US-Geheimdienste sorgen sich um ihre digitale Vormachtstellung

Mehr als 30 Staaten rüsten laut US-Diensten für den Angriff in einem Cyberkrieg. Spionage werde immer weitgreifender, Spionageabwehr immer schwieriger. Dem müsse die ganze US-Nation mit einer Kultur der Cybersicherheit begegnen.

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Soldaten vor Bildschirmen

Kein Cyberwar ist noch lange kein Friede

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Die US-Geheimdienste und das Militär sehen sich einer großen Bandbreite "Ausländischer Cyberbedrohungen" gegenüber. Das wurde am Donnerstag bei einer Anhörung im US-Senat zu diesem Thema deutlich. Nach Erkenntnissen der US-Aufklärung rüsten mehr als 30 Staaten für aktive Angriffe in einem Cyberkrieg. Aber auch ohne offenen Krieg herrscht kein echter Frieden: "Unsere Gegner legen den Willen an den Tag, den Cyberspace als Plattform für Spionage, Angriff und Beeinflussung zu nutzen", schreiben Geheimdienste-Direktor James Clapper und NSA-Chef Admiral Michael Rogers im schriftlichen Teil ihrer Aussage.

Admiral Rogers leitet neben der NSA auch das Cyber Command der US-Streitkräfte.

"Ausländische [Geheimdienste] nutzen den öffentlichen und privaten Bereich unserer Nation fortwährend im Stillen aus, auf der Jagd nach strategischen und militärischen Erkenntnissen, sensibler Forschung, Immaterialgütern, Geschäftsgeheimnissen und personenbezogenen Daten." Für die Abwehr könne keine einzelne Stelle alleine die Verantwortung tragen. Notwendig sei eine "Antwort der ganzen Nation und eine Kultur der IT-Sicherheit aller User".

Die schriftliche Aussage hat mit Marcel Lettre, einem hochrangigen Beamten im Verteidigungsministerium, noch einen dritten Autor. Sie meinen, dass die größte Bedrohung vom russischen Staat ausgeht, gefolgt von der Volksrepublik China, dem Iran, Nordkorea, Terroristen und anderen Kriminellen.

Für die Spionageabwehr sei die "schnelle Entwicklung und Verbreitung disruptiver, fortgeschrittener Technik" die größte Bedrohung. "Ausgefeilte [Datensammlung] steht mehr Gegnern als jemals zuvor zur Verfügung, kann praktisch praktisch überall erfolgen, und betrifft Telefone, Computer, das Internet, Handys, drahtgebundene und drahtlose Netzwerke, sowie Unterhaltungen und Tätigkeiten in Büros, Wohnungen, Fahrzeugen und auf öffentlichen Plätzen." "Die Komplexität technischen Fortschritts, sowohl in den Werkzeugen selbst als auch in den Methoden, sie anzugreifen", stelle die Vereinigten Staaten vor viel größere Herausforderungen als noch vor fünf Jahren

Die drei Agenten betonen, dass sich die Auswirkungen von Aggression und Subversion im Internet nicht auf den virtuellen Raum beschränkten. Als Beispiele erwähnen sie ein ukrainisches Stromnetz und ein britisches Krankenhaus, die im physischen Raum Opfer von IT-Attacken geworden seien. In den USA seien die Konten von Mitarbeitern von Behörden und Militärausrüstern angegriffen worden. Zudem seien Informationen über Kampfjets und militärische Hubschrauber kopiert worden, was Auswirkungen auf Wirtschaft und Sicherheit habe.

Geheimdienste-Direktor James Clapper bei einem Vortrag (Archivbild)

(Bild: dpa, Britta Pedersen)

Auf psychologischer Ebene würden sich Information und Manipulation durch staatliche und nichtstaatliche Akteure auswirken. Die Rede ist von "anonymer Verbreitung manipulativer Inhalte, die darauf abzielt, Einfluss zu gewinnen und Verwirrung und Misstrauen zu schüren. Beispielsweise haben russische Akteure verfälschte Information in soziale Medien, Newsfeeds und Webseiten eingebracht, um Zweifel und Verwirrung zu säen, den Glauben in die demokratischen Einrichtungen zu unterminieren, und [sie] haben versucht, westliche Regierungen zu schwächen, indem sie sie als grundsätzlich korrupt und funktionsgestört darstellen."

Clapper möchte mit einer eigenen Propagandabehörde dagegenhalten. Diesen persönlichen Wunsch hat er im mündlichen Teil seiner Zeugenaussage beim Verteidigungsausschuss des US-Senats deponiert.

In ihrem Text halten die drei Zeugen fest, dass viele Regierungen neue Gesetze erlassen und technische Änderungen verfügen, um den Zugang zu Information zu überwachen und überhaupt den Internetzugang zu kontrollieren, etwa durch Beschränkung von Verschlüsselung und Reduzierung von Anonymität. Dem würden "innovative Technologen, Branchenführer, Datenschutzkämpfer, Hacker und Andere mit Interesse an Widerstand gegen Zensur und Regierungskontrolle des Cyberspace" entgegentreten.

Auf diplomatischer Eben gäbe es Versuche, bestimmte Grundsätze für staatliches Verhalten im Internet zu etablieren. Doch das gestalte sich mangels Einigkeit darüber, was überhaupt als "bewaffneter Angriff, Akt der Aggression oder Anwendung von Gewalt im Cyberspace gilt", als schwierig. Darüber hinaus mangle es an Übereinkunft darüber, wie internationale Normen über angemessene Reaktionen oder staatliche Souveränität im Cyberspace anzuwenden seien.

Mehr als 30 Staaten würden bereits für eigene Angriffe in einem Cyberkrieg aufrüsten, berichten Clapper und seine Kollegen. IT-Attacken seien insbesondere in der Anfangsphase eines Konflikts wichtig. Russische Verantwortliche hätten öffentlich gesagt, dass IT-Attacken wichtige Infrastruktur zerstören, den politischen Willen eines Gegners untergraben und die militärische Kommandokette stören könnten.

Wenn auf beiden Seiten ähnliche Fähigkeiten bestehen, hätten beide Seiten einen Anreiz für den Erstschlag. Das könne in zukünftigen Krisen zu rascher Eskalation führen, warnen die Chefs der US-Dienste. "Wichtige Infrastruktur wie Energie, Finanzen, Produktion, Verkehr, Kommunikation und Gesundheitssysteme zu schützen, wird eine immer komplexere Herausforderung für die nationale Sicherheit werden."

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(ds)