"Stille Post": Neue Herlinde Koelbl-Ausstellung in Berlin
Ab März zeigt das Museum für Kommunikation Berlin eine neue Ausstellung der bekannten deutschen Fotografin Herlinde Koelbl unter dem Motto "Stille Post. Hören und Verstehen".
- Andreas Th. Fischer
Das Kinderspiel Stille Post kennt wohl fast jeder. Das erste Kind denkt sich eine Nachricht aus, die es dem nächsten Kind ins Ohr flüstert. So wird die Nachricht von Kind zu Kind immer weitergereicht bis sie vom letzten Teilnehmer des Spiels laut verkündet wird. Meist hat sich der ursprüngliche Inhalt bei seiner Weitergabe von Ohr zu Ohr zur allgemeinen Belustigung der Kinder stark verändert. Nach Ansicht der 1939 in Lindau am Bodensee geborenen Fotografin Herlinde Koelbl funktioniert auch die spätere Kommunikation von Mensch zu Mensch nach diesem Prinzip – egal "ob Alt oder Jung, Schwarz oder Weiß".
Intime Momente des Flüsterns und Lauschens
Koelbl wollte diese "intimen Momente des Flüsterns und Lauschens mit ihrer Kamera festhalten" und hat 28 Paare in ihr Studio eingeladen und dort fotografiert. Die auf den Bildern zu sehenden Paare sind bunt gemischt. Koelbl konnte nach eigenen Angaben Frauen, Männer und Kinder aus 16 Nationen, fünf Kontinenten und jeden Alters in ihrem Studio versammeln. Zu den abgebildeten Personen zählen Prominente wie die Moderatorin Amelie Fried, die Schauspielerin Sunnyi Melles und der Barbesitzer Charles Schuhmann. Andere Teilnehmer sind keine VIPs, stammen aber aus Indien, Tansania, Estland, Nigeria, den USA, Syrien und vielen anderen Ländern.
Jede Person ist dabei immer auf zwei Bildern zu sehen. Einmal beim Empfangen einer Nachricht und einmal beim Weitergeben dieser Botschaft. Koelbl möchte mit ihren Fotos zeigen, dass jeder etwas anderes versteht und individuell entscheidet, wie er das Gehörte interpretiert und weitergibt. Mit ihren Schwarzweiß-Bildern will sie "das Vertrauen offenbaren, das Sprachbarrieren überwindet, kulturelle Unterschiede aufhebt und eine Kette des Verstehens bildet".
Politische Fotografin mit Ausdauer
Herlinde Koelbl ist eine auf Langzeitprojekte ausgerichtete und zugleich ausgezeichnet vernetzte Fotografin, wie es hierzulande wohl nur wenige gibt. Vor allem hat sie einen sehr guten Zugang zu den Mächtigen in Deutschland. So hat sie in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Angela Merkel, aber auch zum Beispiel Gerhard Schröder und Joschka Fischer fotografiert. Ihre Fotoinstallation "Wille und Macht" ist seit mehreren Jahren als Dauerleihgabe im Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestages zu sehen. Auf den Eröffnungsbildern sind neben Koelbl auch der frühere Bundeskanzler Schröder, der ehemalige Präsident des Deutschen Bundestages Wolfgang Thierse und der Unternehmer Carsten Maschmeyer zu sehen. 2014, zu ihrem 75. Geburtstag, wurde in der Bundeskunsthalle in Bonn die Ausstellung Targets eröffnet. Für sie hat Koelbl in fast 30 Ländern Truppenübungsplätze besucht, um die landestypischen Schießziele zu dokumentieren.
Das Fotoprojekt Stille Post. Hören und Verstehen wird vom 10. März bis zum 11. Juni 2017 im Museum für Kommunikation in Berlin zu sehen sein, dessen Trägerin die 1995 im Zuge der bundesdeutschen Postreform gegründeten Museumsstiftung Post und Telekommunikation ist. Aber dabei handelt es sich nicht um die einzige Ausstellung von Herlinde Koelbl, die in den Startlöchern steht. Vom 26. Januar bis zum 9. Februar zeigt die Beith Schalom Synagoge in Speyer ihre bereits 1989 entstandene Serie "Jüdische Porträts" und vom 26. Januar bis zum 10. März präsentiert das Auswärtige Amt in Berlin die Ausstellung "Flüchtlinge". (keh)