Remix Singularity: Das Smartphone wird zum Desktop-PC

Jide hat eine Version seines Desktop-Androids Remix OS vorgestellt, die auf Smartphones läuft. Damit wird das Telefon zum PC, wenn man Monitor, Maus und Tastatur anschließt – wie mit Microsofts Continuum.

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Remix Singularity

(Bild: Jide)

Lesezeit: 4 Min.
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Jide, Hersteller des Alternativ-Androids Remix OS für Desktop-PCs, hat Singularity vorgestellt: eine Variante des Betriebssystems, die auf Smartphones läuft und sie in einen PC verwandelt.

Sobald man an ein Smartphone mit Remix Singularity an einen Monitor anschließt und per Bluetooth Maus und Tastatur ankoppelt, zeigt das Smartphone auf dem Monitor ein verändertes Android, das sich besser für die Desktop-Bedienung eignet: Die Android-Apps laufen in Fenstern, die neben- und übereinander liegen können, unten gibts eine Task-Leiste, die Statuszeile ist dort integriert, die Bedienung ist besser auf Maus und Tastatur ausgelegt. Ohne Monitor verhält sich das Smartphone wie gewohnt, das Remix-Android soll ein pures Android ohne Hersteller-Aufsätze sein. Weitere Details will Jide allerdings erst im zweiten Halbjahr verraten.

Tatsächlich ist das Desktop-Android gar nicht die Neuerung von Singularity, denn genau das ist Remix OS: Eine Android-Variante, die für Desktop-PCs gedacht ist. Jide bietet etwa Images an, die sich auf Notebooks und PCs mit x86-Prozessor installieren lassen. Mitte vorigen Jahres hatte sich das Projekt Android-x86 dazu Jide angeschlossen. Aber auch für andere Hardware ist Remix OS gedacht, Jide selbst verkauft mehrere Mini-PCs mit ARM-Prozessoren.

Neu bei Singularity ist also die Integration von Remix OS in ein Smartphone und die Möglichkeit, neben der Desktop- auch die herkömmliche Smartphone-Bedienoberfläche einzubauen. Ein Problem bleibt aber auch in dieser Version von Remix bestehen, nämlich der fehlende Play Store. Google verweigert Jide eine Zertifizierung, sodass Remix OS wie auch alle CustomROMs ala LineageOS keine Google-Apps mitliefern dürfen. Und wie ebenfalls bei denen, gibt es natürlich eine inoffizielle Lösung.

Da Google vermutlich nur komplette Geräte zertifiziert und keine Betriebssystem-Variante, wäre der einzige offizielle Ausweg für Jide wohl, einen Smartphone-Hersteller zu finden, der Remix Singularity vorinstalliert – ein Ausweg, den Cyanogen auch für CyanogenMod gegangen ist, wobei Cyanogen OS entstanden ist.

Zusätzlich hat Remix Singularity einen TV-Modus, in dem auf einem angeschlossenen Fernseher die Android-TV-Oberfläche erscheint.

Zwei weitere Probleme muss Jide dann mit dem Hersteller lösen, die Bildschirmausgabe und die Stromversorgung. Viele Grafikkerne der aktuellen Mobil-CPUs sind zwar in der Lage, ein zweites Display anzusteuern, doch der Ausgang ist nur bei wenigen Smartphones herausgeführt. Noch vor einiger Zeit war ein in den MicroUSB-Port eingebauter HDMI- oder DisplayPort-Ausgang zumindest bei High-End-Geräten recht verbreitet; man brauchte dann einen MHL- oder SlimPort/MyDP-Adapter. Doch mittlerweile haben wir nur noch wenige Smartphones gesehen, die das unterstützen.

Ein Problem der Adapter war die Stromversorgung, blockieren sie doch den MicroUSB-Ausgang, sodass das Smartphone nicht geladen werden kann. Abhilfe schaffen nur einige wenige Hersteller, die für einzelne Modelle spezielle Docking-Stationen herausgebracht haben, etwa Samsung für das S3 – siehe dazu auch unser Selbstversuch, den Desktop-PC durch ein Smartphone zu ersetzen in c't 8/15.

Vielleicht bringt USB-C einen Fortschritt, hier ist sowohl ein DisplayPort-Kanal als auch die Stromversorgung des Smartphones vom Monitor aus vorgesehen – alleine haben wir noch kein Smartphone entdeckt, bei dem das ginge.

Ein ähnliches Konzept wie Singularity gibt es auch bei Microsofts Windows Phone, beziehungsweise Windows 10 Mobile. Continuum heißt es dort. Ein Vertreter ist das HP-Smartphone Elite X3, angetrieben vom Qualcomm Snapdragon 820. Als Zubehör gibt es eine Docking-Station mit Stromversorgung, DisplayPort-Ausgang und ein paar USB-Buchsen, und direkt eine Art Notebook: vielmehr Display und Tastatur im Notebook-Format, aber halt ohne Prozessor und Speicher. Einen Test des Elite X3 mit beiden Docking-Arten bringen wir in der nächsten c't 6/17 (ab nächstem Samstag, 4.3. am Kiosk).

Ein Detail lässt sich bei Jides Singularity allerdings noch nicht recht erkennen: Hat man bei Microsoft Continuum einen Monitor angeschlossen, lässt sich das Smartphone wahlweise als riesiges Touchpad oder für eine weitere App nutzen. Im Demo-Video zeigt Jide auf dem Smartphone einfach die normale Android-Oberfläche, lässt sie aber unbenutzt. (jow)