Strafmilderung für Whistleblowerin Chelsea Manning: Haftentlassung am 17. Mai 2017 statt 2045

Eigentlich hätte Chelsea Manning ihre Strafe für die Weitergabe geheimer Informationen zu US-Kriegen noch bis 2045 absitzen müssen. Nach mehreren Berichten über Mannings Leiden in der Haft hat US-Präsident Obama die Strafe nun deutlich verkürzt.

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Strafmilderung für Chelsea Manning: Haftentlassung am 17. Mai statt 2045

(Bild: Chelsea Manning Support Network<br>)

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Wenige Tage vor seiner Amtsübergabe an Donald Trump hat US-Präsident Barack Obama die 35-jährige Haftstrafe für die Whistleblowerin Chelsea Manning deutlich reduziert. Wie die New York Times berichtet, soll Manning am 17. Mai 2017 das Gefängnis verlassen dürfen. Eigentlich hätte die Haftstrafe – unter anderem für für die Weitergabe des Videos "Collateral Murder" an Wikileaks – bis 2045 gedauert. Manning hatte es und andere geheime Informationen über Verfehlungen der US-Streitkräfte in Afghanistan und im Irak an Wikileaks weitergereicht und wurde dafür 2013 zu insgesamt 35 Jahren Haft verurteilt.

Zur Zeit der Weitergabe der Informationen und bis zu seinem Prozess vor einem US-Militärgericht hieß die Whistleblowerin noch Bradley Manning. Erst später nahm sie die weibliche Identität an und setzte die Namensänderung durch. Ihre Haftstrafe wegen Spionage und Verrats sitzt sie im US-Militärgefängnis in Fort Leavenworth ab. Dort sind nur Männer inhaftiert. In dem Gefängnis hat sie angesichts der Haftbedingungen mehrmals versucht, sich das Leben zu nehmen.

Für eine Strafmilderung hatten sich zuletzt nicht nur die Organisation Reporter ohne Grenzen, sondern auch der Wikileaks-Gründer Julian Assange ausgesprochen. Der hatte angekündigt, seinen Widerstand gegen eine befürchtete Auslieferung an die USA aufzugeben, sollte Obama von seinem Recht Gebrauch machen und Manning begnadigen. Auf Twitter hat Wikileaks die Entscheidung des Weißen Hauses nun als Sieg reklamiert.

[Update 18.01.2017 08:52]:

Nach der der Strafverkürzung für Manning äußerte sich auch Wikileaks-Gründer Julian Assange. In einer am Dienstagabend von seinen Anwälten verbreiteten Erklärung bezeichnete Assange die Whistleblowerin als "Heldin", die niemals hätte verurteilt werden dürfen und sofort auf freien Fuß gehöre.

Die Stellungnahme ließ offen, ob Assange nun tatsächlich bereit ist, sich an die USA ausliefern zu lassen. In einer Twitter-Nachricht von Wikileaks hieß es nach der drastischen Strafverkürzung für Manning, Assange sei zuversichtlich, "jeden fairen Prozess in den USA gewinnen zu können". Das Justizministerium habe unter dem – am Freitag aus dem Amt scheidenden – US-Präsidenten Obama eine Verteidigung im öffentlichen Interesse und eine "faire Jury" verhindert.

Das amerikanische Justizministerium hat bislang keine Anklage gegen Assange bekanntgegeben. In den USA kann eine Anklageschrift aber versiegelt werden, damit ihr Inhalt nicht bekannt wird. Es ist unklar, ob das im Fall Assange geschehen ist.

[Update 18.01.2017 – 12:50 Uhr]

In den USA hat der Präsident jederzeit das Recht, eine Begnadigung auszusprechen – auch schon vor und während eines Prozesses. Unterschieden wird dabei zwischen der "commutation", der Verringerung des Strafmaßes, und dem "pardon", bei dem das Verbrechen vergeben wird. In beiden Fällen gilt die Person nicht als unschuldig.

Weder Kongress noch Gerichte können diese Befugnis, die nach Artikel II, Absatz 2 der Verfassung geregelt ist, beschneiden oder Personen davon ausnehmen. Der Präsident darf zudem Amnestien für ganze Gruppen von Menschen aussprechen. Auf Ebene der Bundesstaaten fällt das Privileg in der Regel den jeweiligen Gouverneuren zu.

Präsident Gerald Ford begnadigte seinen wegen der Watergate-Affäre zurückgetretenen Vorgänger Richard Nixon. Abraham Lincoln und Andrew Johnson sprachen Amnestien für die Soldaten der Konföderations-Armee aus. Jimmy Carter erklärte eine Amnestie für jene, die im Vietnamkrieg den Wehrdienst umgangen hatten. Fast alle 44 bisherigen Präsidenten haben von ihrem Gnadenrecht Gebrauch gemacht, oft in großem Umfang. Barack Obama hatte bis Mittwoch insgesamt 212 Anträgen auf "pardon" und 1385 auf "commutation" stattgegeben. Meist werden solche Entscheidungen nicht sonderlich beachtet, weil die betroffenen Personen nicht im Rampenlicht stehen.

(mho)