Software lehrt hörgeschädigte Kinder das Sprechen

Wissenschaftler haben eine dreidimensionale Animation eines Gesichts entworfen, die hörgeschädigten Kindern das Sprechen beibringen soll.

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Von
  • Andreas Grote

Wissenschaftler an der Universität von Colorado haben eine dreidimensionale Animation eines Gesichtes entworfen, die das Konversationsverhalten hörbehinderter Kinder verbessern soll. "Baldi", so heißt der animierte Lehrer, kommuniziert dabei unter Einsatz neuester Technologien auf dem Gebiet der Spracherkennung und Spracherzeugung und soll den Kindern zeigen, wie man Worte richtig ausspricht. Das in dreijähriger Entwicklungszeit durchgeführte Projekt wurde von der National Science Foundation mit 1,8 Millionen US-Dollar gefördert.

Hörbehinderte Kinder nehmen ihre Umwelt meist durch Hörhilfen oder elektrische Stimulation der Innenohrschnecke wahr und erlernen Sprache nicht nur durch hören, sondern auch durch visuelle Wahrnehmung. Baldi arbeitet daher nach den gleichen Regeln, mit denen tauben Kindern normalerweise Sprache beigebracht wird. Per Mikrophon und Lautsprecher kommunizieren die Kinder mit dem Programm. Dieses wiederholt die gesprochenen Worte des Kindes und zeigt dann über das animierte Gesicht die korrekte Aussprache, sodass das Kind seine eigene Artikulation nach und nach verbessern kann. Hilfestellung erhält das Kind dabei durch die exakte Abbildung der Mund-, Zahn- und Zungenstellung auf dem Monitor, die erforderlich ist, um ein bestimmtes Wort auszusprechen oder einen Laut zu erzeugen. Die Animation ist dabei so real, dass Hörbehinderte, die der Technik des Lippenlesens mächtig sind, die gesprochenen Worte von der Animation am Monitor ablesen könnten.

Um Baldi das kindliche Sprechen beizubringen, haben die Wissenschaftler die Sprache von tausend Kindern aufgenommen, in einer Datenbank organisiert und daraus einen Algorithmus entwickelt, der die feinen Details in der Kindersprache erkennt. Die Forscher meinen, dass durch eine entsprechende Anpassung der Algorithmen und des Sprachschatzes die Software auch bald das Erlernen von Fremdsprachen für Nicht-Hörbehinderte erleichtern könnte. Ebenso ließen sich durch eine Lehrersimulation Mängel in der Sprach- und Lesefähigkeit von Kindern erkennen.

Baldi wird zurzeit in einer Pilotstudie an der [www.oraldeafed.org/schools/tmos Tucker-Maxon-Schule] von hörbehinderten Kindern eingesetzt. "Den Schülern macht die Arbeit mit Baldi sehr großen Spaß", freut sich Projektleiter Ron Cole von der Colorado-Universität. Auch die Lehrer und Sprachtherapeuten berichten über große Fortschritte bei den Lern- und Sprachfähigkeiten. Daneben kann Baldi aber auch den Schulunterricht flexibler gestalten, indem Schüler an mehreren Computern zum Beispiel Vokabeln erlernen, während sich der Lehrer um andere Schüler eingehender kümmert.

Einen anderen Ansatz verfolgt "Andy", eine 3D-animierte Figur mit natürlichen Gesichtszügen und Körperbewegungen, die Hörbehinderten Texte auf dem Monitor in die Zeichensprache übersetzen und hörbehinderten Kindern beim Erlernen des Lesens behilflich sein soll. Zahlreiche Schulen in Florida mit schwerhörigen und tauben Schülern setzen die Software bereits ein, da hörbehinderte Kinder mit akustischen Lernprogrammen Probleme haben.

Andy übersetzt einzelne Worte, einfache und komplexe Sätze in die Zeichensprache. Um Kindern den Zugang zu der Software zu erleichtern, haben die Entwickler der Figur auf dem Bildschirm eine Persönlichkeit verpasst, wie den rothaarigen Andy oder die 13-jährige Tonja. Neben der reinen Übersetzung fragen die virtuellen Figuren auch nach oder erzählen Geschichten. Bei einem Vokabular von 3500 englischen Wörtern und der entsprechenden Umsetzung in die Zeichensprache kommt da so schnell keine Langeweile auf. (Andreas Grote) / (dal)