Wettrennen im All: Die Giganten China und Indien holen rasant auf

Der illustre Club der Raumfahrtmächte wird größer: China und Indien machen enorme Fortschritte im All. Es geht nicht nur um den wissenschaftlichen und technischen Nutzen, sondern auch um militärische Fähigkeiten für die Kriege der Zukunft.

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Wettrennen im All: Die Giganten China und Indien holen rasant auf

(Bild: ISRO)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Stefan Mauer
  • Andreas Landwehr
  • dpa
Inhaltsverzeichnis

Die beiden asiatischen Giganten China und Indien greifen nach den Sternen. Während die USA und Russland ihre Raumfahrtprogramme bremsen, holen die zwei bevölkerungsreichsten Länder der Erde mit großen Schritten auf. "Ich würde sagen, dass China im Moment nur noch zehn Jahre hinter den USA her hinkt", sagt der australische Raumfahrtexperte Morris Jones. "China ist bereits ein globaler Führer – aber es könnte auch eine vorherrschende Macht im Weltall werden, wenn gegenwärtige Trends anhalten."

Auch Indien mache enorme Fortschritte, liege allerdings "noch weit hinter China". Indiens Satellitentechnik sei zwar ähnlich, aber die Raketentechnik und bemannte Raumfahrt noch nicht so weit entwickelt, sagt der unabhängige Raumfahrtexperte.

Besonders Chinas Anstrengungen werden von den USA kritisch beäugt. So warnte ein US-Kongressbericht, dass China "im All militärisch, diplomatisch, kommerziell und wirtschaftlich genauso wettbewerbsfähig wie die USA" werden wolle, was auf Kosten der USA gehen werde.

"Chinas wohlüberlegterer und umfassenderer Ansatz wird Peking Möglichkeiten eröffnen, in naher Zukunft wichtige wirtschaftliche, politische und diplomatische Vorteile von seinem Raumfahrtprogramm abzuleiten", sagte Dennis Shea von der US-Wirtschafts- und Technikkommission in einer Anhörung vor dem Raumfahrtausschuss des US-Abgeordnetenhauses, der sich schon die Frage stellte: "Verlieren wir das Rennen im Weltraum an China?"

Chang'e 3 und Yutu auf dem Mond (35 Bilder)

Chinas ganzer Stolz
(Bild: Chinese Academy of Sciences/China National Space Administration/The Science and Application Center for Moon and Deepspace Exploration)

Seit 2003 ist China nach den USA und Russland die dritte Nation, die aus eigener Kraft Astronauten ins All geschickt hat – die USA wollen diese Fähigkeit aktuell wiedererlangen. Ende November beendeten zwei Taikonauten den sechsten und mit einem Monat bisher längsten chinesischen Raumflug. Ihre Tests mit dem Raumlabor Tiangong 2 (Himmelspalast) dienen der Vorbereitung für eine eigene Raumstation, die um 2022 fertig gestellt werden soll. Wenn die internationale Raumstation (ISS) wie geplant nach 2024 auslaufen sollte, wäre China das einzige Land mit einem permanenten Außenposten im All.

Mit einem Rover erforschte China schon die Mondoberfläche und denkt auch an eine bemannte Mondlandung. Für 2020 ist eine Marsmission geplant. Seit September sucht das weltgrößte Radioteleskop in Pingtang in Südwestchina nach den Ursprüngen des Universums und außerirdischem Leben. Mehr als 180 Satelliten hat China bereits ins All geschossen und baut ein eigenes globales Navigationssystem. Anfang November hob mit Langer Marsch 5 eine neue Trägerrakete ab, die es mit der leistungsfähigsten Delta IV Heavy im US-Arsenal aufnehmen kann.

Chinas FAST: Vom Dorf zum Radioteleskop (10 Bilder)

Dem Riesenteleskop musste ein kleines Dorf weichen.
(Bild: FAST)

Wer den Weltraum beherrscht, wird die Kriege der Zukunft gewinnen, sind chinesische Militärstrategen überzeugt. Es geht um die Sammlung und Übertragung von Informationen im All oder auch darum, einem Feind solche Fähigkeiten zu zerstören. Schon 2007 testete China erfolgreich eine Anti-Satelliten-Waffe (ASAT), was weltweit Empörung auslöste.

Für ihre rasant aufstrebenden Volkswirtschaften verfolgen China und Indien auch den wissenschaftlichen und technischen Nutzen der Raumfahrt. Als erstem asiatischen Land gelang es den Indern 2014, mit einem Raumfahrzeug den Mars zu erreichen. Indien baut ebenfalls ein eigenes Navigationssystem und startete im April den letzten von sieben Satelliten dafür. Nächstes Jahr sollen Endnutzer das regionale INRSS-System in Indien und rund 1500 Kilometern Umgebung einsetzen können – nach Angaben der indischen Weltraumbehörde ISRO mit höherer Genauigkeit als die Konkurrenz GPS aus den USA.

Auch eine verkleinerte Modellversion eines wiederverwendbaren Raumtransporters hat Indien in diesem Jahr erstmals getestet. Das optisch an ein Space Shuttle erinnernde Raumfahrzeug soll in 10 bis 15 Jahren funktionsfähig sein und Nutzlasten deutlich günstiger ins All bringen. Bereits 2008 landete eine indische Mission auf dem Mond, im kommenden Jahr soll ein Roboterfahrzeug folgen. In fünf bis sechs Jahren will Indien endlich auch so weit sein, Menschen ins All zu befördern. 2014 glückte der Testflug einer leeren Raumkapsel.

Bei der kommerziellen Raumfahrt hat sich Indien mit der Trägerrakete PSLV den Ruf eines zuverlässigen Dienstleisters erarbeitet. Zwar kann sie nur wenig Gewicht transportieren, doch wird das Angebot in dieser Nische für Kleinsatelliten rege genutzt. Erst im Juni war auch der deutsche Kleinsatellit BIROS an Bord einer PSLV. Er soll unter anderem Waldbrände aufspüren. Die größere Raketenschwester GSLV war lange ein Sorgenkind und legte einige Fehlstarts hin. Doch auch hier scheint sich das Blatt langsam zu wenden. Zuletzt schaffte sie im September einen 2,2 Tonnen schweren Wettersatelliten ins All.

Start des indischen Polar Satellite Launch Vehicle (PSLV) (11 Bilder)

Auf dem Weg zum Start
(Bild: ISRO)

Es ist kein Geheimnis, dass 90 Prozent der Raumfahrttechnik sowohl zivilen als auch militärischen Nutzen hat. So stecken hinter den Raumfahrtprogrammen Indiens und Chinas auch starke militärische Motive, was die Spannungen in der Region und mit den USA widerspiegelt. "Der Führer im militärischen Raumflug in Asien ist eindeutig China", sagt der Experte Jones. "Es ist Teil der chinesischen Strategie, den Streitkräften der USA entgegenzuwirken." (mho)