Todesfälle bei wichtiger neuer Krebstherapie

So genannte Immuntherapien sollen Menschen retten, deren Krebs anders nicht mehr zu besiegen ist. Mehrere Todesfälle bei einer klinischen Studie werfen jetzt jedoch Fragen über ihre Zukunft auf.

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Von
  • Emily Mullin
Inhaltsverzeichnis

Der Tod von zwei Patienten in einer klinischen Studie wirft Fragen über die Zukunft von so genannten Immuntherapien gegen Krebs auf. Bei diesem Ansatz soll das Immunsystem der Patienten den Krebs selbst bekämpfen, und er galt bislang als sehr viel versprechend.

Kurz vor dem Thanksgiving-Feiertag hatte Juno Therapeutics die Aussetzung seiner Studie an Patienten mit akuter lymphoblastischer Leukämie bekannt gegeben, nachdem zwei ihrer Teilnehmer gestorben waren. In diesem Jahr waren bereits zuvor drei Teilnehmer derselben Studie gestorben. Trotzdem forschen andere Gruppen weiter an der neuen Medikamentenklasse, die bei manchen Patienten mit tödlichen Krebsarten enormes Potenzial verspricht.

Bei der so genannten CAR-T-Therapie entnehmen Wissenschaftler den Patienten T-Zellen und verändern sie außerhalb des Körpers genetisch so, dass sie, nachdem sie den Patienten wieder zugeführt wurden, Krebszellen erkennen und angreifen. Wenn sie von den Aufsichtsbehörden zugelassen werden, könnten diese Therapien das Leben von Patienten retten, die auf die derzeit verfügbaren Therapien nicht ansprechen.

Auch Kite Pharma, dessen CAR-T-Therapie für Non-Hodgkin-Lymphome am weitesten fortgeschritten ist, meldete im vergangenen Jahr den Tod eines Patienten während einer Studie; allerdings soll er nicht im Zusammenhang mit der Behandlung gestanden haben. Novartis macht unterdessen Fortschritte mit einer CAR-T-Therapie für Patienten mit bestimmten Lymphomarten. Therapien wie diese stehen an vorderster Front in der Krebsforschung, doch es ist bekannt, dass sie schwere Nebenwirkungen haben können. Bei Studien am National Cancer Institute und an der University of Pennsylvania sind ebenfalls schon Patienten zu Tode gekommen.

Trotz des jüngsten Todesfälle gibt es reichlich Belege dafür, dass der Ansatz effektiv sein kann. "Die Sache bei den ganzen CAR-T-Zellprodukten ist, dass sie funktionieren, und zwar sehr gut", sagt Ronald Dudek, Gründer und Präsident von Living Pharma, einem Unternehmen, das CAR-T-Therapien in der Frühphase entwickelt. Vorher war er von November 2013 bis Oktober 2014 Vice-President für Geschäftsstrategie bei Juno.

Das Problem ist, dass die veränderten T-Zellen das Potenzial haben, das Immunsystem zu sehr anzuregen. Dadurch kann es zum Zytokin-Freisetzungssyndrom kommen, das als Nebenwirkung gut bekannt ist. Bei den fünf Patienten in der Juno-Studie war die Todesursache allerdings eine andere – Hirnödeme, also ein Anschwellen des Gehirns. Auch bei anderen Studien mit CAR-T-Therapien gab es bereits neurologische Nebenwirkungen, dies jedoch meist nur vorübergehend.

Laut Terry Fry, einem Kinderkrebsarzt, der am National Cancer Institute der USA eine CAR-T-Therapie entwickelt, sind diese Therapien potenziell "revolutionär" für Patienten, die ansonsten kaum eine Chancen gegen ihren Krebs hätten. Jedoch sei noch nicht richtig verstanden, wie sie funktionieren und warum bei manchen Patienten Nebenwirkungen wie Neurotoxizität auftreten.

Manche Betroffene seien nach einer CAR-T-Therapie völlig vom Krebs befreit, doch die Todesfälle in der Juno-Studie seien Anlass, neu nachzudenken, so Fry: "Die meisten dieser Patienten haben keine anderen therapeutischen Optionen, aber das bedeutet nicht, dass Neurotoxizität akzeptabel wäre."

Die Todesfälle bei CAR-T-Therapien dürften eher von mehreren Faktoren als von einem einzelnen ausgelöst werden, sagt David Chang, Medizinchef und Executive Vice President für Forschung und Entwicklung bei Kite Pharma. Die erwachsenen Patienten in der Juno-Studie hätten eine aggressive Krebsart gehabt. "Wegen des fortgeschrittenen Stadiums der Krankheit waren sie anfälliger für negative Entwicklungen", erklärt er.

Hinzu kommt, so der Forscher: Variierende Bedingungen bei der Bearbeitung der T-Zellen können dazu führen, dass die Ergebnisse unterschiedlich ausfallen.

Dudek wäre nach eigener Aussage nach überrascht, wenn die jüngsten Todesfälle bei der Juno-Studie zu Rufen nach neuen Sicherheitsmaßnahmen für T-Zell-Therapien führen würden. Das belgische Unternehmen Bellicum Pharmaceuticals entwickelt sogar bereits molekulare "Aus-Schalter" für CAR-T, aktiviert durch eine Tablette, die Patienten bei einer gefährlichen Reaktion auf eine Therapie nehmen könnten.

Bei einer Telefonkonferenz mit Anlegern Ende November sagt Hans Bishop, der CEO von Juno, das Unternehmen ziele immer noch darauf ab, im Jahr 2018 seine erste CAR-T-Therapie herauszubringen. Offen ist derzeit, ob Juno die problematische Studie komplett beendet und sich stattdessen auf andere Therapien konzentriert. Das Unternehmen entwickelt weitere CAR-Ts gegen Lymphome und andere Blutkrebsarten.

Viele Experten sind sich einig darüber, dass die US-Gesundheitsbehörde FDA vor einer Zulassung für Patienten mehr Daten über diese Therapien braucht. In diesem Jahr hat sie bereits die Einrichtung einer Datenbank mit Informationen zur Sicherheit von CAR-T vorgeschlagen, auf die Forscher zugreifen können. Bei einer Nachfrage sagte ein Sprecher jetzt jedoch, diese Datenbank befinde sich noch im Planungsstadium.

(sma)