Systems 2000 im Zeichen der Mobilität

Auf der Systems 2000 rührt die Computerindustrie die Werbetrommel für drahtlose Informationsterminals und digitale Geldbörsen.

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Ärzte auf Visite am Krankenbett, Polizisten auf Streife, Spediteure auf der Straße oder der Normalbürger beim Einkaufsbummel: Glaubt man den Visionen der Computerindustrie, sollen schon bald Handys oder Organizer zu drahtlosen Informationsterminals, digitalen Geldbörsen und tragbaren Marktplätzen werden und unterwegs den drahtlosen Zugriff auf vielfälfige Dienste und Angebote bescheren. Auf der Systems 2000, Europas größter Herbstmesse der Information- und Kommunikationstechnologie, die bis Freitag in München mehr als 140.000 Besucher anlocken soll, ziehen Neuentwicklungen und Zukunftsvisionen zur mobilen Kommunikation die meiste Aufmerksamkeit auf sich.

E-Commerce, das schon praktizierte elektronische Einkaufen vom PC aus, soll nach dem Willen der Branche in absehbarer Zukunft zum "M-Commerce", zum mobilen Handel, werden. Doch mit dem Einkaufen allein ist es nicht getan. Von mobilen Warenwirtschaftssystemen ist die Rede, von Information überall und jederzeit. Die spektakuläre Versteigerung der UMTS-Lizenzen in diesem Sommer gab den Startschuss für den Wettlauf um die besten Plätze auf einem Markt, dessen Grenzen allerdings nicht einmal klar abgesteckt sind.

Der Siemens-Konzern rechnet für den Gesamtmarkt des mobilen Handels und Datentransfers bis 2003 mit einem weltweiten Marktvolumen in Höhe von 300 Milliarden Euro. "Die Anwendungsmöglichkeiten des mobilen Datenverkehrs sind sehr vielfältig", schwärmt ein Sprecher des Mobilfunkbereichs. Der Aufbau der neuen UMTS-Mobilfunknetze bis 2002 werde eine Gründerwelle neuer Unternehmen lostreten. Momentan arbeiteten noch alle daran, "Kooperationen und Allianzen zu schmieden". Siemens verhandelt derzeit mit dem japanischen Toshiba-Konzern über eine Zusammenarbeit bei der Entwicklung von UMTS-Handys.

Für die auf dem Markt schon präsenten internetfähigen WAP-Handys werden auf der Systems einige neue Anwendungen vorgestellt. Die Berliner Condat AG etwa will bei einem Feldversuch mit der rheinland-pfälzischen Polizei ein drahtloses Fahrtenbuch erproben. Jeder Streifenbeamte soll über ein WAP-Handy unterwegs Tankfüllstand oder Kilometerstand eingeben, damit die Daten nach der Übermittlung an die Zentrale umgehend ausgewertet werden können. Ein elektronisches Lagerverwaltungs- und Warenwirtschaftssystem hat die Kölner Firma GUS Group entwickelt. Außendienstmitarbeiter sollen von unterwegs per Laptop und Handy Warenbezeichnungen samt Artikelnummer einspeisen und Kunden sollen zeitgleich darauf zugreifen können. Für den Privatanwender dürfte die standortabhängigen Info-Dienste, die Mannesmann Mobilfunk dieser Tage in seinem D2-Netz einführte, interessanter sein: Je nach Aufenthaltsort soll das Handy den Weg zum nächsten Restaurant oder der nächsten Apotheke beschreiben können.

Die als Zettelwirtschaft zusammengefassten Fieberkurven, Röntgenbilder oder gedruckte Laborbefunde sind nach Meinung der niederländischen Firma NoWires Needed bald passé: Über ein tragbares Terminal soll der Arzt die Patientendaten einfach per Funk abrufen und auf dem Display darstellen können. Parallel zu den auf dem GSM- oder bald UMTS-Standard basierenden Mobilfunknetzen setzt die Frankfurter Firma Less Wire auf die Bluetooth-Technik. Diese Kurzstreckenfunktechnik soll den Nutzer an dicht besuchten Orten wie Bahnhöfen, Museen oder Messen mit Lageplänen, Veranstaltungshinweisen oder Restaurantführern versorgen.

Trotz aller Zuversicht säumen noch viele Schlaglöcher den Weg in die mobile Datenwelt. Branchenkenner verweisen darauf, dass die Software etlicher Handys an Kinderkrankheiten leidet. Auch erfahre die WAP-Internet-Technik für Handys bisher wenig zuspruch. WAP-Handys haben in der Regel nur kleine Informationsschnipsel zu übertragen, doch zahlen muss man beim aktuellen Stand der Technik nicht für die Menge der beförderten Daten sondern für die Dauer der Verbindung – angesichts der hohen Verbindungspreise stellt das der WAP-Verbreitung die größte Hürde entgegen. Zudem hapert es noch in anderen Bereichen: Manche WAP-Seiten sind fehlerhaft, die Displays der Geräte oft zu klein und die Eingabe längerer Texte über die Handy- Tastatur verlangt dem modernen Nomaden nicht selten Geduldsproben ab. Bei der Münchner Direkt Anlage Bank (DAB) ist man vom Durchbruch der drahtlosen Multimediazwerge daher noch keineswegs überzeugt. "Seit Anfang des Jahres bieten wir unseren Kunden WAP-fähige Systeme an. Die Nachfrage ist bisher aber mehr als mau", dämpfte eine Sprecherin die Goldgräberstimmung.

Ähnlich zurückhaltend muss man auch den Stand der von manchen Enthusiasten ungeduldig erwarteten Bluetooth-Funktechnik einordnen: Die Vorteile der schnellen drahtlosen Kommunikation zwischen Handy, PC und Peripheriegeräten aller Art existieren bislang hauptsächlich auf dem Papier; die meisten Hersteller mühen sich noch mit der Fertigung der Bausteine. Und die UMTS-Zukunftsmusik dürfte ja erst in zwei bis drei Jahren erklingen, wenn die ersten Highspeed-Netze den Regelbetrieb aufgenommen haben. (Michael Friedrich, dpa)/ (dz)