Klartext: Wie kommt Mojo in die Maschine?

Wenn man so einfach planen könnte, wie die Funken auf die Kunden überspringen, dann würde man das tun. In der Realität bleibt das Mojo einer Fahrmaschine ein emergentes Phänomen. Woher könnte es kommen?

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Klartext
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Als KTM ihre gigantische 1,3-Liter-Stampfmaschine 2014 in der neuen Super Duke vorstellte, gab es zwei Lager: In einem saß mein alter MO-Kollege Maik Schwarz ganz allein und sagte "zu arg"; im anderen saßen alle Anderen und sagten "bemerkenswert zahm", ja: "fast schon zu zahm". Die Super Duke ist ein tolles Motorrad, und ganz sicher hat KTM nicht geplant, es exakt auf den Punkt "fast schon zu zahm" zu züchten. Es ist einfach passiert. Jetzt bin ich die nächste Generation der 1290 Super Duke R gefahren, und obwohl alles noch etwas besser funktioniert, fehlte das Gefühl der Zahmheit. Wir haben also eine Gelegenheit, nachzuforschen, woher das letzte bisschen Erlebnis am Motorrad kommt, sein undefinierbares Mojo, das man nicht beim Zulieferer kaufen kann.

Zum Ausprobieren stand uns eine Rennstrecke mit einer über einen Kilometer langen Gerade zur Verfügung. Ich stellte dort am Bremspunkt bei 263 km/h über Grund plus 21 km/h Gegenwind die These auf, dass dieser auf den Fahrer einschlagende Orkan maßgeblich zum Erlebnis des Naked-Fahrens beiträgt. Die Vorversion der Super Duke hatte diesen Tacho von gigantischen Ausmaßen, der im unfreiwilligen Nebenjob als überraschend effizienter Windschild arbeitete. Er war zu diesem Behufe mit einem Träger verschraubt, an dem man die gesamte Maschine mit einem Kran bergen könnte. Jetzt verbaut KTM diesen kleinen Schminkspiegel statt eines Tachos, der dem Wind keine nennenswerte Schutzfläche entgegenstellt. Nach fünf Halbstunden-Turns hinter dem tieferen, breiteren Lenker fühlte ich diese Muskeln, die einen nach solchen Aktionen immer mit ihrer schieren fühlbaren Existenz erstaunen. Ganz sicher trug das dazu bei, dass sich kein Teilnehmer über Zahmheit beschwerte.

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Die neue KTM 1290 Super Duke R schaut halt einfach arg aus. (Bild: KTM)

Ein anderer Kandidat wäre der Motor. Wie beim Einzylinder hat KTM bei der Überarbeitung für Euro 4 noch etwas Mehrleistung gefunden. Mit jetzt 177 PS statt vorher 173 PS und im nutzbaren Bereich nirgends unter 100 Nm Drehmoment könnte ein Schwellenwert überschritten worden sein, der eine Mehrheit in Maiks Lager führt oder in eine Zwielichtzone zwischen diesen Lagern. KTMs Werksrennfahrer Jeremy McWilliams lupfte noch im fünften Gang das Vorderrad mit Motorleistung. Im dritten Gang musste jeder Tester bei abgeschalteter Anti-Wheelie-Fahrhilfe vorsichtig sein, dass er sich dieses Motorrad nicht mit einem forschen Gasdreh selbst ins Gesicht schlug. Vom ersten und zweiten Gang will ich gar nicht sprechen. Es ist mir in den Dragraces jedenfalls nicht gelungen, das Vorderrad beim Beschleunigen in effizienter Bodennähe zu halten, obwohl ich eigentlich an einer ärztlich attestierten Wheelie-Behinderung aus einer Rad-steig-Angst-Störung leide.