Agiles Arbeiten in verteilten Teams

Softwareentwickler arbeiten idealerweise gemeinsam an einem Ort an Projekten. Wo das nicht möglich ist, hilft eine gute Strategie, effizient verteilt zu arbeiten.

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Agiles Arbeiten in verteilten Teams
Lesezeit: 16 Min.
Von
  • Jan Petzold
Inhaltsverzeichnis

Agil entwickelnde Teams arbeiten am besten gemeinsam vor Ort. Kurze Wege zur Abstimmung und Klärung von Rückfragen sowie ein stets verfügbares Whiteboard für schnelle Skizzen und Abläufe helfen ungemein bei der Lösungsfindung. Es gibt keine Hürden in der Kommunikation. Das steigert die Produktivität und damit die Zufriedenheit aller Mitglieder eines Entwicklungsteams. Auch die Koordination zu Themen wie Design, Usability und QA erfolgt am besten vor Ort.

Leider ist eine solche Konstellation für viele Teams ein Wunschtraum. Die lokale Zusammenarbeit ist zwar eines der agilen Prinzipien, aber in der Praxis oft schlicht nicht möglich. Dabei sind häufig nicht die oft genannten Kostenfaktoren der ausschlaggebende Grund, sondern schlicht nicht genügend Kollegen am Standort verfügbar. Einige Besprechungen erfordern Mitarbeiter mit spezieller Expertise, die aus unterschiedlichen Gründen nicht im Büro vor Ort sein können oder wollen.

Die damit einhergehenden Kompromisse sind nicht völlig aus der Welt zu schaffen – ein Team mit allen Mitarbeitern vor Ort arbeitet effizienter als ein verteiltes. Dieser Artikel soll Wege aufzeigen, mit denen die Arbeit im Team trotz verschiedener Standorte gut und koordiniert ablaufen kann.

Es dürfte wenige erfolgreiche Teams geben, die keine gemeinsame Sprache sprechen. International ist dabei Englisch gesetzt, insofern müssen die Mitarbeiter zwangsläufig Tickets und Dokumentationen in Englisch verfassen. Selbst wenn im Team ausschließlich deutschsprachige Kollegen tätig sind, kann Englisch als Projektsprache sinnvoll sein, da eventuell zu einem späteren Zeitpunkt ein auswärtiges Team die Betreuung des Projekts übernimmt.

In der IT ist Englisch naturgemäß weit verbreitet. Zwischen dem gelernten (und womöglich kaum angewendeten) Schulenglisch und der alltäglich gelebten Projektsprache besteht ein großer Unterschied. Letztlich müssen die Mitarbeiter komplexe Geschäftsprozesse und Abläufe verständlich erklären können, wofür ein kaum trainiertes Basisenglisch meist nicht ausreicht. Neben der reinen Kommunikation ist oft auch die domänenspezifische Fachsprache beziehungsweise Terminologie eine Herausforderung. Dafür bietet sich ein übergreifendes Glossar an. Gegebenenfalls sind Weiterbildungen sinnvoll, da das Gelernte direkt in die Praxis einfließt.

Wenn eine Diskussion ins Detail geht, steht es den Kollegen durchaus zwischenzeitlich frei, zur Muttersprache zu wechseln. Die Scrum Master beziehungsweise Projektleiter müssen aber darauf achten, dass eine für alle Kollegen verständliche Erklärung und Dokumentation der Quintessenz erfolgt.

Bei verteilten Teams spielt neben Sprachkenntnissen zusätzlich die Technik eine Rolle – rauschende Headsets und Laptop-Mikrofone erschweren die Kommunikation unnötig. Eine schlechte Internetanbindung lässt sich nicht immer beeinflussen, aber beispielsweise ein gutes Tischmikrofon sollte vorhanden sein. Im Idealfall erfolgt die Kommunikation über Video. Eingespielten Teams genügt oft auch der Austausch via Audio beziehungsweise Screensharing.

Neben der Sprache wirken sich kulturelle Unterschiede aus: In vielen Kulturen ist es absolut unüblich, "Nein" zu sagen. Ähnliches gilt für die Pünktlichkeit und die Direktheit in der Kommunikation. Hier gilt es vor allem, Verständnis für die Besonderheiten zu entwickeln und gemeinsame Regeln zu etablieren. Gegebenenfalls lässt sich mit vielen kleinen, konkreten Meilensteinen arbeiten. Auch eine Schulung zu "Cultural Awareness" kann zumindest für Projektleiter sinnvoll sein.

Die Bereitschaft, bei Unklarheiten oder Schwierigkeiten nach Unterstützung zu fragen, ist bei verteilten Teams oft geringer, da das Vorgehen als Schwäche ausgelegt werden könnte. Hier sind vor allem die Projektleiter gefragt, eine entsprechende Kultur und Vertrauen im Team aufzubauen, um solche Ängste abzubauen. Das ist auch für Retrospektiven wichtig.

Auch die Größe des Teams beeinflusst die Kommunikation: Ein Team mit 20 Mitarbeitern an unterschiedlichen Standorten wird kaum effizient kommunizieren können. Hier ist eine Aufteilung dringend angeraten – vier bis acht Kollegen sind für ein Kernteam eine sinnvolle Größe.