Resident Evil 7 im Test: Endlich der blanke Horror in VR

Capcom wagt den Neuanfang: weniger Action, mehr Atmosphäre. An normalen Bildschirmen funktioniert das hervorragend. Spektakulär ist jedoch die VR-Version, die alle bisherigen Virtual-Reality-Spiele in den Schatten stellt.

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Resident Evil 7 Test: Endlich der blanke Horror in VR

(Bild: c't)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Peter Kusenberg
Inhaltsverzeichnis

Capcom veröffentlicht heute das Horror-Abenteuer Resident Evil 7 für Windows, Xbox One und PS4. Die deutsche Version ist laut Hersteller unzensiert und erhielt eine USK-Freigabe ab 18 Jahren. Auf allen drei Plattformen kann man das Horror-Adventure normal am Bildschirm spielen. Besonderen Aufwand hat Capcom jedoch mit der VR-Version für die PS4 getrieben. Resident Evil 7 ist das bislang längste und umfangreichste VR-Spiel überhaupt und läutet eine neue Ära der Virtual-Reality-Spiele ein.

Unter Leitung des Regisseurs von Resident Evil Revelations, Kōshi Nakanishi, schufen die Entwickler eine neue Rahmenhandlung, wählten einen originellen Schauplatz und verzichteten auf das Personal vergangener Teile der 20 Jahre alten Serie.

Im Unterschied zum gefloppten sechsten Teil ist man hier nicht als Elite-Soldat unterwegs, sondern als der junge Ethan, der in einem abgelegenen Anwesen nach seiner verlobten Mia sucht, die vor drei Jahren auf mysteriöse Weise verschwand. Der Spieler muss die verrotteten Häuser auf eigene Faust durchforsten und sich immer wieder der durchgedrehten Bewohner erwehren, die ihm kämpferisch meist haushoch überlegen sind.

Das Haus liegt verfallen im Sumpf, die Klos sind verstopft und im Kühlschrank befindet sich verrottendes Fleisch verdächtiger Herkunft. Als die ersten Mitglieder der Familie Baker auftauchen, befindet sich Ethan bereits mitten in einem Albtraum, aus dem er während der mindestens zwölfstündigen Spielzeit zu entkommen versucht.

Atmosphärisch knüpfen die Entwickler an Klassiker des Horror-Films wie "The Texas Chainsaw Massacre" oder "Wrong Turn" an, nur dass man hier den nervenaufreibenden Horror selbst miterlebt, was das Spiel zu einer noch intensiven Erfahrung als die Filmvorlagen macht.

Resident Evil 7 (20 Bilder)

Ethan sucht nach Mia, die von der Familie irgendwo gefangen gehalten wird. Sie taucht immer mal wieder als geisterhafte Erscheinung auf und verschwindet wieder. (Bild: c't)

Anders als in den übrigen über 20 Serienteilen bewegt sich der Spieler von Resident Evil 7 in der Ego-Perspektive durch die Zimmer des verfallenen Baker-Anwesens. Der Perspektivwechsel war nötig für die VR-Version, in die man auf der PS4 mit angeschlossenem PSVR-Headset jederzeit wechseln kann – oder in ihr sogar das gesamte Spiel bestreitet. In VR wirkt das Spiel nochmals intensiver. Bereits die gewöhnlichen Jump-Scares lassen dem Spieler jedes lebenswichtige Organ in Hosennähe rutschen, etwa wenn sich plötzlich das Gesicht der Hausherrin auf 20 Zentimeter an des Spielers Nasenspitze heran schiebt und ihre gellende Stimme Obszönitäten keift.

Während des Tests erwies sich das VR-Erlebnis als gut verträglich. Der Spieler kann sich mit dem Analogstick kontinuierlich fortbewegen und frei im Anwesen bewegen. Drehungen wurden in 30-Grad-Schritte unterteilt, zudem lässt sich optional ein Gitternetz einblenden. Das allgemeine Gehtempo ist sehr langsam; wenn man läuft, wird das Sehfeld künstlich verkleinert. Ebenso bewegen sich die Gegner langsam, sodass Tempo und Rhythmus VR-Spieler nicht überfordern.

