vom 2. August 1990.

Was genau gemeldet wurde, verrät das Online-Register nicht. Alte Akten werden nicht digitalisiert. Doch kann davon ausgegangen werden, dass 1990 die zukünftige Übermittlung von E-Mail-Adressen nicht gemeldet wurde.

heise online hat das Innenministerium sowie Hofers stellvertretenden Zustellungsbevollmächtigten Herbert Kickl um Stellungnahme bezüglich der Datenschutzbestimmungen gebeten. Zum Vorwurf des Spammens hat sich Kickl in einer Aussendung geäußert. Er meint, die E-Mail-Adressen "zu Informationszwecken" bekommen zu haben: "Mit E-Mail-Adressen kann man nichts anderes machen, als E-Mails zu verschicken. Warum sendet uns das Innenministerium E-Mail-Adressen von Auslandsösterreichern zur Wahlinformation, wenn zugleich das Versenden von E-Mails nicht erlaubt sein soll?"

Kandidat Hofer selbst rechtfertigte sich im ORF-Radio damit, dass niemand die Mails lesen müsse. Außerdem hätten sich manche Empfänger gefreut. Potenzielle Wähler per Post anzusprechen ist übrigens erlaubt. Dagegen können sie sich rechtlich nicht wehren. (ds)