Leistungsschutzrecht: Landgericht liebäugelt mit Wortgrenze für Google

Im Rechtsstreit der Presseverlegern gegen Google um das Leistungsschutzrecht ist eine schnelle Entscheidung vom Tisch, der Fall könnte auch erst beim EuGH landen. Das Gericht hatte Mühe mit den vagen Gesetzesvorgaben.

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Google

(Bild: dpa, Karl-Josef Hildenbrand)

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Der Gesetzgeber hat Juristen mit der vagen Ansage, dass "einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte" nicht vom sogenannten Leistungsschutzrecht für Presseverleger im Internet betroffen sind, eine harte Nuss zu knacken gegeben. Dies zeigte sich am Dienstag bei der mündlichen Verhandlung der urheberrechtlichen Klage von rund 40 Medienhäusern um Axel Springer, DuMont Schauberg, Funke und Madsack vor dem Berliner Landgericht. Diese Schwelle "ist genau das Problem", erklärte der vorsitzende Richter Peter Scholz. Sie sei so unscharf, "dass wir alle darüber rätseln".

Das Gericht hat auf Basis der Klage der Verwertungsgesellschaft (VG) Media und der darin vertretenen Presseverlage zu klären, ob Google Presseerzeugnisse über die Schrankenregel hinaus in der allgemeinen Ergebnisliste oder in der gesonderten News-Suche nutzt. Das ist grundlegend für die Frage, ob das Unternehmen lizenz- und schadenersatzpflichtig ist und folglich Auskunft über die Höhe erzielter Werbeeinnahmen insbesondere in Deutschland geben muss.

Das Leistungsschutzrecht für Presseverleger

Scholz verwies in seinem einleitenden Bericht zu den Ergebnissen der Vorberatung der Kammer gleich auf ein Manko des Gesetzgebungsverfahrens: die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung hatte es unterlassen, den Entwurf der EU-Kommission und den Mitgliedsstaaten vorzulegen. Eine solche "Notifizierung" ist nötig, wenn Dienste der Informationsgesellschaft betroffen sind. Sollte die Kammer der Überzeugung sein, dass dies erforderlich gewesen wäre, müsste sie zumindest entscheidende Teile des Gesetzes für nicht anwendbar erklären. Bei einer Ungewissheit könnte sie die Frage dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorlegen, was ein Urteil ein oder zwei Jahre verzögern würde. Parallel wird in Brüssel und Straßburg über ein EU-weites Leistungsschutzrecht beraten.

Vor allem die Klägerseite war offensichtlich überrascht von diesen Ausführungen des Vorsitzenden und erbat letztlich eine Pause, um darauf reagieren zu können. Im Anschluss beantragte sie, im Zweifelsfall besser den EuGH einzuschalten. Angesichts eines Streitwerts von 30 Millionen Euro sei dies sinnvoller, als sie mit dieser Frage im Nacken "durch die Instanzen zu jagen". Googles Anwalt bezeichnete die ausgebliebene Notifizierung dagegen als weiteren Grund, um die Klage abzuweisen.

Nicht unerwähnt ließ er auch die Ansage aus Karlsruhe im Rahmen der gescheiterten Verfassungsbeschwerde von Yahoo gegen das Leistungsschutzrecht, dass auch das Recht der Suchmaschinenbetreiber berücksichtigt werden müsse, ihre Tätigkeit nicht unmöglich gemacht werden dürfe. Das Gesetz wolle generell verhindern, "dass Presseverlage ausgebeutet, abgefischt werden". Das Anzeigelimit von Meldungen sei folglich erreicht, wenn Nutzer auf einen Zugriff auf die eigentliche Nachricht verzichteten, da sie über die Google-Treffer schon die gewünschten Informationen erhalten hätten. Unstreitig sei, dass die heutige Anzeige Nutzer zum Klicken bringen.