Wir konnten das Spiel ohne einen Anflug von Simulatorkrankheit genießen. Allerdings kostet das VR-Erlebniss eine Menge Nervenkraft, denn man pflegt sich in schummrigen Kellerräumen und im knisternden und knackenden Gewächshaus häufig umzudrehen, um nicht hinterrücks von einem Unhold überwältigt zu werden. Diese permanente Aufmerksamkeit und der erhöhte Stresspegel bewirkte, dass wir nach spätestens einer Stunde ein Päuschen einlegen mussten. Auch wenn das Spiel langsam ist, erreicht es doch eine wesentlich höhere Intensitätsstufe als so manch schneller Action-Shooter.

Im Kern handelt es sich um ein typisches Survival-Horror-Spiel der alten Schule. So nutzt das Spiel Save-Rooms zum Speichern des Spielstandes und zur Aufteilung des Inventars. Der Spieler kombiniert Chemikalien mit Kräutern, um deren Heilwirkung zu stärken. Munitionsmangel ist ein ständiges Problem. Insbesondere in den beiden höheren Schwierigkeitsgraden sind Kugeln rar, sodass man immer wieder fliehen oder sein Glück im Nahkampf mit dem Messer versuchen muss. Verletzungen sind unausweichlich, denn obwohl man 80 Prozent der Zeit unbehelligt die Umgebung erkundet und Rätsel löst, tauchen urplötzlich Mutanten oder riesige Insekten auf und lassen den Adrenalinpegel in die Höhe schnellen. Leider sind die Wege der Bewohner fest gescriptet. Anders als etwa in "Alien: Isolation", in dem das Monster immer wieder neue Wege ging, kann man sich hier beim erneuten Anlauf recht gut auf ihre Bewegungsmuster einstellen.

Die Rätsel verlangen einfache Kombinationsgabe, so muss man Figuren drehen, um Schattenbilder zu erzeugen oder Schlüssel für abgesperrte Türen aufstöbern. Wie in anderen Survival-Horror-Spielen fragt man sich, warum Ethan eine morsche Holztür nicht einfach eintritt, oder einen niedergeschlagenen Gegner nicht einfach zerstückelt, damit er nicht wieder aufstehen kann. Doch diese logischen Brüche stören das Erlebnis kaum, wenn man sich auf die künstlichen Schranken der Spielwelt einlässt.

Die Entwickler haben ein vorzüglich moderigen Ambiente geschaffen. Wie in Silent Hill drapierte Kuscheltiere wirken hier beinahe gruseliger als die Metzgertische für Menschenfleisch. Der minimalistische Soundtrack passt zur bedrohlichen Atmosphäre, die deutschen Stimmen der Bakers klingen wunderbar durchgedreht und obszön.

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Doch trotz all des Grauens widerstanden die Entwickler der Versuchung, einen sadistischen Schwierigkeitsgrad einzubauen. Capcom lässt den Spieler nie frustriert vor die Wand laufen, sondern gibt ihm immer wieder subtile Tipps, wie er weiterkommen oder einen Kampf gewinnen kann. Um die Orientierung zu behalten, werden neben der Karte auch die nächsten Ziele angezeigt, so dass der Spieler stets weiß, welche Aufgaben anstehen.

Gelungen ist die Integration von interaktiven Videofilmen: Unterwegs findet Ethan immer wieder VHS-Kassetten, die er in Fernseher einlegen kann. Darauf folgt ein etwa zehnminütiger Film, in dem man selbst mitspielen darf. Er verrät nicht nur etwas über die Hintergrundgeschichte, sondern zeigt auch Verstecke von wichtigen Gegenständen.

Bravo, Capcom: Der Neustart ist hervorragend geglückt. Wer ein Playstation-VR-Set besitzt, erhält hier endlich das erste langfristig packende Virtual-Reality-Spiel: So arg konnte man sich noch in keinem Resi zuvor gruseln. Wer bedenken hat, ob ihm das Spiel gefällt, sollte unbedingt die hervorragende Demo "The Beginning Hour" ausprobieren. Das fertige Spiel ist allerdings weitaus intensiver und hat weniger Leerlauf.

Resident Evil 7 ist ein typisches Survival-Horror-Aventure, mit vielen Schleicheinlagen, nicht zu komplizierten Rätseln und wohl dosierter Action. Dank der erstklassigen Umsetzung kann man ganz in die gruselige Atmosphäre eintauchen, ohne sich wie bei vielen anderen Genre-Vertretern über eine vergurkte Steuerung ärgern zu müssen. Insofern hat Capcom mit den Bakers eine packende neue Story ersonnen, die Anhänger der Serie ebenso zu schätzen wissen wie die Fans von subtileren Horrorspielen à la Silent Hill. (hag)