Zahlen, bitte! Mikrowellen für ultragenaue Zeitmessung

Wie spät ist es? Und zwar genau, bitteschön … so bis auf 300 Sekunden Abweichung seit Entstehung des Universum, wenns geht! Das klappt nur mit Atomuhren, die vor allem zur Satellitennavigation eingesetzt werden.

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Zahlen, bitte! 9192631770 Schwingungen pro Sekunde für superpräzise Uhren
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Volker Zota
Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Bekannt wurde der US-amerikanische Wissenschaftler Willard Frank Libby vor allem durch die Radiokohlenstoffmethode. Für diese Methode zur Altersbestimmung von archäologischen Funden bekam er 1960 den Chemie-Nobelpreis. Doch heute vor 70 Jahren stellte der Isotopenforscher auch eine "Atomuhr" vor, die mit Eigenschwingungen von Cäsium-Atomen arbeitete. 1955 nahm die erste Cäsium-Atomuhr ihren Regelbetrieb im britischen National Physical Laboratory (NPL) auf.

Die Schwingungsfrequenz des Taktgebers im Gigahertzbereich (und damit Mikrowellen im Zentimeterbereich) ermöglichte eine deutlich genauere Zeitmessung als die bis dahin verwendete Lichtsekunde, die schlicht als 86400ster Teil des mittleren Sonnentages definiert war. Nachdem bereits Anfang des 20. Jahrhunderts festgestellt wurde, dass die Drehgeschwindigkeit der Erde schwankt und Gezeitenreibung zu einer Verlangsamung der Drehung von 0,002 Sekunden pro Jahrhundert führt, wurde nach einer von der Erdrotation unabhängigen Definition der Sekunde gesucht.

Die Cäsiumuhr CS2 gibt hierzulande seit 1985 den Takt an; seit 1991 liefert sie auch die "gesetzliche Sekunde" in Deutschland.

(Bild: PTB)

Das Bestreben, das internationale Einheitensystem (SI: Systemé International d'Unités) von Naturkonstanten abzuleiten, führte dazu, dass die Caesium-Atomuhr im Jahr 1967 die Grundlage für die Neudefinition der Sekunde durch die 13. Generalkonferenz für Maß und Gewicht (CGPM) wurde:

Seitdem ist die Sekunde definiert als "die 9192631770-fache Periodendauer der dem Übergang zwischen den beiden Hyperfeinstrukturniveaus des Grundzustandes von Atomen des Nuklids Caesium-133 (133Cs) entsprechenden Strahlung".

Die Atomsekunde löste die in den 1950er Jahren eingeführte Definition der "Ephemeridensekunde" ab, die als der 1/31556925,9747-te Teil des tropischen Jahres am 0. Januar (sic!) 1900 definiert war.

Der Vorteil der Atomsekunde: Im Prinzip lässt sich überall auf der Welt (oder im All) eine solche Uhr nachbauen und die Zeiteinheit mit extremer Präzision nachmessen. Außerdem lässt sich die relative Abweichung durch genauere Messmethoden über die Zeit minimieren. Lag die Abweichung bei den Atomuhren aufgrund der eingeschränkten Messgenauigkeit anfangs bei 1 Sekunde in 300 Jahren, liegt sie bei Caesiumuhren aktuell bei 1 Sekunde in 30 Millionen Jahren (relative Abweichung von 10-15) …

In den vergangenen 70 Jahren hat sich die Genauigkeit von Uhren um diverse Größenordnungen verbessert.

(Bild: PTB: Wie funktionieren Atomuhren? )

In Deutschland hütet die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) die Uhrzeit. Die PTB-Zeit ist derart genau, dass sie zu 80 Prozent in die Weltzeit UTC (Universal Time Coordinated) einfließt. Funkuhren für den Nachttisch oder das Handgelenk etwa empfangen das PTB-Zeitsignal über den Langwellensender DCF77; übers Internet bekommt man die Uhrzeit mit wenigen Dutzend Millisekunden Jitter über NTP.

Apropos SI-Einheiten: 1983 wurde das Urmeter von der Länge der Strecke, die Licht im Vakuum während der Dauer von 1/299792458 Sekunden zurücklegt, abgelöst. Die Atomzählerei für einen neuen Kilogramm-Standard zur Ablösung des Urkilogrammprototypen ist hingegen noch nicht abgeschlossen.

Für den Einsatz in der Satellitennavigation müssen die Uhren präzise, aber auch klein genug sein. Das ist bei Caesiumuhren typischerweise nicht der Fall (siehe Bild). Ein Durchbruch war die 2003 vorgestellte Rubidium-Uhr mit nur 40 cm3 Volumen und einem Watt Leistungsaufnahme. Inzwischen gibt es noch deutlich kleinere Atomuhren (< 17 cm3), die vom Hersteller als Chip Scale Atomic Clock (CSAC) bezeichnet werden.

Die Genauigkeit der Atomuhren wurde nicht nur durch bessere Messmethoden, sondern auch andere Bauarten verbessert. So erreichen neuere Caesium-Fontänenuhren, bei denen die Atome von Laserstrahlen eingefangen, fast auf den absoluten Nullpunkt abgekühlt und dann nach oben beschleunigt werden, eine relative Abweichung von 10-15.

Nutzt man statt Caesium beispielsweise Ytterbium-Ionen (177Yb+), erreicht man sogar relative Genauigkeiten in der Größenordnung von 10-18. (vza)