KI mit emotionaler Intelligenz

Call-Center wollen ihre menschlichen Mitarbeiter nicht abschaffen, aber leistungsfähiger machen. Dabei helfen zunehmend Systeme, die den Verlauf von Gesprächen in Echtzeit analysieren und Hinweise dazu geben.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Will Knight
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Wenn Sie das nächste Mal bei der Kundenbetreuung anrufen, kann es sein, dass die Person am anderen Ende der Leitung beim Gespräch mit Ihnen von emotional intelligenter KI-Software unterstützt wird. Manche Call-Center-Mitarbeiter bekommen inzwischen in Echtzeit Hinweise von Software, die ihre Sprache und die Art ihrer Dialoge mit Kunden analysiert. Beispielsweise kann die Software empfehlen, langsamer zu reden oder seltener zu unterbrechen, oder darauf hinweisen, dass ein Gesprächspartner ärgerlich zu sein scheint.

Solche Anwendungen sind eine faszinierende Vorschau auf die Art und Weise, wie Künstliche Intelligenz und Menschen in Zukunft immer stärker zusammenarbeiten könnten. Reichlich Routinearbeit in Call-Centern und anderen Büros wird zunehmend automatisiert, doch die direkte Interaktion mit Menschen dürfte davon noch lange Zeit verschont bleiben. Aber auch so kann KI-Software in einer beratenden Funktion beeinflussen, wie menschliche Mitarbeiter mit Kunden interagieren.

Die Software für Call-Center-Mitarbeiter stammt von Cogito, einem Unternehmen mit Sitz in Boston. Sie bewertet automatisch die Dynamik eines Gesprächs und ist darauf trainiert, bestimmte charakteristische Merkmale zu erkennen. Statt der Inhalte wird dazu die reine Audio-Aufzeichnung analysiert. "Ein Gespräch ist wie ein Tanz", sagt Josh Feast, der CEO von Cogito. "Man kann erkennen, ob die Teilnehmer miteinander synchronisiert sind, und wie sich gezeigt hat, ist das ein viel besserer Indikator als der Inhalt."

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Call-Center sind seit langem daran interessiert, die Stimmen von Anrufern auf Anzeichen für Aufregung oder Verärgerung zu analysieren. Dank neuer Maschinenlern-Techniken und Massen an Trainingsdaten ist Software inzwischen viel besser darin geworden.

Recherchen von Cogito haben laut Feast gezeigt, dass Call-Center ihre menschlichen Mitarbeiter nicht abschaffen wollen, aber sehr daran interessiert sind, ihre Arbeitsweise zu verbessern. "Menschen sind soziale Wesen", erklärt er. "Wir treten aus emotionalen Gründen in Kontakt miteinander, und wir wollen jemanden, der uns hilft und uns berät."

Gegründet hat Feast sein Unternehmen im Jahr 2007 zusammen mit Sandy Pentland, einem Professor am MIT Media Lab, der auf Interaktionen zwischen Menschen spezialisiert ist. Anfangs arbeitete Cogito mit Geld von der Forschungsagentur DARPA und sollte eine Methode entwickeln, um anhand von Sprache den geistigen Zustand einer Person zu erkennen.

Einige Kunden bestätigen, dass Cogito dazu beigetragen hat, die Leistung ihrer Call-Center zu erhöhen. So hat der Gesundheitsanbieter Humana auf der Grundlage der Technologie eine Lösung für seine Call-Center-Mitarbeiter entwickelt und konnte bei häufig verwendeten Kennzahlen zur Kundenzufriedenheit eine Steigerung um 28 Prozent feststellen. Laut Feast zeigen sich Mitarbeiter, die seine Software nutzen, meist auch selbst zufriedener mit ihrer Arbeit.

Nach diesen ersten Erfolgen arbeitet Cogito an einer Plattform, die eine viel schnellere Verbreitung der Technologie ermöglichen könnte. Laut Feast könnte sie in Software für Videokonferenzen integriert oder als Hilfe bei geschäftlichen Verhandlungen genutzt werden. Sogar über einen Einsatz in der Eheberatung spekuliert er.

"Menschen Feedback über den geistigen Zustand zu geben, den sie bei anderen auslösen könnten, scheint von Wert zu sein", sagt Peter Robinson, ein Professor, der an der University of Cambridge Mensch-Computer-Interaktion erforscht. "Es gibt noch viele weitere Anwendungen für diese Art von Technologie."

Wichtig aber wird es laut Robinson sein, sich nicht zu sehr auf ein solches System zu verlassen. "Diese sozialen Signale sind bestenfalls mehrdeutig und im schlechtesten Fall bei verschiedenen Menschen ganz unterschiedlich zu deuten", erklärt er.

Rosalin Picard, Professorin am MIT Media Lab und Pionierin beim Erfassen von Emotionen, sieht ebenfalls mögliche Probleme. "Ich glaube, dass es darauf ankommt, wie das Interface gestaltet wird", sagt sie. So hätten unterschiedliche Menschen oft auch unterschiedliche Kommunikationsstile. "Viele New Yorker zeichnen sich durch viele Unterbrechungen aus", nennt Picard als Beispiel. "Sie ebenfalls zu unterbrechen, kann deshalb sympathisch wirken und eine Beziehung zu ihnen entstehen lassen. Bei anderen Anrufern aber könnte ein solches Verhalten unhöflich wirken".

(sma)