Schweizer E-Voting wieder einen Schritt weiter

Die stimmberechtigten Bürger von fünf Schweizer Kantonen dürfen ab 2017 zwei Jahre lang elektronisch abstimmen. Das entschied die Schweizer Regierung.

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Schweizer E-Voting wieder einen Schritt weiter
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Von
  • Tom Sperlich

Seit dem Jahr 2000 schleppt es sich dahin, das damals von der Schweizer Regierung, dem Bundesrat, ins Leben gerufene Projekt E-Voting ("Vote électronique"). Nun entschied die Regierung, dass ab der nächsten eidgenössischen Abstimmung im Februar 2017 fünf Kantone für die Dauer von zwei Jahren eine Genehmigung für die Online-Abstimmung erhalten. Es handelt sich um die Kantone Bern, Luzern, Basel-Stadt, Neuenburg und Genf. E-Voting-Versuche im Kanton Freiburg hatte der Bundesrat bereits im vergangenen Jahr bewilligt.

Im Ausland lebende Schweizer, die in obigen Kantonen stimmberechtigt sind, können dort per E-Voting ihre Stimme abgeben. Ferner können bis zu 30 Prozent der Neuenburger und Genfer Stimmberechtigten über das Internet an einem eidgenössischen Urnengang teilnehmen. Stimmberechtigte mit einer Behinderung, die in Basel-Stadt wohnhaft sind, haben nach einer Anmeldung ebenfalls diese Möglichkeit. Die Begrenzung, maximal 30 Prozent des kantonalen Elektorats via E-Voting teilnehmen zu lassen, ist laut der Bundeskanzlei eine Maßnahme zur Risikominimierung. Ab dem kommenden Urnengang können damit rund 97.000 in der Schweiz wohnhafte und 57.000 im Ausland lebende Stimmberechtigte per Internet abstimmen. Auch in St. Gallen könnte das E-Voting demnächst ausgebaut werden. Aus diesem Kanton konnten bislang nur Stimmberechtigte im Ausland per Mausklick abstimmen. Vor einem Monat hatte der Kanton entschieden, künftig das Genfer E-Voting-System einzusetzen. Dieses wird wahrscheinlich im Laufe des nächsten Jahres eingeführt werden, heißt es in Schweizer Medien.

Zwei unterschiedliche E-Voting-Modelle werden bisher in der Schweiz genutzt, die laut der Neuen Zürcher Zeitung unterschiedliche Ansätze verfolgen. Das Genfer E-Voting-System ist im Besitz des Kantons und somit öffentlich. Es wird auch von den Kantonen Bern, Luzern und Basel-Stadt eingesetzt werden. Der Kanton Neuenburg wird für den Urnengang im kommenden Februar das System der Schweizerischen Post verwenden, welches erstmals bei der kürzlichen Abstimmung am 27. November im Kanton Freiburg benutzt wurde.

Die neue Software der Schweizerischen Post basiert auf Technologie des spanischen Unternehmens Scytl, das Lösungen für E-Democracy und E-Parlament entwickelt. Der Kanton Genf bezieht dagegen die Position, dass nur, wenn das geistige Eigentum in der Hand der Öffentlichkeit sei (Public Domain), gewährleistet werden könne, dass keine Abhängigkeit von privaten Anbietern entstehe. Das Vertrauen in die elektronische Stimmabgabe und damit in die Demokratie stehe auf dem Spiel. Die Post kontert, das E-Voting müsse für die Schweiz nicht neu erfunden werden. Es brauche keine unter Heimatschutzbedingungen geschaffene Lösung. Die Regierung argumentiert allerdings ebenfalls, dass Abhängigkeiten von privaten Anbietern zu vermeiden sind, um das Vertrauen in die elektronische Stimmabgabe nicht zu beeinträchtigen. Die Frage des Eigentums am System sei dabei aber nicht entscheidend. Vor jedem Urnengang werde die Bundeskanzlei ohnedies prüfen, ob die Bedingungen für den Einsatz von E-Voting in den antragstellenden Kantonen noch erfüllt seien und entsprechend eine Zulassung erteilen, heißt es in einer Mitteilung des Bundesrats.

Der Bundesrat legt nach eigenen Angaben "besonderes Augenmerk" auf Vote électronique. Sein Ziel ist es, dass bis zu den nächsten nationalen Wahlen 2019 zwei Drittel der Kantone "die elektronische Stimmabgabe flächendeckend für alle Stimmberechtigten einführen" sollen. Bevor elektronische Abstimmungen in der Schweiz zum Zuge kommen können, müssen sie stets den Sicherheitsansprüchen genügen. Daran scheiterte zuletzt das gemeinsame E-Voting-Projekt von neun Kantonen für die nationalen Wahlen 2015.

Der Bundesrat hatte damals eine Lücke beim Schutz des Stimmgeheimnisses geortet und dem System des Konsortiums im August 2015 die Zulassung für die eidgenössischen Wahlen verweigert. Darauf löste sich das Konsortium auf. Geplant war einstmals, dass Schweizer Bürgerinnen und Bürger bereits 2010 alle Abstimmungen, Wahlen und Unterzeichnungen von Volksinitiativen und Gesetzesreferenden auf elektronischem Wege erledigen können. Ein Hauptziel der E-Voting-Aktivitäten in der Schweiz ist, den fast 750.000 Auslandsschweizern eine einfache und verlässliche Teilnahme an Wahlen zu ermöglichen. (axv)