Der Informatiker als Sozialarbeiter

OK, manchmal weiß ich später nicht mehr so genau, was ich auf Party so von mir gebe. Doch warum führt das zu der Frage, wie peinlich es eigentlich ist, Informatiker zu sein?

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Nicolai Josuttis

Neulich war ich auf einer Party eines Bekanntenkreises, den ich ein paar Jahre nicht mehr gesehen hatte. Neben dem üblichen Hallo gab es auch eine etwas irritierende Rückmeldung, die zu etwa folgendem Dialog führte:

"Aha, da ist ja wieder der Kerl, der mich vor ein paar Jahren so maßlos angelogen hat."

"Angelogen? Ich? Niemals! Inwiefern?"

"Nun wir hatten uns so nett unterhalten, und hinterher musste ich erfahren, dass Du gar kein Hotel-Manager warst."

"Ich habe behauptet, dass ich Hotel-Manager bin?"

In der Tat konnte ich mich daran nicht mehr erinnern. Und so wirklich plausibel erschien mir diese Behauptung auch nicht, denn was gewinnt man, wenn man verschweigt, dass man in der IT tätig ist, und stattdessen behauptet, Hotel-Manager zu sein. Und da ich ab und zu um seiner selbst Willen gerne einfach mal "dummschwätze", tat ich das Ganze als "Jugendsünde" ab.

Bis ich dieser Tage (am Freitag, den 13.!) die "Süddeutsche Zeitung" las. In der Rubrik "Die Frage" wurde dort Barbara Schwarz, Vorsitzende des Kompetenzzentrums Technik-Diversity-Chancengleichheit, gefragt, wieso es so sehr an Abiturienten mangelt, die das Fach Informatik studieren wollen, obwohl Informatiker doch so dringend gebraucht werden.

Ihre Antwort lautete: "[...] Der Beruf des Informatikers hat kein hohes Sozialprestige. [...] Dabei spielt vor allem eine Rolle, dass Informatiker als Menschen mit wenig Sozialkontakten wahrgenommen werden. So gaben nur 16 Prozent der Befragten an, Lehrer oder Ärzte seien Eigenbrötler. Dagegen schätzen 47 Prozent der Befragten Informatiker so ein."

Informatiker, ein Volk von Eigenbrötlern?! Nun, ich fürchte, das ist in der Tat unser Image. Und ich musste mir eingestehen, dass auch das der Grund gewesen sein könnte, weshalb ich seinerzeit auf den "Hotel-Manager" zurückgegriffen hatte. Mir war es vielleicht schlichtweg zu peinlich, als Computerexperte dazustehen.

Dabei ist dieses Image in weiten Teilen der IT völliger Unsinn. Wenn ich heutzutage versuche, meine tatsächliche Arbeit zu beschreiben, dann verwende ich inzwischen sogar Worte wie "Sozialarbeiter im IT-Umfeld".

Denn der entscheidende Faktor für erfolgreiche IT-Projekte hat unendlich viel mit Kommunikation, Zusammenarbeit und Teamarbeit zu tun. Um erfolgreich zu sein, müssen wir nämlich vor allem eines: mit sehr vielen und sehr verschiedenen Menschen in unterschiedlichen Teams und Kontexten erfolgreich zusammenarbeiten. Kunden, Nutzer, Fachseiten, Auftraggeber, Manager, Programmierer, Tester, Controller, Qualitätssicherer und so weiter sind so verschieden und reden oft so sehr aneinander vorbei, dass wir in der IT vor allem eines brauchen: Menschen mit Sozialkompetenz.

Also liebe Abiturienten, glaubt dem Image nicht und wagt den Schritt in die IT, denn eines ist unstrittig: Der Bedarf ist groß, und so wie es aussieht, kann man da auch zukünftig deutlich mehr verdienen als als Lehrer. Auf die Dauer ist der Nachteil, sich dann als "Hotel-Manager" ausgeben zu müssen, damit vermutlich verkraftbar. Obwohl ich mich frage, ob Hotel-Manager wirklich ein besseres Image haben.

Die tatsächlichen Anforderungen wären übrigens ein wichtiger Grund, dass endlich auch wieder mehr Frauen in diesen Beruf einsteigen. Auch wenn der Inhalt des Studiums doch recht abschreckend sein kann (da wird man oft mehr mit E-Technik und Compiler-Bau als mit Teamarbeit und Softwareentwicklung konfrontiert). Insofern ist vermutlich auch ein Quereinstieg sinnvoll. So wie Jutta, die zu diesem Blog nur meinte:

"Nur gut, dass ich keine Informatikerin, sondern Ingenieurin bin."

Die haben vermutlich auch ein besseres Image. ()