Am sinnvollsten scheint es der Kammer laut dem Vorsitzenden daher, "eine Wortgrenze einzuführen". Die Schiedsstelle des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA), wo die Auseinandersetzung zuerst gelandet war, hatte hier sieben Wörter ins Spiel gebracht, die entgeltfrei von Google in Ergebnisse eingebunden werden dürften. Diese Zahl habe eine "gewisse Mystik", führte Scholz aus, sei aber doch zweifelhaft. Ein "objektivierter Maßstab" müsse aber her, der vielleicht bei zwölf oder 20 Wörtern liegen könnte. Zu einem möglichen Auskunftsanspruch und Schadenersatz wollte der Richter erst einmal nicht viel sagen, da man davon "noch weit entfernt" sei.

Mit sieben Worten sei die Obergrenze "immer noch nicht ausreichend" beschrieben, hielt der Anwalt im Namen der VG Media dagegen. "Es müssten eher weniger sein." Bei "kleinsten Textausschnitte" handle es sich um einen "absoluten Superlativ" im Sinne von "kleiner geht's nicht". Die "kleinste denkbare mögliche Einheit" reiche aus, damit diese noch "zweckdienlich" von Suchmaschinen verwendet werden könne. Den in dem Streit oft verwendeten Begriff "Snippets" lehnte er ab, da dieser im Gesetz nicht vorkomme und ihn "immer ganz wuschig" mache.

Mit einer "vertraglichen Vereinbarung" und entsprechenden Geldflüssen dürfe Google aber "gern auch mehr" anzeigen, meinte der Anwalt. Die Verlage hätten prinzipiell nämlich ein "hohes Interesse daran, dass möglichst viel angegeben wird", um mehr Leser zu akquirieren. Aber dafür müsse erst klar sein, welche Gewinne der Suchmaschinenbetreiber daraus ziehe, "massenhaft" Verlagstexte zu nutzen. Der Inhaber des Schutzrechts habe schließlich nicht nur einen Verbotsanspruch bekommen, sondern "soll aus der Leistung auch einen wirtschaftlichen Ertrag erzielen können". Google könne daher mittelfristig nicht durchkommen mit der Haltung: "Wir kaufen nicht ein."

Der Suchmaschinenbetreiber habe "alles getan, um zu erfahren, wo die Klägerin die Grenze sieht", betonte dagegen Googles Anwalt. Den Verlagen warf er vor, auf Basis des Gesetzes "Schadenersatz erschleichen" zu wollen. Der Internetkonzern lasse sich "jeden Tag" schon über die Serverdatei robots.txt eine "rechtsverbindliche Erklärung" geben, dass Auszüge genutzt werden dürften. Google News sei zudem ein reines "Opt-in-Produkt": Inhalteanbieter müssten sich dafür melden und sagen, dass sie teilnehmen wollten.

Für Google lässt der Wortlaut des Normenwerks "natürlich auch vier oder zehn Sätze zu", die lizenzfrei angezeigt werden dürften. Laut einem von Google in Auftrag gegebenen Gutachten sowie nach Ansicht weiterer Wissenschaftler seien "vier bis sechs Zeilen" Text erforderlich, um das Klickverhalten zu optimieren und Kontext liefern zu können. Andernfalls werde die Funktionsfähigkeit der Suchmaschine beeinträchtigt. Ein Limit sollte in maschinenlesbar angegeben werden. Vor einem Auskunftsanspruch warnte Google, gehe es doch um Geschäftsgeheimnisse. Einen kausalen Zusammenhang zwischen den Anzeigen der Textauszüge und Einnahmen über Werbung gebe es auch nicht.

Ein rasches Urteil ist anders als im parallelen Kartellrechtsverfahren, in dem das Landgericht voriges Jahr gegen die VG Media entschieden hat und diese in die Berufung gegangen ist, nicht zu erwarten. Die Klägerin legte vor Ort unter anderem noch eine "Kaskade zu Hilfsanträgen" zum Auskunftsanspruch vor und löste damit ein gewisses Chaos aus. Scholz räumte beiden Seiten so zunächst einen Monat Zeit ein, um auf die neuen Ersuchen reagieren zu können. (mho)