Polit-Spam: Österreichs Fernmeldebehörde will ermitteln

Eine österreichische Behörde möchte gegen zwei rechte Politiker wegen Spam ermitteln. Für ihren Bundespräsidenten-Wahlkampf haben sie zehntausende unerbetene E-Mails an Auslandsösterreicher verschickt.

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Weißes Gebäude mit Terrasse

Der Amssitz des österreichischen Bundespräsidenten ist derzeit verwaist.

(Bild: MrPanyGoff CC-BY SA 3.0)

Lesezeit: 4 Min.

Eine österreichische Verwaltungsbehörde möchte wegen Spam-Versands gegen FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache und seinen Parteikollegen Norbert Hofer ermitteln. Beide genießen als Abgeordnete zum Nationalrat [Erste Kammer des österreichischen Parlaments, Anm. d. Red.] Immunität. Das zuständige Fernmeldebüro für Wien, Niederösterreich und das Burgenland hat daher beim Nationalrat die Aufhebung der Immunität der beiden Männer beantragt. [Update 30.11.2016, 16:42 h]: Das Fernmeldebüro hat seinen Antrag zurückgezogen. Details siehe unten.[/Update]

Hofer tritt in der für Sonntag angesetzten Stichwahl zum Amt des Bundespräsidenten gegen den offiziell unabhängigen Alexander van der Bellen an. In Österreich wird das Staatsoberhaupt direkt vom Volk gewählt, wobei auch alle im Ausland lebenden Staatsbürger aktiv wahlberechtigt sind (Mindestalter 16 Jahre). Im Rahmen seines Wahlkampfs hat Hofer einen Werbebrief an 30.000 bis 40.000 Auslandsösterreicher per E-Mail schicken lassen.

Elektronische Werbemitteilungen ohne vorherige Zustimmung der Empfänger sind "unerbetene Nachrichten" und ein Verstoß gegen das Spam-Verbot des österreichischen Telekommunikationsgesetzes. Pro Verstoß droht eine Strafe von bis zu 37.000 Euro. Betroffene können formlos Anzeige beim genannten Fernmeldebüro erstatten. Wahlwerbung auf Papier per Post zu versenden ist in Österreich legal.

Die Immunitätsbestimmungen sollen Nationalratsabgeordnete davor schützen, für ihre politische Betätigung belangt zu werden. Der Schutz wird in der Praxis dann gewährt, wenn es sich um politische Tätigkeit in Zusammenhang mit dem Nationalratsmandat handelt. Für anderweitig politische Taten genießen Abgeordnete in der Regel keinen Schutz. Das wird an zwei Spam-Präzedenzfällen deutlich:

NEOS-Chef Strolz wurde wegen SMS-Spam ausgeliefert.

(Bild: NEOS)

Matthias Strolz, Nationalratsabgeordneter und Vorsitzender der liberalen Partei NEOS, wurde vergangenes Jahr ausgeliefert. Seine Partei hatte am Wahltag der Stadt Wien Massen-SMS mit der Aufforderung verschickt, zur Wahl zu gehen. Das war zwar eine politische Tat, sie stand aber nicht in ausreichendem Zusammenhang mit Strolz' Nationalratsmandat.

Umgekehrt wird der parteifreie Abgeordnete Marcus Franz wohl nicht ausgeliefert. Er hatte den übrigen 182 Nationalratsabgeordneten per E-Mail sein Blog empfohlen. Einer der Empfänger zeigte Franz an. Doch vorige Woche hat der Immunitätsausschuss des Nationalrats einstimmig dem Nationalrat empfohlen, Franz nicht auszuliefern. Der Zusammenhang mit der Tätigkeit als Nationalratsabgeordneter ist deutlich.

Die FPÖ gibt die aktuellen Wahlwerbemails zu, ist sich aber keiner Schuld bewusst: Die Adressen habe sie legal aus dem Wählerverzeichnis entnommen, und niemand werde gezwungen, die Reklame zu lesen, meinen die Politiker. Der Absender im juristischen Sinn ist aber noch zu ermitteln. Laut Datenschutzgesetz muss die Aussendung den Absender, dessen Nummer im Datenverarbeitungsregister (DVR) sowie die Quelle der Daten nennen. Diese Offenlegung fehlt in Hofers Massenmail.

Rathaus der Stadtgemeinde Pinkafeld, daneben römisch-katholische Pfarrkirche

Für fehlende Offenlegungen sieht das Datenschutzgesetz bis zu 10.000 Euro Verwaltungsstrafe vor. Zuständig für das Verfahren wären die Stadtgemeinde Pinkafeld (sofern Hofer selbst als Absender gilt) beziehungsweise das Bezirksamt Wien Innere Stadt (Strache). Ob bei diesen Behörden Anzeigen eingegangen sind und sie ebenfalls die Aufhebung der Immunität beantragt haben, ist bislang nicht bekannt.

Die Datenschutzbehörde kann direkt keine Strafe verhängen. Sie ist auf die Feststellung etwaiger Rechtsverletzungen und "Empfehlungen" zu korrektem Verhalten beschränkt. Weil das keine Strafe ist, greift die Immunität nicht. Nur wenn ein Täter einer individuellen Empfehlung nicht Folge leistet, kann die Datenschutzbehörde ein Gerichtsverfahren anstrengen.

[Update 30.11.2016, 16:42 h]: Auslieferungsantrag zurückgezogen

Das Fernmeldebüro hat den Antrag auf Auslieferung Straches und Hofers zurückgezogen. Grund dafür ist laut ORF eine Mitteilung der FPÖ, wonach deren Bundesgeschäftsführer Hans Weixelbaum formal für den Versand der Reklamemails verantwortlich sei. Der Parteifunktionär ist kein Nationalratsabgeordneter und somit nicht immun. Daher kann die Behörde sofort gegen ihn ermitteln.[/Update] (ds)