EU-Rat hintertreibt geplantes Aus für Roaming-Gebühren

Die Großhandelspreise für die Datennutzung im EU-Ausland sollen von Juli an maximal zehn Euro pro Gigabyte betragen dürfen. Darauf hat sich der Ministerrat verständigt. Kritiker sehen die Initiative gefährdet, die Mobilfunkaufschläge abzuschaffen.

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Roaming

(Bild: dpa, Daniel Naupold/Illustration)

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Der EU-Rat will es den Mobilfunkanbietern erlauben, sich vergleichsweise hohe Gebühren für die Vermittlungen von Verbindungen in anderen Mitgliedsstaaten der Union in Rechnung zu stellen. Die Obergrenzen für die einschlägigen Großhandelspreise beim Daten-Roaming sollen Mitte 2017 zunächst bei maximal zehn Euro pro Gigabyte liegen und dann bis 2021 nach und nach auf fünf Euro für die gleiche Menge fallen. Dies geht aus der Position zu neuen Vorschriften für Roaming-Vorleistungsmärkte hervor, die die für die Telekommunikation zuständigen Minister am Freitag beschlossen haben.

Die EU-Gremien hatten sich eigentlich schon 2015 prinzipiell darauf geeinigt, dass die leidigen Aufschläge im Mobilfunk für die Endnutzer wegfallen sollen. Viel hängt dabei aber von den einschlägigen Großhandelspreisen ab, die vor allem kleineren Discount-Anbietern und Wiederverkäufern zu schaffen machen. Wenn es nach dem Rat geht, müssten diese Firmen Datenkontingente fürs EU-Ausland nun zu teils geschäftsschädigenden Preisen bei großen Netzbetreibern wie der Deutschen Telekom oder Vodafone einkaufen.

Derzeit können Verbraucher Karten für Flatrates mit einem Gigabyte Daten für unter zehn Euro erwerben. Derlei Tarife würden bei dem ins Spiel gebrachten Startpreis, bei dem noch nicht einmal die Mehrwertsteuer mit drin ist, völlig unrealistisch, wenn Kunden ihr erstandenes Volumen auch beim Urlaub oder auf Geschäftsreisen im EU-Ausland nutzten. Schon die Netzgebühren wären dann höher als der zu erwirtschaftende Umsatz. Die betroffenen Unternehmen dürften sich also gezwungen sehen, entweder weiterhin Roaming-Gebühren zu kassieren, die Kosten anderweitig mit aufzuschlagen oder das Volumen insbesondere in Urlaubsländern zu drosseln.

Der federführende Industrieausschuss des EU-Parlaments hatte sich dagegen am Dienstag für einen Großhandelspreis von vier Euro pro Gigabyte ausgesprochen, der auf einen Euro sinken soll. Die für die FDP in dem Gremium sitzende Abgeordnete Gesine Meißner hatte dies als "wichtigen Schritt auf dem Weg hin zur endgültigen Abschaffung von Roaming-Gebühren" bezeichnet. Dies sei "gut für den digitalen Binnenmarkt, Touristen und Geschäftsleute". Alle Beteiligten könnten damit "künftig klar kalkulieren, sodass Investitionen in Infrastruktur nicht gefährdet und auch kleinere Anbieter geschützt würden".

Enger beieinander liegen beide Seiten bei ihren Vorschlägen zu Großhandelspreisen für Anrufe. Der Rat ist hier für Aufschläge von höchstens 0,0353 pro Minute, die Volksvertreter wollen 0,03 Euro glatt berechnet wissen. Beim Versand von Kurznachrichten bringen beide Gremien 0,01 Euro pro SMS ins Spiel.

Die frühere EU-Kommissarin Viviane Reding, die mittlerweile für die Konservativen im Parlament sitzt, kritisierte die Linie der Regierungen: "Die EU-Staaten kungeln mit den Telekomkonzernen, um die Abschaffung des Roaming aufzuweichen", sagte sie "Spiegel Online". Das Gemauschel sei an Dreistigkeit nicht zu überbieten". Die Minister müssten nun endlich einlenken und im Interesse der Verbraucher agieren. Der Rat hält dagegen, dass man die Obergrenzen auf einem Niveau festlegen wolle, das den Wegfalls der Aufschläge "in der gesamten EU auf Dauer tragbar macht" angesichts derzeit großer Unterschiede von einem Mitgliedsstaat zum anderen bei den Nutzungs- und Reisegewohnheiten sowie Preisen.

Details zu den Vorschriften müssen die Abgeordneten jetzt in den sogenannten Trilogverhandlungen mit dem Rat und der Kommission aushandeln. Die Zeit drängt dabei, wenn der Roaming-Kompromiss tatsächlich noch Mitte nächsten Jahres in Kraft treten können sollte. Die Kommission hatte ursprünglich vorgesehen, dass Netzbetreiber beim Datenroaming 8,5 Euro pro Gigabyte zusätzlich verlangen können sollten. Mit einem Vorschlag für "Fair Use"-Regeln, wonach das kostenlose Roaming innerhalb der EU auf 90 Tage im Jahr begrenzt werden können sollte, war die Brüsseler Regierungsinstitution im September auf die Nase gefallen.

(akr)