Wie MyTube und Microsoft meinen Arbeitsplatz ruinieren

Eigentlich kauft man ja einen neuen Rechner, damit alles besser wird. Doch scheinen die aktuellen Tendenzen bei Hard- und Software wieder nur zu beweisen, dass wir immer mehr zum Volk von Spielern und Konsumenten werden.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Nicolai Josuttis

Ich habe mir letzten Monat einen neuen Rechner zugelegt. Nachdem mein letzter Laptop 4 Jahre gehalten hatte, dachte ich, es wird mal wieder Zeit für ein Update. Auf diese Weise wollte ich zumindest sicherstellen, dass ich für mein Hauptarbeitsgerät einen 24h-Vor-Ort-Service habe. Und ich ging natürlich von einer Geschwindigkeitsverdoppelung bei gleichem Preis aus. Doch Probleme gab es an Stellen, mit denen ich überhaupt nicht gerechnet hatte.

Mein erstes Problem war das Bildschirmformat. Irgendwie ist es nur noch mit größten Schwierigkeiten möglich, keinen Wide-Screen-Laptop zu bekommen. Mein bevorzugter Hersteller bot zwar bei einzelnen Laptops auch das alte 4:3 Format an, allerdings dann nur mit eingeschränktem Vor-Ort-Service. Und so richtig das Neueste war das dann auch nicht. Tja, mein Arbeitsgerät ist halt inzwischen zum Konsumgut geworden. Und deshalb bestimmen nun Spielfilm- und Videoformate den Massenmarkt. Also entschied ich mich bei gleicher Bildschirmdiagonale (14 Zoll), auf Breitbild umzusteigen.

Als nächstes stellte sich die Frage nach dem Betriebssystem. Hier muss ich ja bekennen, dass ich ein Mainstream-Jünger bin und mangels Zeit für Experimente einfach den Microsoft-Massenmarkt nutze (von Feedback der Form "sind doch keine Experimente, im Gegenteil mit Mac/UNIX geht doch alles viel einfacher" bitte ich abzusehen). Fragt sich nur, ob Vista oder XP. Mein freundlicher Hersteller empfahl ja Vista, doch meinte ich eine gewisse Erleichterung bei meinem Wunsch herauszuhören, dass ich das Risiko nicht eingehen will und bei XP bleibe. Schließlich muss er dafür ja Support geben.

Bliebe noch die Frage, welches Office ich verwende. Ich kam ja nach wie vor mit meinem Office 97 prima zurecht. Aber OK, irgendwann muss man ja mal wechseln, warum also nicht jetzt. Und schon war Office 2007 OEM mit dabei.

Ich könnte jetzt viel darüber erzählen, was es mich dann an Schweiß und Zeit gekostet hat, die Office-Bedienoberfläche an meine Bedürfnisse anzupassen und meine ganzen Schulungsfolien umzustellen. Ein Rückwärtskompatibilitätsmodus wird dafür nämlich nicht angeboten. Wobei ich mich durchaus bemüht habe, mich auf die neue "Fluent-Oberfläche" und das neue Konzept der "Kontext-Tools" einzulassen. Man muss halt nur darauf achten, dass man immer die richtigen Elemente angeklickt hat, damit der Befehl, den man benötigt, auch angeboten wird. (Irgendwie hab ich bei den Grundlagen zu Benutzerergonomie zwar mal gelernt, dass man den Anwender nicht dadurch verwirren sollte, dass Symbole und Befehle nicht immer an den gleichen Stellen liegen, aber das Prinzip wird bei Windows ja auch schon bei den sich selbst konfigurierenden Menüs torpediert.)

Tragischer ist, dass es meine beiden wichtigsten Buttons zum Layouten von Folien nicht mehr gibt (Zeilenabstand verkleinern oder vergrößern). Stattdessen muss man jetzt über einen komplizierten Dialog den "Zeilenabstandsfaktor" eingeben. Hier bin ich doch etwas überrascht, dass man in einer neuen Version bisher vorhandene Befehle komplett entfernt (solch einen Mangel an Rückwärtskompatibilität hätte ich Microsoft nicht zugetraut). Ich bin allerdings kurz davor, dafür einen Bug einzustellen.

Die größte Katastrophe ist aber, dass man seine Befehle und Befehlsgruppen nicht mehr uneingeschränkt selbst konfigurieren und platzieren kann. Für eine eigene Symbolleiste gibt es nur noch eine Zeile, die zudem im Gegensatz zu den früheren Symbolleisten nicht mehr links oder rechts neben die Dokumente plaziert werden kann. Zusätzlich bietet Office dafür nun mehrzeilige Register, die aber ebenfalls grundsätzlich nur über dem zu bearbeitenden Dokument plaziert werden können.

Die Kombination des Umstiegs auf Breitbildschirme und Office 2007 hat deshalb zumindest bei Word fatale Konsequenzen. Beim Editieren von Word-Dokumenten ergibt sich konkret folgender Effekt:

  • Die Umstellung des Bildschirmformats reduziert die Höhe des zu editierenden Dokumentes um etwa 14 Prozent (von 1400x1050 auf 1440x900 Pixel).
  • Durch die Tatsache, dass Office 2007 nun die Bediensymbole zwingend und mehrzeilig über dem Dokument platziert gehen noch einmal etwa 10% Bildschirmhöhe verloren.

Im Endeffekt stehen mir beim Bearbeiten von Word-Dokumenten damit nur noch 75% des Platzes zur Verfügung, den ich vorher hatte. Um eine volle DIN-A4-Seite ganzseitig zu editieren, muss deren Darstellung im Vergleich zu früher also mit 25% weniger Platz auskommen. Damit ist aber eine kritische Größe überschritten (zumindest bei meinen Augen). Sprich: Ich kann Word-Dateien nicht mehr ganzseitig editieren.

Dieses Beispiel zeigt einmal mehr, dass erst die Kombination von mehreren unglücklichen Tendenzen zu wirklichem Schwachsinn führt. Obwohl ich ja nicht so ganz verstehe, wieso man bei Microsoft auf die geänderten Bildschirmformate nicht Rücksicht nehmen kann. Das muss doch jemandem, der Word-Dokumente erstellt, auffallen, oder?

Obwohl – vielleicht wird bei Microsoft wie überall sonst ja auch einfach nicht mehr mit Word gearbeitet. Denn bei Power-Point, das ja bekanntlich Dokumente im Querformat hat, ist der Effekt nicht ganz so fatal. Im Grunde ist das alles also vermutlich nur ein Ausdruck unseres Zeitgeistes. Wer schreibt heutzutage noch Texte? Zumal ja wirklich niemand mehr ausführliche Texte liest. Ein paar Folien und eine Video-Animation erklären und verkaufen doch alles wie von selbst. ()