Vor 90 Jahren: "Metropolis" kommt ins Kino

Am 10. Januar 1927 wurde in Berlin der bedeutendste deutsche Science-Fiction-Film aller Zeiten uraufgeführt. Lange Zeit nur in gekürzter Form überliefert, liegt "Metropolis" seit 2010 wieder in voller Länge vor.

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Vor 90 Jahren: "Metropolis" kommt ins Kino
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Ralf Bülow

Zur Uraufführung war er der teuerste deutsche Film seit Erfindung des Kinos. Die Dreharbeiten zu "Metropolis" dauerten vom Mai 1925 bis Oktober 1926 und verschlangen zwischen vier Millionen und fünf Millionen Reichsmark; ein normaler Film kostete weniger als 200.000. Anschließend war das Studio, die Universum Film AG, ruiniert und wurde leichte Beute für den nationalistischen Medienunternehmer Alfred Hugenberg.

Regisseur von "Metropolis" war Fritz Lang, das Drehbuch schrieb seine Frau Thea von Harbou, die parallel dazu einen Roman verfasste. Schauplatz des Zweieinhalb-Stunden-Films ist eine Zukunftsstadt, in der sich anonyme Arbeiter für die Reichen und Schönen aufreiben. Die Stadt beherrscht Joh Fredersen; sein Sohn Freder und die von ihm verehrte Maria wollen das Los der Armen bessern. Sein eigenes Spiel spielt der Erfinder Rotwang, Schöpfer einer künstlichen Frau, die die Arbeiter zur Revolte hetzt.

"Metropolis" fast komplett digital restauriert (7 Bilder)

Metropolis fast komplett digital restauriert

2010 war "Metropolis" fast vollständig in digital wiederhergestellter Version zu sehen. Die Premiere der restaurierten Fassung fand in Frankfurt und Berlin statt. (Bild: Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung)

Uraufgeführt wurde "Metropolis" am 10. Januar 1927 in gleich zwei Berliner Kinos. Im Ufa-Palast am Zoo sah ihn die Prominenz der Hauptstadt vom Reichskanzler abwärts. Hier traten Filmteam und Schauspieler vors applaudierende Publikum. Die junge Brigitte Helm absolvierte eine Doppelrolle und stellte sowohl die gute Maria als auch die böse Androidin dar. Die zweite Premiere fand im Ufa-Pavillon am Nollendorfplatz statt, wo unter anderem die Journalisten saßen.

Den meisten gefiel das Produkt nicht. "Ein sachliches Thema grausam verkitscht", schrieb der Kritiker Herbert Ihering und endete mit den Worten: "Der Schluß, die tränenreiche Versöhnung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer – entsetzlich." Der Film lief nur in Berlin und vor immer weniger Zuschauern; im April nahm ihn die Ufa aus dem Programm. Im August 1927 brachte sie "Metropolis" um ein Viertel gekürzt landesweit heraus. Die Fassung entsprach der von Anfang an beschnittenen Kopie für den US-Markt; sie floppte ebenfalls.

In der Folgezeit entwickelten Cineasten und Science-Fiction-Fans eine neue Liebe zu Fritz Langs Werk. Seit den 1960er Jahren bemühten sich Medienhistoriker um die Restaurierung, allen voran Enno Patalas vom Münchner Filmmuseum. Die "Metropolis"-Version von 2001 wurde ins Weltdokumentenerbe der UNESCO aufgenommen. Sie folgte dem Aufbau des Originals vom Januar 1927, konnte aber bei verschollenen Teilen nur Standfotos zeigen oder die Begleitmusik von Gottfried Huppertz ertönen lassen.

2008 fand der argentinische Forscher Fernando Martín Peña eine komplette 16-mm-Kopie der Ur-"Metropolis" im Magazin des Filmmuseums von Buenos Aires. Die Bildqualität war nicht die beste, doch wurden jetzt die Lücken der bisherigen Rekonstruktion gefüllt. Am 12. Februar 2010 erlebte "Metropolis" die zweite Premiere in der Alten Oper Frankfurt und im Berliner Friedrichstadtpalast. Den Soundtrack lieferten live das Staatsorchester Braunschweig und das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin.

Die technische Zukunft zeichnet "Metropolis" zwiespältig. Häuser und Verkehrsmittel wirken visionär, und Joh Fredersen spricht ins Fernsehtelefon. Die übrigen Maschinen verharren aber tief im 19. Jahrhundert. Futuristisch ist natürlich die Maschinenfrau des verrückten Wissenschaftlers Rotwang. Das Design entwarf der Bildhauer Walter Schulze-Mittendorf; als Material diente eine Knetmasse auf Basis von Holzmehl. Von Brigitte Helm wurde ein Gipsabdruck des ganzen Körpers genommen und darauf dann die Teile ihrer Roboter-Rüstung geformt.

Der Roboter von Metropolis war nicht der erste im deutschen Kino – das war 1916 der Elektromensch von Harry Piel – aber der einflussreichste. Als George Lucas in den Siebzigern ein Science-Fiction-Projekt verfolgte und Konzeptskizzen benötigte, die er den Studios zeigen konnte, wandte er sich an den Illustrator Ralph McQuarrie. Der malte ihm unter anderem zwei Roboter in der Wüste, und einer sieht aus wie von Herrn Rotwang gebaut. Das Bild gefiel auch 20th Century Fox. Der Rest ist Filmgeschichte.

Am 90. Jahrestag können "Metropolis"-Freunde eine Ausstellung dazu in Köln besuchen. Die festliche Vorführung im Berliner Babylon-Kino ist leider ausverkauft. Online sind eine Sonderschau der Deutschen Kinemathek sowie die Kunstfrau der Cinémathèque française, die Walter Schulze-Mittendorf noch zu Lebzeiten anfertigte. Eine ältere, aber informative Fan-Seite stammt vom Australier Michael Organ. Den Film selbst gibt es mehrfach auf YouTube; die Rekonstruktion von 2010 ist an der Dauer von rund zweieinhalb Stunden erkennbar.

(anw)