Wir sind die ein Prozent

Aus der Mitte entspringt ein Schuss: Lancia Thema 8.32

Lancia, das war einst, lang ist es her, süße Verführung, dolce vita und ein Mittelfinger gen graue Masse und breite Mitte. Genannt hatten die Italiener diese Botschaft „Lancia Thema 8.32“

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Von
  • Bernd Kirchhahn
Inhaltsverzeichnis

Der Goldenboy setzte den Zeichenstift an. Anfang der 1960er Jahre sah sich Aurelio Lampredi bei Fiat einem weißen Blatt Papier und der Aufgabe einen Motor zu entwerfen gegenüber. Lampredi war zuvor bei Ferrari. Seine Motoren bescherten deren Rennstall seinerzeit die ersten Erfolge überhaupt. Es folgten Regeländerungen und neue Klassements, doch Lampredi befeuerte fleißig die Hubräume und hielt Ferrari auf den Spitzenplätzen. Selbst nach seinem Abgang garantierte seine Arbeit der Marke noch Erfolge.

Jetzt, in Diensten von Fiat, sollte er einen Alltagsmotor entwerfen. Und das tat er. Und was für einen. Der Fiat 124 wurde damit zum Erfolg und im Lancia Beta verrichtete er jahrelang gute Dienste. Einfach und robust, aber ausreichend stark für die Widrigkeiten eines italienischen Lebens. Mittlerweile begannen die 1980er Jahre und der Motor sollte auch im Lancia Thema dienen – dem Beta-Nachfolger.

Lancia kann auch einfach

Dieser Ausflug in die italienische Motorengeschichte ist wichtig. Denn ein Motor, dessen Grundkonzept 15 Jahre alt ist – was etwas angestaubt klingen mochte – war aber genau, was Lancia benötigte. Denn die Marke hatte nie den Ruf Mainstream-Technologie zu verbauen. Was ein Euphemismus ist für mangelnde Zuverlässigkeit und hohen Wartungsaufwand. So war es ein Ding der Unmöglichkeit, die Idee eines Zweieinhalb-Liter-Vierzylinder-Boxermotors im Lancia Gamma irgendwie in ein betriebswirtschaftlich sinnvolles Korsett zu zwingen. So spannend es technisch auch gewesen sein mag.

Vier Zylinder in Reihe sollten es also sein. Saab und Lancia begannen 1979 in Kooperation an einer oberen Mittelklasse zu arbeiten. Diesmal sollte es besser werden. Einfacher. Frontantrieb, McPherson-Federbeine hinten. Die Firmen kamen so gut voran, dass Fiat und Alfa Romeo (damals noch nicht im Fiat-Konzern) gleich mit auf den Zug sprangen. So entstanden mit dem Saab 9000, dem Lancia Thema, dem Fiat Chroma und dem Alfa Romeo 164 gleich vier Autos und ein buntes Potpourri von Auto: bei der Turbotechnologie und der Heizung half Saab beispielsweise verstärkt mit, während die Sitze von Alfa Romeo stammten.

Unter der Haube: Lampredis Vierzylinder in diversen Leistungsstufen mit und ohne Turbolader und ein so genannter Europa-V6. Der hieß so, weil sich an seiner Entwicklung neben Fiat auch noch Peugeot, Renault und Volvo beteiligt hatten – 2,9-Liter Hubraum, 150 PS. Ausgereift und unkompliziert wurde der Lancia Thema zu einem der erfolgreichsten Modelle der italienischen Marke, bis die Produktion im Sommer 1994 eingestellt wurde. Sogar einige Regierungsmitglieder entschieden sich für das Modell. Auch wenn der Begriff „Staatskarosse“ doch etwas übertrieben wäre. Dafür fehlte es an Repräsentationswert.