Wozu noch Projektleiter?

In der agilen Ecke, und ganz speziell in der Scrum-Ecke, werden immer mehr Stimmen laut, die die Abschaffung des Projektleiters fordern.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Jutta Eckstein

Zunächst möchte ich einmal beleuchten, woher diese Stimmen kommen: Scrum kennt als tragende Rollen ja den Scrum Master und den Product Owner:

  • Die Aufgabe des Scrum Masters ist in der Hauptsache, dafür zu sorgen, dass das Team in Ruhe arbeiten kann. Konkret bedeutet dies, dass der Scrum Master dafür sorgt, dass der Prozess eingehalten wird bzw. zweckdienlich ist, eventuelle Probleme ausgeräumt bzw. eskaliert werden und ansonsten das Team vor Unterbrechungen von außen geschützt wird. Vor allem letzteres ist oftmals essenziell, da es doch immer wieder vorkommt, dass ein Team deshalb nicht in der Lage ist, die Software rechtzeitig zu liefern, weil ständig jemand das Team auffordert an etwas anderem zu arbeiten. Da der Scrum Master somit als eine Art Teamsprecher fungiert, ist diese Rolle typischerweise mit einer vom Team anerkannten technischen Führungsperson besetzt, d.h. mit einem Senior- oder Chefentwickler oder einem Architekten. Vor diesem Hintergrund stellt der Scrum Master typischerweise auch die einheitliche technische Sicht auf das Projekt sicher.
  • Die andere Schlüsselrolle in Scrum ist der Product Owner. Der Product Owner steuert das Team darüber, dass er die Funktionalitäten am höchsten priorisiert, die (zum aktuellen Zeitpunkt) den maximalen Geschäftswert bieten. Auf diese Weise ist der Product Owner verantwortlich dafür, dass das Richtige entwickelt wird. Dies auch unter der Berücksichtigung, dass er bei der Priorisierung technische Abhängigkeiten der Funktionalitäten untereinander sowie mögliche Risiken mit in Betracht zieht. Die technischen Abhängigkeiten und Risiken müssen vom Team (meist durch den Scrum Master) dem Product Owner benannt werden. Die letztendliche Entscheidung über die Priorisierung der Funktionalitäten obliegt jedoch dem Product Owner. Auf Basis dieser Aufgaben ist der Product Owner derjenige, der die Business-Sicht auf das Projekt sicherstellt.
  • Damit nachher keiner sagt, ich würde die dritte, nicht ganz unerhebliche Rolle unterschlagen: Scrum kennt als weitere Rolle noch das Team, welches in Eigenverantwortung – ausgesteuert durch den Product Owner und "beschützt" durch den Scrum Master – die Funktionalitäten in der versprochenen Zeit fertigstellt.

Wie gesagt: Nun werden in der Scrum Community Stimmen laut, die die Meinung vertreten, dass der Product Owner auch noch die Rolle des Projektleiters übernehmen sollte. Nur nebenbei – ich habe übrigens auch schon die Meinung gehört, dass der Scrum Master besser dafür geeignet sei, allerdings wird dieser Meinung vom anderen Lager widersprochen, da der Projektleiter typischerweise ja auch Budget-Verantwortung hat, und diese passt nun nicht wirklich zum definierten Verantwortungsbereich des Scrum Masters. Nun denn, dadurch dass der Product Owner die Business-Sicht auf das Projekt hat, liegt die Budget-Verantwortung eventuell sowieso bei ihm, deshalb ist die Frage natürlich berechtigt, wozu es denn dann noch einen Projektleiter braucht.

Das größte Problem, das ich bei der Verschmelzung Product Owner und Projektleiter sehe, ist ehrlich gesagt das zeitliche. Die agilen Prozesse und damit auch Scrum, sprechen ja alle von nachhaltiger Entwicklung, d.h. davon, dass man seine Arbeit in der regulären Zeit fertigstellen sollte und nicht darüberhinaus, d.h. Überstunden sind tabu. Das funktioniert in den meisten agilen Teams auch wunderbar, mit Ausnahme einer Person – dem Product Owner. Die Business-Sicht erfordert nämlich vom Product Owner, dass er sowohl beim Kunden ständig präsent ist, um herauszufinden, wie denn nun gerade der Geschäftswert maximiert werden kann und andererseits muss er auch ständig beim Team präsent sein, um dem Team die Funktionalitäten näher zu bringen und die Lieferungen abzunehmen. Diese Verantwortung bedeutet häufig, dass der Product Owner Mühe hat, seine Arbeit in der regulären Zeit zu erledigen. Wenn er nun noch zusätzlich die Rolle des Projektleiters übernimmt, d.h. alle organisatorischen Aufgaben, so bleibt irgendetwas anderes auf der Strecke.

Meiner Meinung nach ist die Rolle des Product Owners zu wichtig, als dass sie mit Projektleitungsaufgaben vermischt werden darf. Oder anders ausgedrückt: Neben der technischen und der Business-Sicht braucht es eben auch noch eine dritte Sicht auf das Projekt – nämlich die organisatorische. Und dafür ist nun mal der Projektleiter prädestiniert.

Disclaimer: Handelt es sich bei einem Projekt um ein Team kleiner fünf Leute, kann man natürlich eh hinterfragen, inwiefern es diese Rollen alle braucht, bzw. ob es sich hierbei tatsächlich um Rollen handelt, die jeweils eine Person Vollzeit beschäftigt. ()